Midas Venice U-24 Test

Wir haben das brandneue MidasVenice U-24 schon in unserer Testgarage aufgebockt. Das 16-kanalige Hybrid-Mischpult, das es als Venice U-16 und Venice U-32 auch in Konfigurationen mit anderen Channelcounts gibt, ist der neueste Streich der mittlerweile zur Music Group gehörenden Firma aus Großbritannien. Diese Nachricht und der Verweis auf den doch erstaunlich geringen Betrag vor dem Eurozeichen machen klar, dass die Fertigung nicht in Westeuropa, sondern Fernost erfolgt.

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Das alleine bedeutet natürlich nichts Negatives, positiv daran ist aber: Das Live-Mischpult ist sehr günstig! Doch was ist mit den Unken, die man rufen hört? Sind die Zeiten, in denen man die Midas-Analogpulte zur Crème de la Crème gezählt hat, mittlerweile vorbei?

Details

Viel Gewicht pro Euro

Das Midas Venice U ist beileibe kein Leichtgewicht, sondern ist ein 20 Kilogramm schwerer Brocken, dessen Ausmaße das Handling als Einzelperson so gerade eben noch halbwegs alltagstauglich erscheinen lassen – 76 Zentimeter ist der Live-Mixer breit, 58 tief und krosse 25,5 cm hoch!

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Mono-Channels

Ein Mikrofonsignal macht nach Ankunft im Pult Bekanntschaft mit dem bekannten und beliebten Preamp mit maximal 60 dB Gain, der auch beim Venice-U auf die Verwendung von SMD-Bauteilen verzichtet. Die Vorverstärker schicken bei Bedarf leckere 48 Volt zum Verzehr durch ein Mikrofon auf die Leitung. Bewegt sich das, was dieses an Pegel ausgibt, in einem Bereich, der zu geringe Potistellungen notwendig macht oder sogar selbst dann noch zerrt, kann die Vordämpfung von 20 dB zugeschaltet werden. Ebenfalls möglich ist es, das Signal unterhalb der Grenzfrequenz von 80 Hz mit einem zweipoligen Hochpassfilter zu sperren. Insgesamt sechs Aux-Abgriffe bietet jeder Kanal, wobei die beiden “Monitor” gelabelten bei Bedarf individuell pro Channel und die folgenden vier ausschließlich global pre/post geschaltet werden können, wobei “pre” immer vor dem EQ, aber hinter dem Insertpunkt liegt. Das ist für die meisten Anwendungen absolut  ausreichend – die Ausstattung ist flexibel, aber nicht übertrieben üppig (man muss ja alles mitbezahlen). Der Solo-Abgriff erfolgt PFL und AFL, der gehörte Bus kann in der Monitoring-Sektion umgeschaltet werden. Zwischen den Fußanschlägen der 100mm-Fader liegen die Routing-Schalter, welche beispielsweise auf die Busse 1/2 und 3/4 routen können, deren Odd-/Even-Zuweisung natürlich per Pan-Pot erfolgt. Zusätzlich zum obligatorischen Stereobus verfügt das Venice U noch über einen komplett eigenständigen Mono-Bus.

Fotostrecke: 5 Bilder Mic Pre mit HPF, Phantom, Pad und Phaseninvertierung

Besonderheiten der Stereo-Channels

Dort, wo bei Pulten üblicherweise die spärlicher ausgestatteten Stereo-Channels liegen, findet man beim Midas Venice U-24 eine Gattung, die nicht umsonst “Multi-Function Channel” genannt wird. Natürlich gibt es in den Channels 17-24 die Möglichkeit, Linesignale von Zuspielern oder Keyboards im Doppelpack zu bearbeiten – doch wie oft passiert es an Pulten, dass man sich dann doch wünscht, dass man diese Kanäle mit einem Mikrofonsignal füttern kann, weil alle anderen belegt sind! Und siehe da, allet geht, nur Frösche hüppen: Es gibt einen rückseitigen XLR-Input, Phantomspeisung und alles, was ein Mikrofonsignal zum Glücklichsein benötigt, sogar ein Insertpunkt ist vorhanden! Hervorragend! Hier macht der übertrieben häufig genutzte Begriff “praxisgerecht” wirklich Sinn! Doch das war noch nicht alles: Ein roter Button mit der Bezeichnung “USB” speist Rechnersignale aus dem eingebauten 8-In/8-Out-USB-Interface in den Channel. Wow! Ein wenig eingeschränkt ist man bei den EQs im Vergleich zu den klassischen Kanalzügen aber schon.  

Equalizer

In den Mono-Channels der Analogschüssel findet man einen Equalizer mit vier semiparametrischen Bändern und 15 Dezibel Gain in beide Richtungen. Die Überlappungsbereiche sind ausreichend groß, doch die häufig vorhandene Umschaltbarkeit zur Bell-Charakteristik der Bass- und Treble-Bänder oder die Bandbreitensteuerung eines der Mittenbänder fehlt. Sie ist nicht nur einfach “nicht da”, sondern sie fehlt wirklich. Doch selbstverständlich in dieser Klasse ist, dass man den gesamten EQ aus dem Signalweg entfernen kann. Der ebenfalls vierbandige EQ der Multifunktions-Kanäle arbeitet mit festen Grenz-/Mittenfrequenzen, namentlich 75 und 300 Hz sowie 3 und 12 kHz. Luxuriös ist auch das nicht.

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Gefangen in der Matrix?

In einer einfachen, aber deswegen nicht weniger durchdachten 7×2-Matrix können die Gruppensignale und die drei (Mono- und Stereo-)Hauptbusse matritziert werden – es stehen Matrix-Outs, ISR, Fader(-Poti), Mute, AFL/PFL zur Verfügung, aber auch ein “Override masters to USB with Matrix”. Hier kann ein separater Mix aus Gruppen und Master per USB auf die Reise geschickt werden.

Fader wechsel dich, USB speise dich!

Ein sehr schönes Feature befindet sich in der Aux-Master-Sektion. Dort lässt sich mit einem versenkten Mini-Schalter (am besten per Kugelschreiber) ein Fader-Swap zwischen Group-Master und Aux-Master einstellen. Der benachbarte Button ist ein Changeover, der entscheidet, ob das Bus- oder Aux-Send-Signal an das USB-Interface gesendet wird. Talkback kann wahlweise auf die Monitore, die Aux-Sends oder den Main-Bus (genauer: die Busse, es sind ja insgesamt drei Schienen) gesendet werden. Was auf dem Local-Monitor-Bus landet – also vor allem die Solos – kann im Level für den Booth-Speaker und den Headphone-Amp separat eingestellt und bei Bedarf gemutet werden. Der Kopfhörer-Ausgang befindet sich direkt in der entsprechenden Sektion. Die rückseitigen Cinch-Eingänge, die ja üblicherweise von Pausenzuspielern belegt werden, lassen sich ohne routen zu müssen ganz banal mit einem Poti auf den Mono- und den Stereo-Bus geben –  auch hier stehen Mute und Solo bereit.

Fotostrecke: 8 Bilder Ganz ohne Agent Smith, aber von praktischem Nutzen: die Matrix

Hinten nichts neues

Wirkliche Besonderheiten gibt es von der Rückseite natürlich nicht zu vermelden. Alles ist ordnungsgemäß beschriftet und weit genug gebaut, um auch mal bei Vollbestückung ein defektes Kabel finden, ziehen und durch ein anderes ersetzen zu können. Auch die Direct-Outs sind symmetriert, an den Seiten lassen sich Lampen mit 4pin-Anschluss einrichten, um die Arbeitsfläche zu beleuchten. Ein Schaltnetzteil für den internationalen Gebrauch ist eingebaut.

Wertsachen

Der Frequenzgang des Mic-Pres inklusive der nachfolgenden Wege bis zum Bus verläuft zwischen 20 Hz und 20 kHz in einem Toleranzschlauch von einem Dezibel, die zusammengesammelten Verzerrungsprodukte betragen danach maximal 0,03%. Das ist nicht übermäßig wenig, doch sprechen wir hier ja nicht über Boutique-Preamps. Der Crosstalk liegt unter -90 dB, das Rauschen bei -128 dBu (bei 60 dB Gain am Mic-Pre). Das USB-Interface wird mit Single-Rate betrieben (also 44,1 oder 48 kHz) und arbeitet fest mit einer Quantisierung von 24 Bit. A-gewichtet wird eine Dynamik von 110 bzw. 112 dB für DAC und ADC erreicht. Wie heutzutage gemeinhin üblich, liegt dem Pult Software (in Form eines Sticks) bei, darunter eine 60-Tage-Trial von Propellerheads Record.

Fotostrecke: 6 Bilder Durch die Keilform ist ausreichend Platz auf der Geräterückseite

Praxis

Das Midas Venice U-24 stellt man hin, schließt das Netzkabel an und kann loslegen. Sicher: Um die Audioverkabelung muss man sich ein paar Gedanken machen, aber die Anschlussbeschriftung und die räumliche Verteilung sind hervorragend gelöst. Der Hersteller schafft den Spagat zwischen Routingflexibilität und einfacher Bedienbarkeit sehr gut. Hat man sich die Matrix und die Möglichkeiten rund um das Dreibus-Prinzip kurz im Signalflussdiagramm angesehen, kann es losgehen. Ein paar Kniffe wie die Changeover-Funktionen gehen etwas weiter, aber werden auch notwendigerweise benötigt. Dennoch lohnt es sich, sich mit den Sonderfunktionen ein wenig auseinanderzusetzen: Besonders der Aux/Bus-Changeover ist beim Betrieb als Monitorpult hervorragend, denn dadurch kann das Main-Level jedes einzelnen Monitormixes von den Aux-Sends mit dem 100mm-Fader geregelt werden – das ist deutlich komfortabler als mit einem Poti. Im Betrieb zeigt sich auch, wie wohlüberlegt die Routingmöglichkeiten des USB-I/O sind. Sie sind nicht derart üppig, dass sie verwirren könnten, aber auch nicht starr, dass manche wichtigen Möglichkeiten außen vor bleiben müssten. Ob eher auf Record oder Wiedergabe ausgelegt – es wird immer eine Lösung geben. Ich wiederhole mich bewusst, wenn ich auf die hervorragende Vielseitigkeit der Multi-Channels hinweise, die ja auch aus dem USB gespeist werden können.

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Auf Zustimmung wird sicher bei Usern durch alle Klassen vom Anfänger bis zum Vollblutprofi die optische Organisation sorgen. Alle Bereiche sind klar voneinander getrennt, Funktionsgruppen stimmig und sinnvoll aufgebaut. Eine große Hilfe ist die stringente Farbgebung. So sind Mutes und Bypasses in Rot, Solos in Gelb gehalten. Gruppen sind blau, Monitore rot, Auxe 1 und 2 grün, 3 und 4 gelb. Und so weiter: Die klaren Bonbonfarben mögen vielleicht auf den ersten Blick albern wirken, helfen aber, den Überblick zu behalten. Nicht zuletzt deswegen gehört beispielsweise der GML 8200 zu den zu den am besten zu bedienenden Equalizern. Auch die Ausstattung mit LEDs zur optischen Kontrolle ist nicht zu mager ausgefallen. Es empfiehlt sich dennoch, die beiden Lampenanschlüsse zu belegen, auch wenn diese ein Problem der Bedienergonomie nicht lösen können:
Der vierbandige Channel-EQ der Mono-Channels baut schon verdammt hoch – zwischen den engen Kranzpotis mit 3 cm Höhe muss man fast schon zusätzlich zu den Lampen die Maglite bemühen und den Kopf korrekt ausrichten, um bis auf die Gehäuseplatte blicken und die Beschriftung lesen zu können. Mir ist das zu kuschelig, wie sich die Elemente dort drubbeln, was sich auch in der Bedienung zeigt: Ich schaffe es nicht, den unteren Kranz komplett zu drehen, sondern muss ständig umgreifen. Meine Wurstfinger können den Ring nur zwischen 10 und 11 Uhr (bzw. 13/14, 16/17 und 7/8 Uhr) fassen, nicht direkt zwischen den Nachbarpotis. Es ist mir also deutlich zu eng bevölkert in der EQ-Sektion. Da machen die Pulte aus Midas’ Venice-F-Serie einiges besser: Deren Seitenansichten zeigen, dass dort ein ausgeprägtes, geknicktes Keilprofil gewählt wurde, welches das Handling deutlich gegenüber der einfacheren und flacheren Bauform verbessern kann, da Greifwege verkürzt und Sichtachsen begradigt werden. Es ist dadurch zwar etwas höher, aber das lässt sich meist verschmerzen.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Doppelkranzpotis der EQs überragen die Pultoberfläche wie die die typische amerikanische Downtown die Vorstädte

Nun ist es natürlich so, dass es vorteilhaft ist, wenn ein EQ sich einfach bedienen lässt – vor allem im Live-Betrieb. Allerdings gilt natürlich auch dort, dass ein Equalizer vor allem klanglich überzeugen muss. Und das macht der Channel-EQ des Midas allemal! Ganz so, wie man es benötigt, packen die vier Bänder zu und können auch bei hohen Verstärkungen und Abschwächungen shapen, ohne die Signale hohl und löchrig oder klingelnd und unnatürlich klingen zu lassen. Vor allem in den Hochmitten ist es fast schon eine Kunst, ein Signal beißend werden zu lassen, im Gegenzug bleiben die Bässe auch bei höheren Boosts immer so kurz und trocken, wie sie in die Klangbearbeitung hineingeschickt wurden. Natürlich hätte man für sanftere Eingriffe gerne die Möglichkeit, einen etwas breiteren Frequenzbereich wählen zu können, zur Resonanzentfernung bei Drums wäre ein schmaleres Band hilfreich. Dennoch: Die feste Breite von einer Oktave in den Mittenbändern ist sinnvoll gewählt, und auch die Frequenz-Ranges entsprechen dem, was in der Praxis meist benötigt wird. Und ganz im Ernst: Wird das U-24 bei größeren Venues eingesetzt, kann sich im Siderack eben noch ein zweikanaliger Vollparametrik-EQ befinden – gemeinsam mit dem grafischen EQ für den Master, den Dynamics und Multi-Effects. Das bislang über den “großen” Channel-EQ gesagte gilt prinzipiell auch für den der Multifunktions-Stereochannels. Zwar geht die Einschränkung ein Stück weiter, doch klingen tut er erste Sahne.
Gelobt werden müssen zweifelsohne die Mikrofonvorverstärker des Midas Venice U-24. Die Preamps zeigen sich druckvoll und konkret – sind aber natürlich keine Feingeister, die jegliche noch so fragile Textur des Signals naturgetreu darstellen. Dafür erhält man Signale, die sich sehr gut handlen lassen. Man hat das Gefühl, immer gut Ordnung im Mix schaffen zu können und erst spät zur Klangbearbeitung greifen zu müssen.

Audio Samples
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Preamp EQ On/Off “kleiner” EQ Sweepthrough

Nicht unwichtig bei der Entscheidungsfindung über die Anschaffung eines Pultes ist die voraussichtliche Lebensdauer und Zuverlässigkeit. Nimmt man die verwendeten Materialien und die generelle Verarbeitung als Maßstab, wird man gut schlafen können – vor allem aber, da die U-Serie von Midas trotzdem erstaunlich günstig ist!

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Fazit

Midas haben mit den Analogmischpulten der Venice U-Serie zwar nicht absolut opulent ausgestattete, aber sehr überlegte Mischpulte ins Programm genommen. Der Einsatz von Venice U-16, U-24 und U-32 ist sowohl als kleiner und mittelgroßer FOH- als auch als Monitor-Mixer denkbar und wird durch zahlreiche Routing- und Architekturkniffe zum flexiblen, aber in jeder Situation leicht bedienbaren Werkzeug. Die notwendigen Basics kommen keinesfalls zu kurz – im Gegenteil: Mic-Pres und EQs heben sich deutlich von vielen anderen Pulten ab. Beide klingen nicht halbherzig, sondern liefern kernige, hervorragend nutzbare Ergebnisse. Ein wenig schade ist es aber dennoch, dass es beim EQ nicht zumindest in den Mitten die Möglichkeit zur “broad/narrow”-Einstellung gibt.

Pro
  • Preis-Leistungsverhältnis
  • Klang der EQs
  • Routingmöglichkeiten und Bedienlogik
Contra
  • EQ eng gebaut und zu wenig umfangreich
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Technische Spezifikationen
  • analoges Mischpult mit 20 Mic Preamps
  • 16 Mono-Channels mit vierbandigem semiparametrischem EQ
  • 4 Multifunktionskanäle mit vollständigen Mic Pres (mono) und der Möglichkeit, Stereo-Line-Signale und USB-Signale zu bearbeiten
  • Mic Pres mit Phantom, Phase, Pad, HPF und ISR
  • vier Auxe, zwei Monitorwege
  • 7×2-Matrix, vier Subgruppen, drei Main-Busse
  • USB-Interface (24/48) eingebaut
  • Preise:
  • Midas Venice U-16: € 1399,- (UVP)
  • Midas Venice U-24: € 1699,- (UVP)
  • Midas Venice U-24: € 1999,- (UVP)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Preis-Leistungsverhältnis
  • Klang der EQs
  • Routingmöglichkeiten und Bedienlogik
Contra
  • EQ eng gebaut und zu wenig umfangreich
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Midas Venice U-24 Test
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