Eine Liebeserklärung an den Big Muff

Es gibt E-Bässe, Bassverstärker und Effektgeräte, die über die Jahre Kult geworden sind und auf der “haben wollen”-Liste fast aller Bassisten ganz oben stehen. Die Gründe für die Beliebtheit liegen entweder an dem sehr speziellen Sound, an berühmten Songs oder Vorbildern – oder einfach daran, dass diese Instrumente, Verstärker oder Effekte eben die ersten ihrer Art in der Rock- und Pop-Geschichte waren. In unserer neuen Rubrik “Eine Liebeserklärung an …” möchten wir derartiges Equipment vorstellen und auf die Geschichte, berühmte Benutzer oder Songs sowie die Anwendungsmöglichkeiten eingehen. Unser erster Kandidat ist der legendäre Electro Harmonix Big Muff, der schon Gitarristen wie Jimi Hendrix zu ihrem sagenumwobenen Sound verholfen hat. Aber auch das Thema “verzerrter Bass” wäre ohne dieses kleine Helferlein aus den Händen des legendären Soundtüftlers Mike Matthews nicht das, was wir heutzutage damit assoziieren!

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Inhalte
  1. Electro Harmonix Big Muff – History
  2. Electro Harmonix Big Muff – Versionen
  3. Electro Harmonix Big Muff – Klangbeispiele
  4. Electro Harmonix Big Muff – berühmte User (Bassisten)
  5. Electro Harmonix Big Muff – Anwendungsmöglichkeiten
  6. Electro Harmonix Big Muff – aktuelle Kauftipps

Electro Harmonix Big Muff – History

“Was ist ein Big Muff?”
First things first: Der Big Muff ist ein Fuzz-Pedal, also ein Verzerrer, der im Vergleich zum Overdrive oder Distortion einen synthetischen, fett-cremigen Charakter besitzt. Sehr vereinfacht gesagt basiert dies darauf, dass die Verzerrung nicht mehr durch die Übersteuerung eines Röhrenverstärkers, sondern eines Transistorverstärkers zustande kommt.

Anfang der 60er-Jahre nahm das Fuzz Einzug in die Welt der Rockmusik. Zu den frühen Fans zählten z. B. die Rolling Stones, The Kinks, The Beatles, Eric Clapton etc. Ein begnadeter Elektrotechniker namens Mike Matthews baute bereits früh solche Pedale als Auftragsarbeiten für Firmen wie Guild Guitars.
Beflügelt vom Verkaufserfolg der von ihm gebauten Pedale entschloss Matthews schließlich, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen und gründete kurzerhand die Firma Electro Harmonix. Das erste Produkt war ein Booster; kurz darauf erblickte das sogenannte Muff Fuzz das Licht der Welt, dessen Namen bereits andeutet, dass es der Vorgänger für den Big Muff sein sollte.
Matthews entwickelte seine Produkte stets weiter und entwarf eine ausgeklügelte Schaltung, welche im Wesentlichen aus Input Booster, Clipping Amplifier, Tone Stage und Output Booster bestand. Diese Schaltung ermöglichte hohe Gain- und Zerr-Reserven und besaß einen ganz speziellen Sound, der von weich und gedämpft (muff) über synthetisch bis brachial reichte.
Die größere Platine (damals noch Lochraster Board) musste jedoch unweigerlich in ein größeres Gehäuse, was das Präfix “Big” zur Folge hatte. Größe und Soundcharakter ergaben zusammen also den Namen “Big Muff”.

"Hey, Kleiner!" - Seit den Anfangstagen von Electro Harmonix hat das legendäre Fuzz zahlreiche Stadien und Ausführungen durchlaufen. Hier seht ihr ein Muff Fuzz neben einem Big Muff.
“Hey, Kleiner!” – Seit den Anfangstagen von Electro Harmonix hat das legendäre Fuzz zahlreiche Stadien und Ausführungen durchlaufen. Hier seht ihr ein Muff Fuzz neben einem Big Muff.

Electro Harmonix Big Muff – Versionen

Ab ca. 1970 war der Big Muff in der Version 1 (V1) im Handel erhältlich. Die Regler (Volume, Tone, Sustain) waren in einem Dreieck (Triangle) angeordnet, das Zeichen für die mathematische Konstante Pi zierte die Oberseite. Was es damit auf sich hat, darf bei Interesse jeder mal selbst googeln. Nur so viel: Es hat jedenfalls definitiv nichts mit Mathematik zu tun! Der Big Muff fand schnell viele Fans, darunter auch zahlreiche berühmte Namen.
Version 2 besaß bereits alle Regler auf einer Ebene, und ab der Version 3 erhielt der Big Muff den Look, mit welchem er auch heute noch ausgestattet ist. Bis hierhin hatten alle Big Muffs neben dem Fußschalter einen Schieberegler als An- /Ausschalter. Ab Version 5 wich dieser jedoch einem Bypass-Schalter für den Tone-Regler.
Version 7 wurde aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Company in Russland von der Firma Sovtek gebaut. Diese Big Muffs erkennt man leicht an ihren olivgrünen oder schwarzen Gehäusen. Auf die elektrotechnischen Feinheiten jeder einzelnen Version einzugehen, gleicht einer Doktorarbeit und würde hier unweigerlich den Rahmen sprengen. Wer sich für die entsprechenden Details interessiert, der findet hier die ultimative Quelle!

Nur eine kleine Auswahl: Der Big Muff erschien im Laufe der Jahrzehnte in verschiedenen Ausführungen!
Nur eine kleine Auswahl: Der Big Muff erschien im Laufe der Jahrzehnte in verschiedenen Ausführungen!

Electro Harmonix Big Muff – Klangbeispiele

Bilder und Sounds sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte, und wenn ich schon den Luxus habe, für diesen Artikel derart viele alte Big Muffs vor mir zu haben, stelle ich sie euch lieber auf diese Weise vor, als sie groß zu beschreiben. Ihr werdet feststellen, dass sich einige Modelle kaum voneinander unterscheiden, bei anderen hingegen sind die Unterschiede sehr deutlich.

Big Muff V1

(Aufgrund astronomischer Preise für ein Original steht mir leider “nur” das Reissue zur Verfügung)

Im Original nahezu unbezahlbar, ist die Ur-Version des Big Muffs von Electro Harmonix auch als Reissue erhältlich.
Im Original nahezu unbezahlbar, ist die Ur-Version des Big Muffs von Electro Harmonix auch als Reissue erhältlich.
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So klingt der Big Muff V1 Reissue

Big Muff V2 (ab ca. 1973)

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So klingt der Vintage Big Muff V2

Big Muff V3 (ab ca. 1976)

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So klingt der Vintage Big Muff V3

Big Muff V4 (ab ca. 1978)

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So klingt der Vintage Big Muff V4

Big Muff V5 (ebenfalls ab ca. 1978)

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So klingt der Vintage Big Muff V5

Big Muff V6 (ab ca. 1979)

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So klingt der Vintage Big Muff V6

Big Muff V7 (ab ca. 1990)

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So klingt der Vintage Big Muff V7

Natürlich gibt es den Big Muff noch bis heute – ebenso unzählige Derivate, die sich mehr oder weniger zu ihrem großen Vorbild bekennen. Seit einigen Jahren hat die Firma Electro Harmonix sogar drei spezielle Big Muffs für Bass im Programm sowie Reissues von verschiedenen Versionen.
Nach der V7 sprechen Fans jedoch nicht mehr von “Vintage”, und auf diesen Bereich wollen wir uns hier und heute konzentrieren. Der Vollständigkeit halber haben wir aber auch noch den aktuellen Kandidaten des klassischen Big Muff auf die Soundliste gesetzt:

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So klingt der Big Muff V8

Zu den einzelnen Versionen muss man noch Folgendes hinzufügen: Vintage-Equipment ist in der Regel nicht mit modernen Equipment vergleichbar. Häufig muss man für seinen Sound “kämpfen” und findet dann eventuell auch nur einen kleinen Einstellungsbereich, der wirklich brauchbar ist: der sogenannte “Sweet Spot”. Dieser ist dann jedoch die ganze Mühe wert – und der Weg dahin ist Teil des ganzen Spaßes!
Darüber hinaus finden sich sehr viele Produktions- und Bauteil-Toleranzen und die Elektronik ist über die Jahre natürlich immens gealtert. Daher ist eigentlich jedes Vintage Big Muff ein Unikat – zwei Pedale einer Version können daher durchaus sehr unterschiedlich klingen! Klangvergleiche wie z. B. “alle Regler auf 12 Uhr” machen daher wenig Sinn. Vielmehr geht es darum, bei jedem Pedal den “Sweet Spot” finden.

Electro Harmonix Big Muff – berühmte User (Bassisten)

Bei einem Effektgerät, welches es bereits seit über 50 Jahren gibt, stellt sich eher die Frage, welcher Bassist es nicht schon gespielt hat. Dennoch möchte ich drei Namen aus dem Bassbereich herauspicken, die für unterschiedliche Sounds stehen. In den 70er-Jahren nutze Paradiesvogel Bootsy Collins das Big Muff, um fette Synthie-ähnliche Basssounds zu erzeugen, häufig in Kombination mit einem Envelope Filter.
Tim Commerford von Rage Against The Machine nutzte das Big Muff für zahlreiche brachiale Sounds in den 90er-Jahren. Und auch andere Bassisten dieser Ära, wie zum Beispiel Jeff Ament (Pearl Jam) und Ben Shepperd (Soundgarden) sorgten zu Zeiten der Grunge-Welle für das Comeback des Big Muff.
Aus neuerer Zeit steht auf der Liste der Big-Muff-Fans ganz klar Chris Wolstenholme von Muse an erster Stelle. Kaum ein Song des britischen Trios kommt ohne das Kultpedal aus. Als bekanntestes Beispiel ist hier sicher “Hysteria” zu nennen , welches sich mittlerweile zu einem echten Bassklassiker entwickelt hat.

Electro Harmonix Big Muff – Anwendungsmöglichkeiten

Das Fuzz hatte seine erste Blütezeit in den 60er- und 70er-Jahren. Im folgenden Jahrzehnt trat es etwas in den Hintergrund, kam jedoch mit voller Wucht mit der aufkommenden Grunge-Welle zurück. Und auch heute noch ist das Fuzz wieder allseits beliebt, gerade in Stilistiken, die sich an den Sounds der 60er und 70er orientieren, z. B. Stoner Rock etc.
Ein Fuzz ist aber auch ein cooles Werkzeug, um sich in Kombination mit anderen Effekten einen Synthie-Sound zu basteln. Gerade die Big Muffs eigen sich mit ihrer cremig-fetten Klangcharakteristik dafür hervorragend. Dazu habe ich euch ein Beispiel mit einem Octaver erstellt:

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Big Muff und Octaver – eine sehr coole Mischung!

Hier noch ein paar allgemeine Tipps noch zum Big Muff: Was in den eigenen vier Wänden ein brachialer Basssound ist, kann im Bandkontext durchaus mal völlig untergehen. Dies liegt meist an dem Mid Scoop des Big Muff, also einer Absenkung der Mitten, welche bekanntlich für die Durchsetzungsfähigkeit verantwortlich sind. Eine beliebte Lösung dafür ist, den Tone-Regler zu bypassen und an dessen Stelle einen zusätzlichen Equalizer in der Signalkette nach dem Big Muff zu verwenden.
Eine weiterer Ansatz sind Geräte wie z. B. der Xotic Effects Blender. Mit ihm lässt sich auf einfache Weise ein Effekt Loop erstellen und so das Originalsignal mit dem Signal des Big Muff stufenlos mischen:

Fotostrecke: 2 Bilder Mit dem praktischen Xotic Effects Blender kann man …
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Satter Bassanteil: So fett klingt ein Big Muff mit einem Xotic Effects Blender

Electro Harmonix Big Muff – aktuelle Kauftipps

Hier noch einige Kauftipps für aktuelle Versionen des Electro Harmonix Big Muff – bei der Wahl entscheiden einzig euer Ohr und euer Geldbeutel:

So viel erst einmal für heute! Ein großes Dankeschön geht an Gregor Fris vom Youtube-Kanal BassTheWorld, der mir freundlicherweise seine Sammlung an Vintage Big Muffs für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt

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