Erica Synths Fusion Box Test

Die Fusion Box ist der neueste Streich von Erica Synths. Die Synth-Schmiede aus Riga/Lettland genießt bereits hohes Ansehen für ihre analogen Eurorack-Module – speziell die modularen Reinkarnationen des russischen Polivoks-Synthesizers – und hat mit der Pico-Serie auch das kleinste Racksystem der Welt am Start.

Die Erica Synths Fusion Box ist ein Spezialist für Effekte der brachialeren Art.
Die Erica Synths Fusion Box ist ein Spezialist für Effekte der brachialeren Art.


Nun haben die Letten mit der Fusion Box ein Standalone-Effektgerät vorgestellt. Die Fusion Box kommt im selben kompakten Gehäuseformat wie die Acid Box aus gleichem Hause und ist ein vollanaloges Echo-, Chorus- und Ensemble-Effektgerät mit Röhren-Overdrive und integriertem Tiefpassfilter.

Details

Die kompakte, 19 x 14 x 6 cm kleine und 700 Gramm leichte Fusion Box kommt in einem mattschwarzen Gehäuse mit feinen strukturierten Linien, was schon mal sehr seriös aussieht. Die vier großen und vier kleinen, symmetrisch angeordneten Potis haben sehr griffige Knöpfe und liegen super in der Hand. Das Herzstück des Effektgeräts ist wie bei der Acidbox die mittig eingepflanzte Röhre, die zum Schutz vor Erschütterungen straff elastisch befestigt ist. Darunter befinden sich zwei breite schwarze Plastikkippschalter für die Long/Short-Abstufung des Delays und einer zum Einschalten bzw. Bypassen der Fusion Box.
Der Delay-Effekt wird mit zwei Eimerkettendelays (Bucket-Brigade-Delay, BBD) erzeugt. Der Feedback-Weg ist phasenverschoben und ein Hauptmerkmal der Fusion Box sind metallische Klangfärbungen und breit-wabernde Stereoeffekte. Die Röhrenstufe greift kräftig in den Sound ein und erzeugt schon bei niedrigen Einstellungen heftige Verzerrungen.  

Fotostrecke: 3 Bilder Lieferumfang: Fusion Box, Netzteil und ein Aufkleber

Per Fußschalteranschluss lässt sich die Fusion Box ebenfalls ein- und ausschalten. Dank Gain-Regelung im Eingangsbereich lässt sich nicht nur Line- und Modular-Equipment, sondern auch eine Gitarre direkt anschließen und angleichen. Da es keine Pegelkontrolle gibt, geschieht das Einstellen des Eingangspegels natürlich nach Gehör, mittels des Gain-Reglers hinten und des Input Level Reglers unten rechts. Schon dadurch wird der Sound extrem beeinflusst; man muss sich einfach an die optimale Eingangslautstärke für unterschiedliche Signale herantasten.
Sound gelangt in die Fusion Box über einen symmetrischen, monophonen Signaleingang mit nachgeschalteter Pegelregelung. Anschließend folgt ein Insert, hier FX Loop genannt. Danach durchläuft Audiomaterial die BBD-Eimerkettenstufen. Der Zeitbereich, in dem Echos erzeugt werden, lässt sich mit „Short“ oder „Long“ grob wählen und dann mit dem großen, griffigen Delay Time Poti fein regulieren. Die allseits beliebten Pitch-Delay-Effekte lassen sich damit ebenfalls realisieren.
Allerdings ist die Fusion Box kein Echogerät mit etwas Mojo drumherum. Dazu greifen der LFO, die Overdrive-Stufe, das Filter und der Ensemble-Effekt zu heftig in den Sound ein. Beim LFO sind Frequenz und Intensität regelbar. Dadurch werden Chorus- und Ensemble-Effekte erzeugt. Der Tiefpassfilter „Colour“ dämpft den Höhenbereich entsprechend ab. Bei aufgedrehtem Overdrive und Dry/Wet-Regler erzeugt der Colour-Regler voll aufgedreht weisses Rauschen. Der Overdrive-Regler der mittig eingesetzten Röhre reicht von sanfter Sättigung bis hin zu wirklich infernalischer Verzerrung. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt.  

Fotostrecke: 5 Bilder Kompakt, schwarz und stark: die Erica Synth Fusion Box

Feedback regelt nicht die Anzahl der Delay-Wiederholungen, sondern führt das Signal intern mit regelbarer Intensität wieder zum Anfang der Schaltung zurück. Overdrive und Feedback aufgedreht erzeugt schon ohne weitere Soundzugabe böses Brummen, das durch Mod Level und Delay Time zu bedrohlichem Blubbern wird. Dann fühlt sich die Fusion Box an wie ein Wildpferd, dass zur Not auch ohne Reiter losgaloppieren würde und nur schwer zu bändigen ist.
Ein Kanal wird in der Phase gedreht. Dadurch erzeugt die Fusion Box außergewöhnlich breite Stereoeffekte. Die sind dann schon mal ganz weit links und rechts außen und legen bei extremer Verzerrung auf der Summe den kompletten Frequenzgang lahm, wie in den folgenden Video-und Audiobeispielen gut zu hören ist.

Fotostrecke: 3 Bilder Die obere Sektion der Erica Synth Fusion Box

Praxis

Die Fusion Box in der DJ Booth

Die Erica Fusion Box ist ein kleines Biest, das nicht so leicht zu bändigen ist. Ich habe sie mal zum DJ-Gig mitgenommen und an den Effekt-Insert des Pioneer DJM-Mixers gehängt. Den Stereo-Ausgang des Pioneer-Sends habe ich per Y-Kabel in den Mono-Eingang der Fusion Box geführt. So richtig Spaß macht die Fusion Box im Insertweg aber nicht. Die Verzerrungen kamen meist zu krass und schon nach wenigen Versuchen, sinnstiftend mit der Fusion Box zum Gesamtsound beizutragen, habe ich mich wieder auf die Standardeffekte des Pioneer-Mixers zurückgezogen.
Mehr Spaß macht das schon mit einem DJ-Mixer, der einen regelbaren Effekt-Send bietet, wie einem Allen & Heath Xone:92 oder wie hier im Video beim Bonedo-Test des Playdifferently Model 1, quasi einem Allen & Heath auf Steroiden. Ab ca. 5:21 min. greift die Fusion Box ins Geschehen ein und zeigt, dass damit gerade in minimalistischen Techno-Sets schon schönes Sounddesign möglich ist, wenn der DJ feinfühlig mit dem Aux-Send auf des Messers Schneide zwischen Krach und kontrolliertem Wahnsinn balanciert.

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Fotostrecke: 2 Bilder Die Audioaufnahmen wurden direkt aus den jeweiligen Geräten durch die Fusion Box in der DAW aufgenommen.

Die Fusion Box im Studio

Richtig sinnvoll agiert die Fusion Box jedoch im Studio. Hier ist weniger mehr. Weniger Signal. Mehr Kontrolle. Aus wenigen anregenden Sounds macht die Fusion Box viel Krach. Auch im Studio sind die Ergebnisse nicht immer vorhersehbar. Und die Fusion Box klingt stets irgendwie nach Fusion Box: rau, breit und krass. Aber eine 303 mag man ja auch, weil sie nichts anderes kann, als nach 303 zu klingen.
Im ersten Video schicke ich einem digitalen Breakbeat aus der furztrockenen Roland TR-626 direkt in die Fusion Box. Da läuft die Röhre zu Höchstform auf und im Knopfumdrehen hat man ein beeindruckend böse pumpendes, atonales Drone-Bassline-Monster erschaffen.  

Im zweiten Video starte ich zuerst ohne Beat. Bereits ohne Input-Signal gibt die Fusion Box böse Drones von sich. Wird sie dann wieder mit dem kleinen unschuldigen Breakbeat aus der TR-626 gefüttert, pumpt, rotzt und ächzt die in die Sättigung getriebene Fusion Box, dass es eine wahre Freude für Noise-Enthusiasten ist. Das hohe Summen gehört leider – oder glücklicherweise – zum Spaß dazu.

Im dritten Video findet sich wieder mal die schöne Weisheit bestätigt, dass Musik auch aus der Stille zwischen den Tönen besteht. Hier ist es die tiefe 909-Tom der Roland AIRA TR-8, die die Fusion Box anregt und bei entsprechender Verzerrung heftigst in den Spielpausen mitatmen lässt. Dicke Bassdrum drunter und schon ist es Techno.

In den folgenden Audiobeispielen habe ich diverse eher freundliche Signale in die Höhle des Löwen, sprich: durch die Fusion Box geschickt und ordentlich zerbröselt. Dabei gibt es zuerst einen Durchlauf mit Bassdrum und Clap, quasi als Metronom, um die Rhythmik bei heftigem Delay-Einsatz beurteilen zu können. Und da im Masterbus ein UAD Precision Maximizer hängt, zerstört die Fusion Box bei besonders krassen Verzerrungen nicht nur das Originalsignal, sondern zerquetscht auch noch gleich das beigemischte Beatgerüst. Also Vorsicht beim Hören: die Pegelunterschiede sind oft sehr drastisch. Apropos Gitarre: unter den Audiobeispielen sind auch solche, in denen ich E-Bass und E-Gitarre durch die Fusion Box gespielt habe. Ich bitte, mein lausiges Gitarrenspiel zu entschuldigen. Hauptsache, ihr habt Spaß!

Audio Samples
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FM-Synth Hook, mit Bassdrum und Clap FM-Synth Hook, solo FM-Percussion, mit Bassdrum und Clap FM-Percussion, solo Groovy Roland CMU-810 Synth-Bassline, mit Bassdrum und Clap Groovy Roland CMU-810 Synth-Bassline, solo Steady Roland CMU-810 Synth-Bassline, mit Bassdrum und Clap Steady Roland CMU-810 Synth-Bassline, solo Simple Roland CMU-810-Sequenz, gleicher Sound wie die beiden Synth-Basslines, mit Bassdrum und Clap Simple Roland CMU-810-Sequenz, gleicher Sound wie die beiden Synth-Basslines, solo 909 HiHat und Clap, mit trockener Bassdrum 909 HiHat und Clap, solo Jazz-Bass mit aktiven Pickups, mit Bassdrum und Clap Jazz-Bass mit aktiven Pickups, solo Squier Stratocaster, mit Bassdrum und Clap Squier Stratocaster, solo Fusion Box solo, ohne Eingangssignal

Im letzten Audiobeispiel hört man nur die Fusion Box, ohne Eingangssignal, weil auch keins angeschlossen ist. Ja, sie kann auch als rudimentärer Soundgenerator dienen. Auch Störgeräusche wie hohes Fiepen und weißes Rauschen sind dabei.

Fazit

Die Erica Synths Fusion Box vereint mehrere analoge Effekte in einem kompakten Gerät. Dennoch ist sie kein Multieffekt, der mal als Flanger, mal als Delay und mal als Overdrive dient. Feinsinnige Modulationseffekte klappen mit dezidierten Ensemble-Effekten besser und für synchronisierte Tempodelays oder gepitchte Bandecho-Schleifen greift man auch besser zu ausgewiesenen Experten wie dem Roland Space Echo oder seine vielen Nachahmer. Bei der Fusion Box arbeiten alle Elemente eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Ich musste öfters an Gitarristen denken, die à la Jimi Hendrix ihre Klampfe vor den schwer verzerrenden Marshall-Stack halten und gezielte Feedbacks zelebrieren. Ähnlich muss man sich auch das Spiel mit der Fusion Box vorstellen. Set and forget ist hier nur der halbe Spaß. Die Erica Synths Fusion Box ist eine schwer bezähmbare „Black Beauty“: Sie will „gespielt“ werden und belohnt dann mit rücksichtslosen Noise-Orgien und Aphex-Twin-mäßigen Brachialeffekten, die oft auf Messers Schneide zwischen Kontrolle und Wahnsinn balancieren. Wer sie bändigen will, braucht etwas Geduld und vor allem viel Fingerspitzengefühl. Dann offenbart sie Qualitäten, die verblüffend organisch, eigenständig und wild sind. Den Sound muss man mögen und wenn man ihn liebt, steht dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft nichts mehr im Wege. Außer 440,- Euro…

PRO
  • Kompakt und vielseitig
  • Vollanaloge Schaltung
  • Eimerkettendelay
  • Sehr breite Modulationseffekte
  • Gute Verarbeitung
  • Charakteristischer Sound
CONTRA
  • Teilweise starke Nebengeräusche
  • Ergebnisse nicht immer vorhersehbar
15_Erica-Synth-FusionBox Bild
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