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Peavey Windsor Head Test

Obwohl Hartley Peavey seine Company schon 1965 gründete und seitdem Gitarrenverstärker baut, wurden  Peavey-Amps bis in die 90er eher selten auf deutschen Bühnen gesichtet. In Amerika war das anders! Besonders in der Countryszene erfreuten sich die Röhrencombos der Amp-Schmiede aus den amerikanischen Südstaaten schon in den 70ern sehr großer Beliebtheit.

Spätestens seit der  Zusammenarbeit mit Shreddern wie Eddie Van Halen und Joe Satriani und der Veröffentlichung legendärer Amps wie dem 5150 und dem JSX zählt aber auch die Rockszene zu den Stammkunden. Neben den mehrkanaligen Signature-Tops besagter Gitarrenakrobaten hat Peavey aber auch eine ganze Armada sehr interessanter Ein- und Zweikanal-Röhrentops zu absolut entspannten Kursen im Angebot. Wir haben uns den Windsor besorgt, ein Vollröhren-Topteil mit einem Kanal und gecheckt, wie vornehm und britisch das Gerät zu klingen vermag.

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GEHÄUSE/OPTIK
Geht Euch das auch so? Man sieht einen Verstärker und zieht aus der Optik sofort Rückschlüsse auf den Klang. Dieser Verstärker macht im Schwarz-Weiß-Gold-Design einen vintagemäßigen Eindruck, und da es sich auch noch um einen Einkanaler handelt, schießt mir sofort die Assoziation Marshall Plexi in den Kopf. Dass der Schein trügt, werden wir später im Praxisteil noch genauer besprechen.

Jetzt kümmern wir uns zunächst einmal um die technischen Details. Der Verstärker leistet 100W in kompromissloser Röhrenschaltung mit vier selektierten EL34 in der End- und drei 12AX7 in der Vorstufe.   Das Multiplexgehäuse ist mit schwarzem Kunstleder überzogen, lediglich auf der Frontseite wurde in der unteren Hälfte weißes benutzt. An den Ecken gibt es schwarze Metallbeschläge, die den Amp vor den oft leider unvermeidlichen Kollisionen „on the road“ schützen. Stellt man ihn ab, steht er sehr stabil und rutschfest auf seinen Gummifüßen, wird er getragen, funktioniert auch das recht komfortabel mit dem Kunststoffgriff an der Oberseite. Angenehm ist dabei, dass der Griff ein entsprechendes Profil hat und somit beim längeren Tragen nicht in die Finger einschneidet. Der Amp hängt sehr gut ausbalanciert an der Hand und das Gewicht von 20 kg ist auch noch akzeptabel.

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BEDIENFELD
Der Verstärker ist schlicht konzipiert: ein Kanal mit Master-Volume. Auch wenn er optisch im Vintage-Style daherkommt, kann er in der Mastersektion mit ein paar modernen Features aufwarten. Der Aufbau des Bedienfeldes gestaltet sich sehr übersichtlich: Links finden wir die vier Regler für die Vorstufe und auf der rechten Seite die vier Regelmöglichkeiten der Mastersektion. Getrennt werden die Regler in der Mitte durch die beiden Buchsen des Effektweges Send und Return. Die Verzerrung der Vorstufe wird mit dem Preamp Volume-Regler eingestellt, der Klang mit Bass, Middle und Treble individualisiert. Die Skalierung der gesamten Regler hat übrigens ein augenzwinkerndes Schmankerl parat, hier geht es bis 12!! Nigel Tufnel von Spinal Tap hätte seine wahre Freude daran, denn der Amp ist dadurch ja „two louder“ ;-))

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Das war ja bisher noch alles standardgemäß, wie wir es von anderen (Vintage-) Amps auch kennen. Wie eben schon erwähnt, kommen in der Mastersektion aber ein paar neuere Funktionen zum Einsatz.  Da wäre zum einen der Resonance-Regler, mit dem das Bassfundament eingestellt werden kann. Dreht man den Regler weit auf, bekommt der Amp noch eine Portion fetten Druck von ganz unten . Auf der anderen Seite kann man den Tiefbassbereich etwas absenken, wenn man in problematischen Räumen spielt, die genau diese Frequenzen extrem zum Wummern bringen. Den Gegenpart übernimmt der Presence-Regler. Er regelt den oberen Höhenbereich. Neben dem üblichen Master-Volume für die Gesamtlautstärke finden wir in der Sektion noch einen Regler mit der Bezeichnung Texture. Nie gehört? Dabei handelt es sich um eine patentierte Schaltung von Peavey, mit der man per Regler stufenlos zwischen Class A und Class A/B wechseln kann. Bei vielen Amps gibt es dafür einen Schalter, hier kann man durch den stufenlosen Betrieb bestimmte Mischverhältnisse erzielen und nach Gusto die Endstufenzerrung mal mehr und mal weniger in Anspruch nehmen. Die Kontroll-LED und die Schalter für Power und Standby lauern auf der rechten Seite und ganz links warten die zwei Eingangsbuchsen High- und Low-Gain auf Zuwendung. Eine Besonderheit gibt es auch hier: Beide Inputs können gleichzeitig, also mit zwei Gitarren genutzt werden. Allerdings ist dann der Pegel gleich, nämlich dem Low-Input entsprechend. Zum Umschalten auf Solo-Lautstärke gibt es den Boost-Schalter, mit dem der Pegel und die Mitten angehoben werden können.

RÜCKSEITE
Auch die  Rückseite macht einen aufgeräumten Eindruck. Hier finden wir zwei Lautsprecherbuchsen und einen Schiebeschalter zum Einstellen der Impedanz, mit dem zwischen 4, 8 und 16 Ohm gewählt werden kann. Auf der rechten Seite ist die Klinkenbuchse für den separat erhältlichen Fußschalter montiert, mit dem die Boost-Funktion und der Effektweg per pedes ein- und ausgeschaltet werden können. Und last, but not least parkt auf der linken Seite noch der Anschluss für das Netzkabel.

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PRAXIS
Im Lieferumfang befindet sich außer dem Netzkabel auch ein dünnes Manual, dessen Sicherheitshinweise in vier Sprachen gehalten sind. Die eigentliche Bedienungsanleitung gibt’s leider nur in Englisch. Was aber prinzipiell kein Problem ist, denn beim Windsor gibt es nicht viel zu erklären. Außerdem erforscht der gemeine Gitarrist seinen Amp ja in der Regel ohnehin zunächst einmal selbst, bevor er in einem Handbuch blättert. Bevor zur Tat geschritten wird, gibt es noch einen Hinweis von meiner Seite: Die im Text angegeben Zahlen zur Reglereinstellung beziehen sich nicht auf die Uhrzeit-Definition, sondern auf die angegebene Skala am Amp.

0 = Minimal – Regler auf Linksanschlag
6= Mitte –  Regler auf 12 Uhr Position
12= Maximal – Regler auf Rechtsanschlag

Immer schön der Reihe nach wird der Amp von Clean bis zur vollen Verzerrung durchgecheckt. Dabei fällt auf, dass der Windsor sehr früh zu Zerren beginnt. Bei einer Preamp-Volume-Einstellung von 2 und einer Singlecoil-Gitarre am Low-Gain-Eingang bekommen wir gerade noch einen Cleansound hin. Allerdings hat der schon einen leicht dreckigen Charakter.

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Lo-Gain

Der Low Gain-Input ist um 10dB leiser als der vom Hersteller empfohlene High-Gain-Input. Man sollte Gitarren mit extrem hohem Ausgangspegel an den Low Gain anschließen, damit die Vorstufe nicht komplett überfahren wird. Aber selbst mit einer Singlecoil-Gitarre mit wenig Ausgangspegel ist der Amp an diesem Eingang nicht zu einem richtig cleanen Sound zu überreden. So kann mit einer Strat zum Beispiel dreckiger Funk mit angezerrtem Ton gespielt werden.

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Dirt Funk

Wenn man hier, wie Anfangs erwähnt, von der Optik auf den Klang schließen würde, läge man voll daneben. Ab Preamp-Volume 3 ist der Verstärker schon ordentlich verzerrt, vor allem wenn eine Les Paul im Hi-Input angeschlossen ist. Jetzt wird die Auswirkung des Texture-Reglers, der stufenlos zwischen Class A und  Class A/B wechselt, überprüft. Die komplette Power erhält man in der voll aufgedrehten Stellung (Class A/B), wird der Regler zurückgenommen, so wird laut Hersteller eine Hälfte der selektierten Endstufenröhren leicht aus der Schaltung herausgenommen. Als Folge daraus kommt die Endstufe mehr ins Schwitzen und beginnt früher zu zerren. Ihr hört jetzt drei Einstellungen des Texture-Reglers im Vergleich. Zuerst  Class A, (links) dann Mitte 12 Uhr, dann ganz rechts Class A/B. 

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Texture

Mein Favorit ist hierbei die Class A/B Einstellung. Im Class A Bereich klingt der Amp mir persönlich zu kratzig und auch das Ausklingverhalten ist nicht sonderlich harmonisch.

Als nächstes ist die Klangregelung an der Reihe. Preamp-Volume steht auf 7, Bass und Treble auf 6 und der Mitten-Regler wird zuerst auf 0, dann auf 6 und abschließend auf 12 gedreht. So klingt das Ganze:

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Middle

Sehr guter Regelbereich! Die Mittenfrequenz liegt bei etwa 650 Hz. Hier ist von metallischem Sägen bis britischen Dampfmitten alles möglich. Die komplette Rockbandbreite kann bedient werden.

Als nächstes folgt der Bassregler, Mitten und Treble stehen auf 6, die Bässe zuerst auf 0, dann 6 und danach 12.

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Bass

Auch hier gibt es einen großen Wirkungsbereich. Sattes Bassfundament ist gewährleistet, vor allem hat man mit dem Resonance-Regler eine weitere Kontrollinstanz für den tieferen Bassbereich zur Hand. Fehlt uns noch Treble.

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Treble

Dieser Regler hat einen breitbandigen Wirkungsbereich und bearbeitet die Höhen bei 2-4kHz. Voll aufgedreht kann der Verstärker extrem spitz klingen.

Kommen wir jetzt zur starken Seite des Verstärkers. Bei Pre-Amp-Volume unter 6 klingt er für meine Ohren nicht so überzeugend, aber ab 7 kommt der Gute richtig in Fahrt. Besonders, wenn man die Mitten herausdreht und Presence in der Master-Sektion weit aufzieht (12). In diesem Setting liefert der Windsor eine körnige Metalzerre. Volles Brett mit Drop D Tuning und Powerchord Riffs. Der Verstärker spricht auch gut auf Artificial Harmonics an, man kann den Ton ordentlich quietschen lassen.

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Metal-Riff

Mehr Zerre und ab in den tonalen Keller! Die Baritongitarre wird ausgepackt. Mal sehen was der Windsor dazu zu sagen hat. Pre-Volume auf 9 und los geht´s.  Die tiefen Frequenzen verträgt der Windsor richtig gut, der Ton ist trotz hohem Gain immer noch differenziert und nicht matschig.

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Baritone

Man muss aber nicht nur Metal mit dem Amp spielen. Auch für Alternative Rock Styles mit höheren Verzerrungsgraden ist der Windsor bestens geeignet. Wenn in der Master-Sektion Resonance und Presence voll aufgedreht sind, dann muss man die Klangregelung gar nicht so weit aufziehen, um einen warmen Distortionsound zu bekommen Hier die Einstellungen: Preamp Volume 8, Bass 6, Middle 4, Treble 3. Das Ganze wurde mit einer ES-335 eingespielt. Die Transparenz ist in Ordnung, die einzelnen Töne sind – trotz High-Gain-  ausreichend gut zu erkennen. 

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Alternative

Auch der serielle Effektweg funktioniert mit Pedalen und Multis tadellos, es gibt keine Probleme mit Pegel oder Soundverlust. Hier ein Beispiel mit einem Lead-Sound bei Preamp Gain auf 10 Uhr. 

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Lead-Delay

Zum Abschluss hört ihr noch ein Beispiel mit maximaler Gain-Einstellung in Verbindung mit einer Les Paul am High-Gain-Input. 

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Max Gain
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FAZIT
Der Amp klingt definitiv nicht so, wie er aussieht! Wer eine einkanalige Vintage-Style Plexi-Kopie mit hoher Dynamik und mittlerer Zerre erwartet, der liegt ziemlich daneben. Hier steckt der Wolf im Schafspelz. Clean-Sounds sind fast nicht machbar, aber dafür gibt es das komplette Zerr-Programm mit einer für dieses Einsatzgebiet gut arbeitenden Klangregelung. Dabei muss man allerdings ein paar Abstriche in punkto Transparenz, Dynamik und Flexibilität in Kauf nehmen – in Stilistiken wie Rock, Metal oder Alternative erledigt er seinen Job aber wirklich gut. In Sachen Design und Verarbeitung gibt es keine Beanstandungen. Druck macht er auch genügend, sodass man sich mühelos innerhalb des Bandgefüges durchsetzen kann. Wer auf Cleansounds keinen Wert legt und eine tüchtige 100 Watt Zerrmaschine braucht, der bekommt mit dem Peavey Windsor für wirklich kleines Geld seinen Spaß. Das Preis/Leistungsverhältnis ist gut.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Preis
  • Endstufen-Klangregelung mit Presence und Resonance
  • Gut arbeitende Klangregelung
  • Verarbeitung
Contra
  • Kein „richtiger“ Clean Sound
  • eingeschränkte dynamische Ansprache
Artikelbild
Peavey Windsor Head Test
Für 222,00€ bei
Technische Daten Peavey Windsor Head
  • Hersteller: Peavey
  • Modell: Windsor
  • Typ: Röhrenverstärker Topteil
  • Ausgangsleistung: 100 W
  • Röhrenbestückung: 4x EL34 (Endstufe), 3x 12AX7 (Vorstufe)
  • Bedienfeld Anschlüsse: High Gain Input, Low Gain Input, Send, Return
  • Bedienfeld Regler: Preamp Volume, Bass, Middle, Treble, Master Volume, Resonance, Presence, Texture
  • Bedienfeld Schalter: Boost, Power, Standby
  • Rückseite: 2x Lautsprecher-Buchse, Fußschalter Anschluss
  • Abmessungen: 740 x 295 x 279 mm (B x H x T)
  • Gewicht: 20 kg
  • Lieferumfang: Netzkabel, Bedienungsanleitung (Englisch)
  • Preis: 549,- Euro UVP
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