Neve Portico 5042 Test

Zwar geraten Bandmaschinen und der Begriff der analogen Bandsättigung bei der breiten Masse mehr und mehr in Vergessenheit. Doch gerade Sound-Gourmets wissen die bereitgestellten klanglichen und dynamischen Eigenschaften nach wie vor zu schätzen. So werden Bandmaschinen heutzutage beispielsweise weiterhin für das Basis-Recording und Mastering eingesetzt, da das klangliche Verhalten der Bandsorte und die jeweilige Laufgeschwindigkeit durchaus einen positiven Effekt auf das Audiomaterial haben können. Es soll sogar Toningenieure geben, die ihre Tonbandsorte (Ampex, 3M, BASF) am Klangverhalten und dem Bandgrundrauschen erkennen. Dieses Klangverhalten wird im Allgemeinen als Bandsättigung bezeichnet.

Der Neve 5042 soll das Verhalten eben dieser Bandsättigung simulieren und ist als ein zweikanaliges Gerät auch für den Stereobetrieb ausgelegt. Eine analoge Färbung zu geben, verspricht uns das Gerät, basierend auf dem Klangverhalten analoger Bandaufzeichnungstechnik, in Abhängigkeit der Parameter „Tape Input“ – Aufzeichnungspegel, Bandgeschwindigkeit und Bandsättigung/Kompression. Einsatzgebiet sind alle Signale (Mono oder Stereo), bei denen der Toningenieur davon ausgeht, dass es ihnen an „analoger Färbung“ fehlt. Zum anderen steht die Funktion „Line Driver“ zur Verfügung, um einen Pegelgewinn von bis zu 12 dB zu erzielen. High-End ist die richtige Kategorie, in der dieses Gerät seine Verwendung finden soll. Denn nur mit „sauberen“ Signalen ist eine Veränderung hörbar. Der Neve 5042 ist weder für den Live-Einsatz noch für den Proberaum oder das Homerecording-Studio konzipiert.

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Details

Schick sieht er aus – macht einen edlen soliden Eindruck, ein High-End-Gerät im 9,5Zoll-Format, das in der gleichen Liga wie SSL, API oder Summit Audio spielen möchte. Ein externes 12 Volt Netzteil versorgt den 5042 mit Strom. Der ON/OFF-Schalter ist leider auf der Rückseite angebracht, was für den Rackeinbau im Studio von großem Nachteil ist, da nicht in jedem Studio die Racks (die Geräte) mit einem Hauptschalter ein- bzw. ausgeschaltet werden.
Die Audio-Anbindung wird auf der Rückseite über zwei symmetrische XLR Ein- und Ausgangsbuchsen realisiert. Zusätzlich gibt es das „Portico“ Buss-System der 50xx-Reihe. Die Portico-Serie verfügt über unsymmetrische 6,3mm Klinken-Ein- und Ausgänge, um mehrere Geräte der Baureihe miteinander fest zu verkabeln. Der Sinn: Nutzbarkeit im Buss (Reihenschaltung) und in der Einzelanwendung.
Die hochwertigen trafosymmetrierten Ein- und Ausgänge erlauben eine exzellente Signalverarbeitung. Viel ist nicht dran an der Bedienoberfläche des 5042 von Neve, pro Kanal zwei Potentiometer und vier Knöpfe. Für jeden Kanal stehen ein Trim-Level und ein Saturisation-Level sowie Bypass, Bandgeschwindigkeit und Buss-Zuweisung zur Verfügung. Der letzte Knopf schaltet zwischen Input- und Tape-Level um, die in der danebenliegenden LED-Pegelanzeige dargestellt werden. Leuchtdioden in den Knöpfen zeigen die ausgewählten Funktionen an.

Einpegeln ist auch bei diesem Gerät mit der wichtigste Faktor, um überhaupt ein hörbares bzw. brauchbares Ergebnis zu erzielen. Hierbei ist darauf zu achten, dass über das Trim-Level immer ein sichtbarer Pegel auf der Anzeige erscheint, da die LED-Kette erst ab 0 dB Input-Linelevel darstellt. Dies ist wichtig, um den vollen Umfang der Bandsättigungs-Emulation nutzen zu können.

Die nächste Komponente der Audiobearbeitung ist das Saturation-Poti. Man könnte es mit dem Record-Levelregler an einer Bandmaschine vergleichen. Dieser Schaltkreis (Tape circuit) emuliert sowohl die Aufnahme wie auch die Wiedergabe von Bandmaterial. Hää…? Was…? Wie…?

Drei Faktoren haben grundsätzlich Einfluss auf das Signal bei Bandaufzeichnung.

  1. Signalverdichtung (Kompressionsverhalten)
  2. Erzeugung harmonischer Obertöne dritter Ordnung (Obertöne im Low-/Mid-Bereich)
  3. Enhance-Verhalten (Obertonanreicherung im hohen Frequenzbereich in Abhängigkeit von der Bandgeschwindigkeit)

All diese Funktionen vereinigt der „Tape circuit“-Schaltkreis, der durch das Saturation-Poti gleichermaßen gesteuert wird. Eine Einzeleinstellung der oben genannten Punkte ist beim Neve 5042 nicht möglich.

Bandgeschwindigkeitsumschaltung könnte man den nächsten Knopf nennen. Er ermöglicht einem die Wahl zwischen High Speed (15 IPS) und Low Speed (7,5 IPS). „IPS“ bedeutet „Inch Per Second“  (2,54 cm/sec). Mit diesem Schalter, für dessen Namen auf der Frontseite kein Platz mehr war, kann die Emulationscharakteristik gewechselt werden, die der analogen Bandgeschwindigkeit entsprechen soll.

Praxis

Nachdem wir das Gerät verkabelt und eingebaut hatten, stellten wir nach dem Einschalten ein Brummen auf dem rechten Kanal fest. Nagelneu, was ist hier los…? Die Verkabelung war ok! – Holzohr sei wachsam…  Also haben wir das Gerät wieder ausgebaut und stellten fest, das Brummen war weg.  Ergo, das Brummen wurde durch das Netzteil des darunter eingebauten Gerätes verursacht, was uns zu dem Schluss kommen lies, dass die interne Abschirmung des 5042 für den Rackeinbau nicht ausreicht. Auffällig war auch das laute elektronische Knacken der einzelnen Schalter im Audio-Betrieb.

Bei nahezu keiner Anwendung im Test hielt der Neve 5042 das, was der Herstellername normalerweise verspricht (nämlich hohe Qualität und Funktion). Angefangen bei dem externen Netzteil, der nicht vorhandenen Abschirmung im Gerät, bis hin zum lauten Schalterknacksen. Gut eingepegelte Signale brachten erst bei Extremeinstellungen hörbare Veränderungen mit sich. Das äußerte sich in „überkomprimierten/pumpenden“ Signalen, die fast keinen Bezug mehr zum Originalsignal hatten. Außerdem erhöhte sich der Rauschpegel proportional zum Saturation-Level. Kein merkbarer Unterschied fiel uns auf, als wir die „Tape Speed“-Umschaltung betätigten. Der versprochene Höhengewinn, von Low- auf High-Speed, blieb uns leider verborgen. Eine laute Überraschung erlebten wir, als wir bei extrem eingestelltem Trim-Level den Bypass-Schalter betätigten. Kein „True Bypass“ – d. h. trotz Bypass-Schaltung ist das Trim/Input-Levelpoti aktiv.

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Bei geringen Parametereinstellungen war die erwartete analoge Färbung nicht wahrnehmbar. Aus diesem Grund haben wir das Gerät noch in einem anderen Studio getestet, um zu überprüfen, ob es an unseren Ohren oder der Technik lag.

– Nein, das war nicht der Grund! –

Besonders schwierig war die Identifizierung der eigentlichen Wirkungsweise des Neve 5042, denn die Auswirkungen auf das Audiomaterial waren kaum zu definieren. Sollten sich die Ergebnisse nur auf erhöhtes Rauschen und schwammige Wiedergabe von tiefen Frequenzen beziehen? Die Bearbeitung von Stereosignalen empfanden wir als etwas defizil, da weder auf der Front- noch auf der Rückseite ein Stereolink-Schalter zu finden war. Hieraus folgte, dass jeder Kanal separat eingestellt werden musste und nicht wie normalerweise ein Kanal mit der Stereolink-Funktion als „Master“ fungiert.
Die Funktionsweise als „Line Driver“ ist denkbar einfach – das Trimlevel-Poti
bietet einen Pegelgewinn von bis zu 12 dB, zur Kontrolle dient die LED-Pegelanzeige. Durch die erdfreien Übertrager (Trafosymmetrie) an Ein- und Ausgängen wurde uns höchste Qualität geboten. Für diese Anwendung haben wir keine Hörbeispiele gemacht, da sich der User den Unterschied zwischen laut und leise auch ohne Beispiel vorstellen kann.

Unsere Hörproben der „True Tape“-Emulation haben wir mit Extremeinstellungen durchgeführt, damit überhaupt eine klangliche Veränderung hörbar ist. Feinabstufungen in unseren Klangbeispielen haben wir vermieden, da sie zu schlecht identifizierbar waren und durch den Internetstream/Codierung sicherlich nicht wiedergegeben werden können.

Macht euch selbst ein Bild:

Audio Samples
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Original Bass-Line Bearbeitete Bass-Line Original Drumloop Bearbeitetes Drumloop

Zusammenfassend gibt es leider nicht viel Gutes über den Neve Portico 5042 zu sagen,
außer, dass er ein sehr guter Line-Driver ist. Die „True Tape“-Emulation hat uns nicht überzeugt. Die Vielfältigkeit der analogen Band-Aufzeichnung und –Wiedergabe wird nicht reproduziert. Die Philosophie des Gerätes ist gut, die Umsetzung leider nicht.
Für den Preis hätten wir auch etwas mehr Funktionalität (Parameter) erwartet.
Enttäuschend waren insbesondere das Einstreuungsverhalten zu anderen Geräten sowie das laute Schalterknacksen. Die Merkmale wie externes Netzteil und der ON/OFF-Schalter auf der Rückseite zeigten bei uns ebenfalls keine positive Resonanz.
Zu einem schlüssigen Ergebnis sind wir leider nicht gekommen, da uns nicht klar wurde, für welchen Zweck der Neve Portico 5042 prädestiniert sein soll.
Unsere „Hart aber fair“-Empfehlung deshalb: „Finger weg!“

Unser Fazit:
2 / 5
Pro
  • Gute Verarbeitung
  • Gutes Design
  • Sehr gute technische Werte
Contra
  • Schlechte Abschirmung
  • externes Netzteil
  • hoher Rauschanteil
  • Schalterknacken
  • ON/OFF auf der Rückseite
  • Schwer identifizierbare Funktionsparameter
  • True Tape Emulation ungenügend
Artikelbild
Neve Portico 5042 Test
Für 1.799,00€ bei
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Technische Daten
  • Line-Amp und Tape-Emulator
  • Rausch-Pegel:
  • Frequenz-Gang: 10 Hz (–0.50 dB) bis 160 kHz (–3 dB)
  • Max. Ausgangs-Pegel: +25 dBu
  • THD:
  • Übersprechen:
  • Preis: 1.599 EUR
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