Erst vor einem Jahr übernahm Neumann das Schweizer Unternehmen Merging Technologies und schon steht das erste gemeinsame Produkt im Laden. Ganz neu ist es zwar nicht, denn es handelt sich im Prinzip „nur“ um den umgetopften Merging Technologies Anubis – mit neuem Namen Neumann MT 48, erweiterter Konnektivität und edlem champagnerfarbenem Gewand.
So einfach ist die Geschichte dann aber doch nicht. In der Tat lief es folgendermaßen: Neumann strebte ein Interface an und hatte sich dahingehend schon vor Jahren auf dem Markt umgesehen – was dann ursprünglich als Kooperation begann, mündete im Laufe der zweijährigen Entwicklungsphase in einer Fusion mit dem Mutterkonzern, der Sennheiser Group.
M&A mit der Sennheiser Group
Kein unbekannter Vorgang – holte sich Sennheiser 2005 bereits Klein und Hummel und in den 90ern dann Neumann. Die Consumer-Sparte, mit Soundbars, Kopfhörern usw. hat Sennheiser bereits letztes Jahr an den Schweizer Hörgerätehersteller Sonova in Lizenz verkauft. Die Marschrichtung lautet damit klar: Pro Audio, jetzt erst recht!
Mit „Powered by Merging Technologies“ schließt das Neumann MT 48 Interface die Lücke zwischen Neumann Mics und Neumann Speakern. Schön auch: das MT im Produktnamen setzt seiner ursprünglichen Herkunft ein Zeichen – so wie das Kürzel KH an den Neumann-Speakern, das an Klein und Hummel erinnert.
Fun Fact: Als Neumann „unbekannt“ war und noch von Telefunken vertrieben wurde, waren die Mikros für den Export aus ähnlichen Gründen nicht mit einem Neumann-, sondern mit einem Telefunken-Logo versehen.
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Neumann bald Systemhaus?
Der Zukauf beinhaltet aber nicht nur ein USB-Audiointerface, sondern bringt gleich sämtliche Lösungen von Merging Technolgies mit. Darunter auch das Mastering-System Pyramix für Klassikaufnahmen und Bearbeitung. Die Entwicklung bleibt weiterhin in der Schweiz und die Produkte werden unter der Marke Merging Technologies weitergeführt.
Der betriebswirtschaftliche Teil geht auch zu Neumann, die mit ihren AES67 Speakern bereits in den Startlöchern stehen. Mit Merging hat sich Neumann/Sennheiser jedenfalls absolute Expertise ins AoIP-Boot geholt: Aus Rundfunk und noch mehr aus Klassikaufnahmen ist Ravenna als AoIP-Protokoll nicht mehr wegzudenken – sozusagen die Open-Source-Variante zu Dante. Beide Formate sind übrigens vollständig AES67-kompatibel.
Checkliste zum Kauf von Neumann MT 48
- USB-C Interface mit ADAT & AES67
- State-of-the-Art AD/DA Wandlung mit zwei hochwertig-neutrale Preamps
- hervorragende Verarbeitungsqualität zwei hochwertige HP-Amps mit Crossfeed
- umfangreiches Monitoring: vier Mixer mit EQs, Dynamics & Send-Reverb
DETAILS
USB: 32 Ins und 16 Outs
Beim Neumann MT 48 handelt es sich um ein USB-Audiointerface mit 32 Ins und 16 Outs. Es unterstützt Auflösungen bis 192 kHz 32 Bit und bringt zwei äußerst hochwertige Preamps mit. DSD/DXD gibt es hier nicht, das bleibt dem Anubis SPS Premium vorbehalten, der wiederum keinen USB-Anschluss hat.
Das MT 48 bietet vier analoge Stereo-Ausgänge sowie vier analoge Mono-Eingänge mit reichlich Vorverstärkungsoptionen. Hinzu kommt ein TOSLink I/O für ADAT oder SPDIF, der RJ45-Ethernet-Anschluss für AoIP mit Ravenna/AES67. Aktuell ist dieser nur zur Erweiterung gedacht, direkte Verbindungen mit dem Computer sind (noch) nicht ohne weiteres möglich.
Power-House
Strom gibt es entweder per PoE oder über den zweiten USB-C Anschluss in Verbindung mit dem mitgelieferten USB-C 12-Volt-Netzteil – oder auch über jedes andere, halbwegs aktuelle Apple-Laptop-Ladegerät.
Netzteilloser Betrieb über USB-Bus-Powering wird nicht unterstützt, auch nicht, wenn man beide Ports mit dem Computer verbindet. Der Power-Schalter ist außerdem ein wenig versteckt, dennoch nicht 100% gegen versehentliches Ausschalten gesichert.
MT 48: acht analoge Outs
Die analogen Ausgänge teilen sich am Neumann MT48 wie folgt auf: einmal Stereo-Out auf XLR, einmal Stereo-Out auf TRS und zwei vollständig unabhängige Kopfhörerausgänge mit erstklassigen Amps und Crossfeed. Jeder I/O ist mit eigenen Wandlern ausgestattet und muss sich nichts teilen.
MT48 Analog: viermal mit 66 und 78 dB Gain
Zweimal Line/Instrument als große Klinke auf der Stirnseite und zweimal Mic/Line als XLR/TRS-Combos mit Verriegelung auf der Rückseite. Das sieht nach zwei Preamps aus, oder?
Tatsächlich handelt sich aber um vier unabhänige Eingangskanäle mit eigenen Wandlern und Preamps. Sogar die frontseitigen Inputs verfügen über Preamps mit bis zu 66 dB Gain, Low Cut (40/60/80 Hz), Cut (Stummschaltung ) und Phasendrehung.
Die „richtigen“ Mic-Preamps in Input 1/2 bringen zusätzlich Phantompower, ein zweistufiges Pad (0, -12, -24 dB) und stattliche +78 dB Gain mit, können aber auch Line mit bis zu 66 dB Gain verdauen. Ein weiterer Unterschied ist die Impedanz, die in den Combos 10 kΩ und in den Front-Ins 1 MΩ unsymmetrisch bzw. 2 MΩ symmetrisch beträgt. Dennoch: Vorne kann man so auch mal ‘n SM7B reinstecken!
Bemerkenswert ist außerdem der Aufbau mit zwei A/D-Wandlern pro Kanal, die unterschiedliche Gain-Bereiche übernehmen. Ferner wurde die Boost-Option aus dem Anubis hier anders umgesetzt, sodass diese nun grundsätzlich aktiv ist und über das -12dB-Pad abgeschaltet werden kann. Erst mit dem -24-dB-Setting kommt dann das „richtige Pad“ hinzu. Damit erreicht das MT 48 ein besseres Rauschverhalten in der Praxis.
Zahlenfetisch
Die „großen Mic-Pres“ des MT48 haben somit einem Dynamikumfang von 136 dB(A). Das Eigenrauschen ist mit -128 dBu(A) EIN bewertet, der THD+N für Preamp und AD-Wandlung beträgt unter -110 dB (0,0003%).
Der Line-In liegt mit 138,5 dB(A) Dynamik darüber, sein THD+N mit unter -105 dB (0,0006%) indes minimal darunter. So oder so: Das alles sind Traumwerte – kein Wunder, dass Merging-Preamps bei puristischen Klassikaufnahmen dermaßen geschätzt werden!
Vier fette DSP-Mixer
Zusätzlich gibt es On-Board-Effekte mit 4-Band EQ, Compressor/Gate/Limiter und einem Reverb-Send – faktisch latenzfrei. Die Lautstärkeregelung erfolgt unter Zuhilfenahme vier interner Monitor-Mixer. Einen Direct-Mode zur Umgehung dieser gibt es ebenfalls, bearbeitetes sowie unbearbeitetes Signal kann man außerdem gleichzeitig aufnehmen.
Gruppen, Stereo-Link, Colors, Strips ein- und ausblenden – alles erlaubt. Sämtliche Einstellungen sind am Gerät mit dem hochauflösenden Touch-Screen gut zu bewerkstelligen, wobei es übersichtlich bleibt. Ein kleiner Sprung vom Anubis, welchen ich an einigen Ecken schon auch etwas umständlich empfand.
Das bedeutet hier teilweise auch „weniger Freiheiten“ – von Einschränkungen kann man aber dennoch nicht sprechen: Je ein Mixer pro analogem Stereo-Out reicht, um vier Künstler getrennt, aber trotzdem gleichzeitig aufzunehmen – dabei helfen vier unabhängige Monitor-Mixe und vier individuelle Inputs.
Man könnte eine kleine Band sogar vollständig am Gerät mischen, wenn man es darauf ankommen lässt. Die Mixer sind gut bedienbar und mit dem großen Encoder bei Bedarf sehr präzise regelbar, beispielsweise Gain und Mix-Volume.
„Avocet“ zu mitnehmen
Außerdem gibt es große Gummitaster zur direkten Auswahl von Mix 1 bis 4 bzw. zur Anwahl der Stereo-Outs 1 bis 4, die man dann komfortabel mit dem großen Encoder im Pegel regelt. Ein Menu-Button sowie Mute- und Talk-Taster bekommt man auch, selbstverständlich realisiert die Software dabei unterschiedlichste Talk-Szenarien. Ein kleines Talkback-Mic ist ebenfalls eingebaut – das kleine Loch zwischen Menü- und A-Speaker-Taster verrät es.
Der MT 48 fungiert damit nicht nur als seriöser Monitor-Controller sondern auch als dicke Breakout-Box. Im Zweifelsfall nur mit Ethernet und über größere Strecken verbunden. Remote lassen sich auch alle Funktionen regeln – auch die vieler MT 48 gleichzeitig. Und wer mag, kann sogar wireless über das iPad bedienen. Dazu muss das MT 48 allerdings direkt mit dem Netzwerk verbunden sein.
Und das alles erreicht der MT 48 bei schlanken 1,6 kg und Maßen von 370 x 100 x 170 mm. Ein robustes Softcase-Etui gibt es dazu. Reisende Musiker, die öfter im Hotel aufnehmen, finden m. E. nach aktuell kein dickeres Paket auf kleinen Raum – mit zwei hochwertigen Kopfhörer-Outs schon gar nicht.
Eine weitere, nette Idee von Neumann sind die fetten TRS auf MIDI-Adapter, die direkt aktiv sind, sobald man sie in den GPIO steckt. Alternativ passt hier auch ein Fußschalter rein oder die Relais-Fernsteuerung von Studio-Red-Light dran. Schade nur, dass die Adapter optional sind.
Ferner gibt es einen Lüfter, der allerdings mehr als Sicherheit-Maßnahme für Extrem-Situationen wie Bühnen zu verstehen ist und im Low-Setting nicht zu hören ist. Heiß wird das Gehäuse dennoch ordentlich! Gut zu wissen: Stop on Talk als Option für den Lüfter gibt es ebenfalls.
Kevin sagt:
#1 - 09.07.2023 um 13:19 Uhr
Danke für den tollen Testbericht. Ich selbst besitze eine Apogee Symphony Desktop und bin extrem zufrieden damit. Meine Frage wäre, ob das MT 48 bezüglich der DA Konversion und Soundqualität wirklich hörbar besser ist. Du schreibst ja transparenter als die Symphony mk2. Aber mich wundert beim Marketing vom MT48 schon ziemlich warum nirgends außer in den Produktdetails von der Dynamic Range und THD+N der DA Konversion gesprochen wird. Diese ist nämlich im Vergleich zu allen anderen großen Namen wie Apogee, UA, Antelope, etc. um einiges schlechter. Klar, letztlich sind das nur Werte, aber gleichzeitig wirbt Neumann mit ihren Spitzenwerten bei der AD Wandlung, die ja anscheinend einen Rekord aufstellt, bei der DA Wandlung hingegen siehts ziemlich mau aus und keiner spricht davon und ich habe viele Testberichte gesehen. Daher macht mich das ein wenig stutzig. Vielleicht kannst du mich aufklären. :)
Felix Klostermann sagt:
#1.1 - 11.07.2023 um 15:14 Uhr
Grüß dich Kevin, die Werksangaben verschiedener Hersteller sind leider schwer vergleichbar. Ich wette, dass da jeder praktisch anders misst und somit immer andere Zahlen rauskommen. Nervig. Der goldene Spruch der Messtechnik lautete nicht ohne Grund: "Wer misst, misst Mist." Praktisch sind Unterschiede jenseits der 100 dB Marken für mich nicht mehr direkt hörbar und von nachfolgenden Geräten maßgeblicher beeinflusst. Dennoch höre ich Unterschiede in den Wandlern – insbesondere auch bei den DAs – und da sind Sachen dabei, die mir außerdem schwerfallen würden in Zahlen zu bemessen. Bei Merging habe ich beispielsweise allerfeinste Räume auf Hintergrund-Instrumenten gehört, die sonst nirgends erkenntlich waren. Verzerrungen im Promillebereich und Dynamikumfang hingegen sind Parameter die für meine Ohren überhaupt nicht übersetzbar sind, Kurz und knackig: Keiner von beiden – Apogee oder Neumann – klingt wirklich besser, sind klingen einfach nur minimal "anders" – obwohl sie beide äußerst transparent und musikalisch sind. MT sicherlich noch puristischer und einen Ticken feingeistiger im Ansatz, aber eben das ist auch wieder nur Geschmackssache. Beide stechen aber im Gesamtumfeld mit anderen Bewerbern meiner Meinung nach besonders gut hervor. Der größte Unterschied liegt bei diesen beiden allerdings im Handling: Währen bei MT/Neumann fast alles geht und super flexibel ist, neigt es zum Umständlichen und Komplizierten – Apogee hingegen ist recht idiotensicher, teils sehr slick, aber hinsichtlich nur etwas "anspruchsvolleren Workflows" ziemlich dumm. 100% – sie existieren leider noch nicht. Mehr kann ich dir da leider nicht helfen und so bleibt nur wieder zu sagen: Versuch macht klug. :-) LG; Felix
Antwort auf #1 von Kevin
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenKevin sagt:
#1.1.1 - 15.07.2023 um 11:26 Uhr
Danke dir für die ausführliche Antwort. Ich denke, ich werde es interessehalber mal antesten und schauen, was meinem Gehörkanal besser schmeckt :D
Antwort auf #1.1 von Felix Klostermann
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenFelix Klostermann sagt:
#1.1.1.1 - 15.07.2023 um 14:26 Uhr
Bon Appétit! :-)
Antwort auf #1.1.1 von Kevin
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenPeter Muller sagt:
#1.2 - 11.05.2024 um 08:21 Uhr
Das Apogee Symphony Desktop hat ebenfalls zwei Kopfhöreranschlüsse. Der zweite ist hinten am Gehäuse mit Miniklinke ausgeführt und kann ein unabhängiges Mix bereitstellen. Die Info hier im Test ist somit falsch. Das Mt48 ist sicher interessant, aber wenn man bereits ein Apogee Symphony Desktop hat, bringt ein Wechsel keine wirklichen Verbesserungen.
Antwort auf #1 von Kevin
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenGiselher Punaske sagt:
#2 - 24.03.2024 um 09:52 Uhr
ich versteh die ganze fusionsgeschichte im ersten absatz nicht - ist neumann mit sennheiser fusioniert, oder nur MT? und wessen consumersparte ist da verkauft worden, die von sennheiser selbst, oder hatte neumann auch eine? (die von K+H wahrscheinlich nicht, die haben sie ja wohl schon in den 70ern eingestellt...) leider alles sehr unpräzise formuliert, wäre aber interessant gewesen.
Nick Mavridis sagt:
#2.1 - 25.03.2024 um 08:26 Uhr
Hallo Giselher, es gibt die Sennheiser Group, zu der die "Profi"-Sparte Sennheiser gehört, die wir hier kennen (also Mikrofone, Profi-Kopfhörer, Funken und so weiter), der aber auch Neumann angehört. Und diese Sennheiser Group hat Merging Technologies gekauft. Die Consumerspare Sennheisers (Consumer-Kopfhörer, Soundbars und so weiter) wurde an ein Unternehmen aus der Schweiz verkauft, die Sonova. https://www.bonedo.de/artikel/sennheiser-an-sonova-verkauft/ https://www.bonedo.de/artikel/sennheiser-expandiert-wieder-neumann-und-merging-technologies-ab-sofort-unter-einem-dach/ Unter https://www.sennheiser.com/de-de/uber-uns/unsere-geschichte kann man die Firmengeschichte genauer nachlesen, besser aber unter https://de.wikipedia.org/wiki/Sennheiser. Hoffe, das bringt etwas Licht ins Dunkel! Beste Grüße, Nick Mavridis (Redaktion Recording)
Antwort auf #2 von Giselher Punaske
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