SSL Puredrive Quad Preamp Test 

SSL Puredrive Quad Preamp Test: Preamps der britischen Traditionsfirma Solid State Logic (SSL) gelten als transparent und offen, ein akustisches Gegenstück zu den Geräten des anderen britischen Traditionsherstellers Neve. Die Frage „SSL oder Neve?“ bedeutet frei übersetzt denn auch so etwas wie: Präzise und nüchtern oder breit und feurig? Moderne Käufer von Preamps wollen allerdings am liebsten beides, kombiniert mit allerlei Möglichkeiten zur Einbindung in die (digitale) Recording-Umgebung. Mit dem SSL Puredrive Quad möchte SSL all das liefern. Vier Preamps mit allerlei Sound-Schaltungen, Insert-Möglichkeiten für externe Outboard-Effekte und sogar Audiointerface-Fähigkeiten sollen möglichst viele Interessenten begeistern. Ob das Konzept aufgeht, lest ihr auf den folgenden Zeilen. 

Vierfach-Preamp

Quick Facts zum SSL Puredrive Quad

  • vier Preamps mit 65 dB Gain, gerasterte Potis
  • drei Sound-Modi pro Kanal (Clean, Classic Drive, Asymmetric Drive)
  • 32-Bit-fähig
  • Audiointerface mit USB-C-Anschluss

SSL Puredrive Quad: nüchternes Design, robuste Bauweise aus Metall 

Was mir beim Auspacken des SSL Puredrive Quad sofort positiv auffällt, ist die stabile Bauweise. Das in China gebaute 19“- Gerät mit zwei Höheneinheiten ist tief und schwer, die Designsprache passt zu den anderen SSL-Modellen dieses Formats, zum Beispiel dem SSL Fusion oder dem SSL Bus+. Die Front erstrahlt in nüchternem, gebürstetem Anthrazit, die grauen Potikappen mit farblich abgesetzten Blenden sagen deutlich: SSL. Wie bei einem Vierfach-Preamp üblich, teilt sich die Front in vier identische Abschnitte, auf der rechten Seite finden sich zusätzlich der Standbuy-Schalter, ein Taster für die Wandlungsrate sowie den Clock-Zustand. 

65 dB Gain und +/-15 dB Trim

Dass es mit den Preamps mehr auf sich hat, als die neutrale Hochverstärkung von Signalen, zeigt schon die Anzahl der drei Regler und vier Schalter pro Kanal. Beginnen wir mit dem fein gerasterten Gain-Regler, mit welchem das Mikrofonsignal auf bis 65 dB verstärkt werden kann. Drückt man ihn, wird der Insert-Kanal geöffnet, dazu später unter mehr. Daneben liegt der „Trim“-Regler, ausgelegt als ebenfalls gerasterter Drehregler. Hier kann das Signal von -15 dB bis 15 dB angepasst werden, ein absichtliches „heißfahren“ der Eingangsstufe ist also möglich, ohne nachfolgende Geräte zu übersteuern. Das Trim-Poti hat ebenfalls eine Druckfunktion, welche die Umkehrung der Polarität zur Folge hat. Die wird durch eine grüne LED daneben bestätigt. 

Panel Solid State Logic PureDrive Quad
Gain, Output-Trim und variabler Low Cut, mit gerasterten Potis

HPF und Impedanz

Der dritte Regler ist ein gerastertes Hochpassfilter, von 300 Hertz abwärts lassen sich unerwünschte Mitten- und Bassfrequenzen schon beim Aufnehmen aus dem Signal nehmen. 

Zu den vier hintergrundbeleuchteten Tastern: Die beiden auf der linken Seite aktivieren die Phantomspeisung (aktiviert: rot) sowie den Line-Input (aktiviert: weiß). Dessen vier Klinkenbuchsen sitzen gebündelt auf der linken Gehäusefront. Jetzt wird es spannend, denn die beiden rechten Taster sollen das liefern, was Soundfreunde und Schaltungsnerds besonders begeistert, nämlich klangliche Variation jenseits des Gainreglers. 

Starten wir mit dem Impedanzschalter für Mikrofone, welcher insgesamt vier Eingangsimpedanzen bereithält. Im Off-Zustand sind es 1,2 Kilo Ohm, das mehrfache Drücken ändert die Impedanz auf 12 Kilo Ohm, 600 Ohm oder 400 Ohm, jeweils farblich abgesetzt. Merken muss man sich das nicht, die Schaltzustände sind darunter aufgedruckt. So lassen sich verschiedene Mikrofontypen optimal betreiben, auch absichtliches „mismatching“ ist natürlich möglich.

Solid State Logic
Schaltfunktionen

Weiterentwicklung von SSLs VHD

Besonders beliebt sind auch Drive-Schaltungen, im Falle unseres SSL Puredrive Quad sind es insgesamt drei an der Zahl: Clean, Classic Drive und Asymmetrical Drive. Laut SSL handelt es sich hier um eine Weiterentwicklung der „Variable Harmonic Drive“-Schaltungen aus dem SSL VHD Pre. Clean ist die Neutralstellung, Classic Drive soll harmonische Obertöne ungerader Ordnung hinzuaddieren, was zu einem dem „aufregenderen“ Klangbild heißer angefahrener Transistorschaltkreise führen soll. Asymmetrical Drive dürfte den 2nd Order Verzerrungen am VHD ähneln, also solchen, die bei Röhrenschaltkreisen typisch sind: Andickung der unteren Frequenzanteile bei gleichzeitig etwas verrundeten Transienten. Das stufenlose Hinzumischen der VHD-Geräte gibt es beim Puredrive nicht, trotzdem sollen die Modi dynamisch auf den Eingangspegel reagieren. 

Die Rückseite zeigt die erweiterten Fähigkeiten des Solid State Logic Puredrive Quad

Dass unser Testgerät deutlich mehr ist als ein einfacher Preamp, zeigt auch die Rückseite. Dort finden sich zunächst vier XLR-/TRS-Klinken-Kombibuchsen für Mikrofone oder um externe Audiosignale – zum Beispiel Stems – durch die „Innereien“ des Puredrive Quad zu schicken. Daneben sind vier XLR-Output-, beziehungsweise Insert Send Buchsen. Darüber sind vier symmetrische Insert Returns und vier Line Inputs beheimatet, die per D-Sub angeschlossen werden. AES/EBU Ausgänge sind natürlich auch vorhanden. Zwei Puredrive-Einheiten können per ADAT miteinander verbunden werden. Neben den Wordclock-Buchsen sitzt – leicht zu übersehen – eines der interessantesten Features der Testgeräts, nämlich die USB-C-Buchse. Der SSL Puredrive Quad benötigt im Zweifelsfall kein extra Interface, er kann direkt an einen Rechner angeschlossen werden, wo mit einer Audioauflösung von bis zu 192 kHz und 32 Bit aufgenommen werden kann. Die Wahl wird auf der Frontplatte getroffen. Angeschaltet wird das Teil auf der Rückseite. Hören wir uns jetzt mal an, wie das gute Stück am Drumset so klingt. 

Fotostrecke: 4 Bilder Rückseite des Vierfach-Preamps

Offen, druckvoll und transparent klingt der Puredrive Quad in der Neutralstellung

Beim Anschalten – also dem Betätigen des Standby-Tasters auf der Frontseite – startet der Puredrive Quad ein kleines Konzert aus Relais-Klicken, anschließend ist er einsatzbereit. Die Potikappen fühlen sich nur wenig gedämpft an, beim Drehen erzeugt jede Rasterstufe ein kleines Geräusch, das gilt auch für die Betätigung der Taster. Im Audioweg landet davon allerdings nichts. Das Finden der passenden Vorverstärkung macht insgesamt Spaß und geht zügig vonstatten.

Solid State Logic Puredrive Review
Der SSL während des Tests

Ein Vierfach-Preamp eignet sich natürlich besonders gut dafür, zumindest die Basismikrofone am Drumset aufzunehmen, als da wären: Bassdrum, Snaredrum und zwei Overheads. Als Schallquelle dient mein Oriollo Aluminium-Drumset, dazu eine Tama Peter Erskine Snaredrum. In der Bassdrum arbeitet ein Dr Alien Smith Alien8 Mikro, an der Snare ein Telefunken M80 und als Overheads kommen zwei AKG C214 in ORTF-Anordnung zum Einsatz. 

Als Vergleichs-Preamp für diesen Durchgang verwende ich einen meiner australischen Sebatron VMP4000e Röhrenvorverstärker, die ich am Schlagzeug sehr gut finde. Sie klingen plastisch, gleichzeitig aber eher neutral, können aber auch ordentlich in die Sättigung gefahren werden, was zum Vergleich später aufschlußreich sein dürfte. 

Der Soundcheck im neutralen Modus bestätigt, was man von SSL erwartet. Der Gesamtklang wirkt präsent und dreidimensional, die Transienten sind schnell. Das Ergebnis ist ein moderner, „kompletter“ Drumsound mit Biss, der aber nicht harsch klingt. Wer daran etwas kritisieren möchte, könnte dazu meinen Sebatron zu Hilfe nehmen, der speziell obenrum etwas weniger „vorne“ klingt, ohne träge zu wirken. Das ist jedoch natürlich Geschmackssache. 

Solid State Logic Puredrive Review

Die beiden Drive-Modi liefern praxistaugliche Sound-Alternativen

Jetzt hören wir uns mal an, was passiert, wenn man den Classic Drive Mode auf allen vier Kanälen aktiviert. Wie erwartet, sorgen die Harmonischen ungerader Ordnung für eine leichte Verbreiterung der Transienten, was sich besonders auf der Snaredrum auswirkt. Das ganze Signale wird etwas „feuriger“, übertrieben oder gar aufgesetzt wirkt der Effekt allerdings nicht. Aktiviert man den Asymmetrical Drive, fällt der etwas prominentere Bassbereich auf, was sich sowohl auf die Bassdrum als auch auf das Floortom auswirkt. Aber auch hier gilt: Zu viel des Guten ist es sicherlich nicht. 

Audio Samples
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Vier Mikrofone, SSL Neutral Vier Mikrofone, SSL Classic Drive Vier Mikrofone, SSL Asymmetric Drive Vier Mikrofone, Sebatron VMP4000e

Der Vergleich mit anderen Preamps: Mono „Front of Kit“ Mic 

Um den Charakter eines Preamps oder Mikrofons zu ergründen, verwende ich gerne ein einzelnes Mikro vor der Bassdrum, welches eine Linie mit der Hi-Hat, der Snare und eben der Kick bildet. „FoK“ nennen des viele, „Front of Kit“. Für unseren Test verwende ich die drei Sound-Modi des SSL, fahre auch meinen Sebatron etwas stärker an und nehme noch ein weiteres klassisches Design dazu, meinen Golden Age Premier Pre73. Ich habe die Ausgangslautstärke beim SSL übrigens nicht angepasst, allerdings die anderen beiden Preamps jeweils angeglichen. 

Shinybox-FoK
FoK-Mikrofon

Der Vergleich bestätigt die Vermutungen. So zeigt sich der SSL insgesamt angriffslustiger als der Sebatron, welcher im heißer angefahrenen Modus immer noch gutmütiger wirkt, untenrum aber typisch röhrig größer aufmacht und beginnt, „brüchiger“ zu klingen. Daran erkennt man auch, dass der Sebatron eben ein Röhrenpreamp ist und der SSL nicht. Im Vergleich mit der Neve 1073 Kopie wird deutlich, dass der GAP sowohl mehr verdichtet als auch noch präsenter klingt. Man muss jedoch bedenken, dass bei allen Preamps natürlich noch viele weitere Input-Gain/Output-Kombinationen möglich sind. Klar ist, dass der SSL eine große Bandbreite an kräftigen Sounds zwischen griffig-neutral und brachial gesättigt ermöglicht. 

Audio Samples
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Mono FoK, SSL, clean/neutral Mono FoK, SSL, Classic Drive Mono FoK, SSL, Asymmetrical Drive Mono FoK, Sebatron, neutral Mono FoK, Sebatron, heißer angefahren Mono FoK, GA Premier Pre73, neutral Mono FoK, GA Premier, heißer angefahren

Die Wirkung des Impedanzschalters am SSL 

Zu guter Letzt schließe ich ein einzelnes Shinybox MX C Bändchenmikrofon an den Puredrive Quad an, um die Wirkung der unterschiedlichen Impedanzen zu beurteilen. Ich verzichte außerdem auf mein RME-Interface und verwende stattdessen die Audiointerface-Möglichkeit des SSL. Das Gerät wird an meinem Macbook Pro M1 problemlos erkannt. Kommen wir nun zum Sound der vier Eingangsimpedanzen. Zur besseren Beurteilung habe ich die Lautstärken nicht angepasst. Mit 260 Ohm Ausgangsimpedanz fühlt sich das Bändchen schon in der neutralen 1,2 Ohm-Einstellung sehr wohl. Das ist kein Wunder, wird doch eine vier bis fünfmal höhere Lastimpedanz empfohlen. In der orangenen (600 Ohm) und roten (400 Ohm) hingegen fällt der Pegel ab, das Signal klingt zudem etwas gepresst und weniger offen als in der neutralen Version. Am besten gefällt mir jedoch die „grüne“ 12kOhm-Variante. Offensichtlich ist der Pegelzuwachs, aber auch klanglich geht es detaillierter zu, besonders bei der Hi-Hat und der Snare. 

beleuchtete tasten am SSL Vorverstärker
Grün gefiel am besten
Audio Samples
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Mono Bändchen, neutral, 1,2 Kilo Ohm Mono Bändchen, orange, 600 Ohm Mono Bändchen, grün, 12 Kilo Ohm Mono Bändchen, rot, 400 Ohm

Alternativen zum SSL Puredrive Quad

Wer eine Alternative zum nagelneuen Testobjekt sucht, der könnte nicht nur beim größeren Bruder Solid State Logic Puredrive Octo mit acht Preamps landen, sondern auch bei einer Art modernem Klassiker unter den 4-fach Preamps. Der Universal Audio 4-710d Twin-Finity bietet ebenfalls vier Preamps, verfügt auch über variable Klangschaltungen (teils allerdings auf echten Röhren basierend) und eine eingebaute Wandlung. Die kann jedoch keine 32 Bit und ein zusätzliches Audiointerface ist ebenfalls vonnöten. Dafür gibt es schaltbare, sehr rudimentäre Kompressoren. Mit knappen 2000 Euro ist das Gerät allerdings deutlich teurer. 

Test des Solid State Logic Puredrive Quad: Fazit

Mit dem Puredrive Quad stellt SSL einen modernen Vierfach-Preamp mit großem Funktionsumfang vor, der sich im Test als sehr vielseitiges Werkzeug präsentiert. Die digital gesteuerten, analogen Schaltungen ermöglichen die Anpassung des Geräts an viele Sound-Geschmäcker, der vierstufige Impedanzwahlschalter kann Output-schwachen, dynamischen Mikrofonen klanglich auf die Sprünge helfen. Klanglich geht es SSL-typisch grundsätzlich offen und transparent zu, per Knopfdruck läßt sich aber auch moderates Neve- oder Röhrenfeeling einstellen. Dass das Gerät die Signale mit bis zu 32 Bit Wortbreite wandeln und zudem als Interface fungieren kann, könnte für viele Anwender ein weiteres Plus darstellen. Die gerasterten Potis dürfen sich etwas gedämpfter und hochwertiger anfühlen, an der robusten Verarbeitung läßt sich allerdings insgesamt nichts aussetzen. Fazit: kein Gerät für Puristen, dafür ein absolutes Multitalent mit intuitiver Bedienung und hochwertigem Sound. 

Solid State Logic Pure Drive Quad Preamp
  • Besonderheiten: Drei Drive-Modi (Clean/Classic Drive( Asymmetrical Drive)
  • vier Eingangsimpedanzen wählbar
  • USB-C Anschluss für Interface Funktionen
  • integrierter Wandler mit bis zu 32 Bit Wortbreite/ 192 kHz 
  • gerasterte Potis
  • Lieferumfang: Anleitung, Netzkabel
  • hergestellt in: CHina
  • Preis: € 1199,– (Straßenpreis am 24.11.2023) 
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • druckvoller, transparenter SSL-Sound
  • vielfältige klangliche Anpassungsmöglichkeiten
  • integrierter Wandler mit bis zu 32 Bit Wortbreite und Interface-Funktion
  • sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • Potis könnten sich etwas hochwertiger anfühlen
Artikelbild
SSL Puredrive Quad Preamp Test 
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