Anzeige

Boss Nextone Special Test

Die Boss Nextone Serie an E-Gitarrenverstärkern, die der japanische Hersteller neben Katana– und Waza in seinem Portfolio aufführt, beinhaltet drei Ampmodelle in unterschiedlichen Ausführungen. Laut Hersteller bieten sich die Nextone-Combos, die in einer Stage, Artist und Special Ausführung erhältlich sind, einerseits als Übeverstärker, allerdings auch durchaus als professionelle Bühnenbegleiter an. Allen gemeinsam ist dabei die hauseigene “Tube Logic”-Technologie, ein zweikanaliger Aufbau, On-Board-Effekte, schaltbare Endstufen-Charakteristika und einiges mehr.
Das Flaggschiff der Nextone-Reihe ist aktuell das “Special”-Modell mit 80 Watt Leistung, einem Waza B12W 12”-Custom-Lautsprecher und drei Speicherplätzen für Soundsettings. Die kleinste Variante, der Nextone Stage, war bereits Gegenstand eines Tests

Boss_Nextone_Special_Combo_TEST Bild

, weshalb es für uns um so interessanter ist, heute mit dem Nextone Special dem großen Bruder auf den Zahn zu fühlen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Details

Der Nextone Special kommt in einem klassischen und optisch sehr ansprechenden Combogehäuse mit den Maßen 62 x 25 x 52 cm (B x T x H), das mit schwarzem Tolex verkleidet ist. Die Front garniert eine grau-schwarze Bespannung, hinter der sich der Speaker befindet. Unmittelbar darüber zeigt sich leicht nach innen versetzt das Bedienfeld. Im Gegensatz zur Stage- und Artist-Ausführung, die hinsichtlich der Potiplatzierung als “Toploader” konzipiert sind, entschied man sich hier für die frontale Bedienung. Diese besteht aus 24 Potis und drei Chickenhead-Wahlknöpfen, die allesamt in einem hellen Grauton gehalten und deren Reglerstellungen auch mit etwas Abstand sehr gut ablesbar sind. 16 kleine Taster und ein rechtsseitig angeordneter Power-Schalter sind ebenfalls anzutreffen und lassen in der Summe erkennen, dass wir es hier mit einem Amp zu tun haben, der mit üppigen Einstellungsoptionen aufwartet. An Anschlüssen weist die Front lediglich einen 6,3 mm Klinkeneingang auf, weitere Buchsen finden sich an der Rückseite.

Fotostrecke: 5 Bilder Der 80 Watt starke Boss Nextone Special Combo ist das aktuelle Flaggschiff der Nextone-Reihe.

Dort finden wir den Anschluss für das im Lieferumfang enthaltene Kaltgerätekabel, den Effektloop, den USB-Eingang und die Boxenanschlüsse. Der eingebaute Speaker ist mit einem Klinkenkabel am 8-Ohm-Ausgang eingestöpselt, wobei noch zwei 16-Ohm-Anschlüsse bereitstehen.
Zusätzliche Ausgänge findet man in Form eines XLR- und eines Klinken-Line-Outs, bei denen die Soundcharakteristik mit dem Air Feel-Schalter zwischen drei Mikrofonierungen eingestellt werden kann, dazu später mehr. Ein zusätzlicher Recording- und Headphones-Stereoausgang wurde ebenfalls mit einem frequenzkorrigierten Signal belegt, um das häusliche Aufnehmen und Üben zu erleichtern. Das Umschalten der Kanäle und der Features funktioniert auch per MIDI, oder aber über die beiden Fußschalteranschlüsse. Der Nextone bietet hier auch die Möglichkeit, den optional erhältlichen GA-FC Footswitch anzuschließen, der auch in Kombination mit anderen Boss-Produkten eingesetzt werden kann. Via USB lässt sich der Combo mit einem Computer verbinden, worauf wir jedoch weiter unten noch genauer eingehen werden.

Fotostrecke: 4 Bilder Der untere Teil des Gehäuses wurde als Open Back Cabinet konzipiert.

Der untere Teil des Gehäuses wurde als Open Back Cabinet konzipiert und gewährt den Blick auf den 1x 12″ Custom Waza B12W Lautsprecher, der laut Herstellerangaben auf dem “Blue Bell”-Sound der 60er Jahre basiert. Ob damit der gleichnamige Jensen-Speaker oder der Celestion Blue Bulldog gemeint ist, ließ sich nicht eruieren, aber ich denke, es genügt zu sagen, dass man sich hier klanglich eher an der Tradition der frühen Combomodelle der 50er und 60er Jahre orientiert.

Als Schallübertrager dient ein 1x 12" Custom Waza B12W Lautsprecher, der laut Herstellerangaben auf dem "Blue Bell“-Sound der 60er Jahre basiert.
Als Schallübertrager dient ein 1x 12″ Custom Waza B12W Lautsprecher, der laut Herstellerangaben auf dem “Blue Bell“-Sound der 60er Jahre basiert.

Auf der Oberseite ist ein robuster Kunstledergriff angebracht, der die 17 kg sicher und stabil zu tragen vermag.
Zum Lieferumfang gehören ein mehrsprachiges Manual, das Kaltgerätekabel, sowie ein Sticker, um den optionalen GA-FC Fußschalter entsprechend zu markieren.

Bedienung

Der Nextone Special ist als zweikanaliger 80-Watt-Transistorcombo mit einer 1×12″ Lautsprecherbestückung konzipiert. Klangbasis ist hier die von Boss entwickelte “Tube Logic”-Technologie, die den Sound, aber auch das dynamische und reaktive Verhalten von Röhrenamps simulieren soll. Was sich dahinter im Detail verbirgt, was nun davon analog ist oder was und ob überhaupt irgendetwas digital abläuft, darüber schweigt sich Boss aus. Fakt ist jedoch, dass diese Schaltung auch bei der Roland Blues Cube-Serie im Einsatz ist, die trotz des Namens gänzlich ohne Röhren auskommt.

Die Bedienung erfolgt von vorne und besteht aus 24 Potis, drei Chickenhead-Wahlknöpfen und 16 kleinen Tastern.
Die Bedienung erfolgt von vorne und besteht aus 24 Potis, drei Chickenhead-Wahlknöpfen und 16 kleinen Tastern.

Preamp-Sektion:
Der Combo ist als klassischer Zweikanaler aufgebaut und weist einen Clean- und einen Lead-Channel auf. Der cleane Kanal lässt sich in der Lautstärke regeln, wobei ein “Extra Head Room”-Taster die Erhöhung der dynamischen Range ermöglicht. Der “Tone”-Taster boostet die Mitten und Höhen und sorgt für einen etwas knackigeren Grundsound. Der Lead-Channel kommt mit einem Gain- und Volume-Regler und auch hier übernimmt ein Tone-Taster eine Zusatzfunktion, in diesem Fall, um ein dichteres Klangbild zu generieren. Für beide Kanäle steht jeweils ein separater EQ bereit, der Bässe, Mitten und Höhen regelt, wobei auch hier das Tonestack zwischen “amerikanisch” und “britisch” umgeschaltet werden kann. Vermutlich beruft man sich dabei auf die traditionelle Fender- oder Vox-Klangregelung. Für jeweils beide Kanäle lässt sich rechts außen noch ein Solo-Modus aktivieren, der in seiner Lautstärke regelbar ist.

Nach dem Input folgt die Pre Amp-Sektion mit Clean- und Lead-Kanal, gefolgt von der Drei-Band-Klangregelung.
Nach dem Input folgt die Pre Amp-Sektion mit Clean- und Lead-Kanal, gefolgt von der Drei-Band-Klangregelung.

Effektsektion:
Der Nextone ist mit einer rudimentären Effektsektion für die gängigen Brot- und Buttereffekte ausgestattet, die aus Booster, Reverb und Delay besteht. Boost- und Reverb-Effekt lassen sich in der Lautstärke regeln, das Delay in Effektstärke und Delaytime. Letztere wird über einen Tap-Button “eingeklopft”.

In der Effekt-Sektion lassen sich Delay und Reverb zumischen und das Signal per Boost-Regler zusätzlich verstärken.
In der Effekt-Sektion lassen sich Delay und Reverb zumischen und das Signal per Boost-Regler zusätzlich verstärken.

Powerampsektion
Die größte Besonderheit der Nextones ist sicherlich die extrem flexibel gehaltene Endstufensektion. Hier trifft man zum einen pro Kanal auf einen Bottom- und einen Top-Regler, welche die Wirkungsweise des Low-, bzw. High-Cut-Filters bestimmen, sowie einen Presence-Regler, der die Hochmitten und Hochtonfrequenzen bearbeitet.
Ein gerasterter Drehwähler bietet vier unterschiedliche Endstufenröhren-Charakteristika, nämlich 6V6 (für den typischen Fender Deluxe-Sound), 6L6 (anzutreffen bei Fender Bassman, Mesa Boogie aber auch Peavey 5150s), EL84 (z.B. zu finden in Vox AC30-Modellen) und der klassischen, britischen Marshallröhre EL34.
Hinter dem “Power Control”-Poti verbirgt sich im Prinzip ein Attenuator, der die Endstufenleistung von Maximum über 60, 40, 20 bis hin zu 0,5 Watt herunterregelt. Um den Amp in Probepausen nicht gänzlich abschalten zu müssen, wurde hier auch eine Standby-Stellung integriert, die den Amp zum Schweigen bringt. Die Gesamtlautstärke wird über den Master-Regler eingestellt.

Im Power Amp-Bereich stehen neben Bottom, Top und Presence pro Kanal ein Wahlschalter für den gewünschten Röhren-Typ bereit.
Im Power Amp-Bereich stehen neben Bottom, Top und Presence pro Kanal ein Wahlschalter für den gewünschten Röhren-Typ bereit.

Speicherplätze
Der Nextone Special verfügt, im Gegensatz zu seinen kleinen Brüdern, über drei frei belegbare Speicherplätze, die alle Settings außer der Stellung des Mastervolumes abspeichern. Dies geschieht ganz simpel durch längeres Gedrückthalten der jeweiligen Taste. Betätigt man die Panel-Taste, gelangt man zum Sound der aktuellen Reglerposition. Ein Factory-Reset erhält man durch Gedrückthalten des Panel-Schalters beim Einschalten des Amps.

Line/Recording und Phones Out
Selbstverständlich lässt sich der Amp auch als Recording- oder “Direkt-ins-Pult”-Lösung für den FOH einsetzen. Hierzu kann man den Nextone entweder über die Line-Outs, den USB-Anschluss oder über die Recording-Out-Buchse mit dem Audio-Interface oder einem Mischpult verbinden. Beim Verwenden der Line-Outs bleibt der Speaker aktiv, wohingegen beim Phones/Rec-Out das Signal lediglich über diesen Ausgang abgegeben wird und der Lautsprecher schweigt. Da der Master-Regler jedoch auf den Line-Out keine Wirkung hat, lässt sich natürlich auch in diesem Szenario die Lautstärke bei Bedarf auf Mietwohnungslevel herunterregeln.
Die Ausgänge sind mit Frequenzkorrekturen belegt, die über den Air Feel-Schalter aufgerufen werden. “Rec” steht dabei für eine Distanzmikrofonierung, während “Live” einen Closed-Miking-Sound liefert und “Blend” eine Mischung aus beiden.

Editor-Software und Verbindung mit der DAW
Auch wenn der Nextone Special sicherlich nicht mit zu wenig Potis und Knöpfen ausgestattet ist, bietet der Editor, der auf der Boss-Website samt Treiber zum Downloadbereitsteht, einerseits eine luxuriösere Editierfunktion, aber andererseits auch Zugriff auf weitere Optionen.
So hat man hier die freie Wahl aus diversen Bright-Switches, neun verschiedenen Booster-Kategorien, drei unterschiedlichen Reverb-Typen, dazu wartet das Delay außer mit drei Delaymodellen auch mit einem Tremoloeffekt auf. Auch der Equalizer, der sowohl vor als auch hinter der Preampsektion platziert werden kann, erlaubt feineres Tuning der Frequenzen und lässt sich von einer grafischen zu einer parametrischen Funktionsweise umschalten. Der Endstufenblock kann, abgesehen vom Röhrentypus, auch hinsichtlich seines EQings noch einmal feingetunt werden. Globale System-Settings, der Level des USB-Ausgangs oder des Einschleifwegs sind ebenfalls im Editor bequem einzustellen.

Fotostrecke: 5 Bilder NEXTONE SPECIAL EDITOR Preamp

Der Anschluss an meinem Windows-Rechner verlief ohne Probleme und meine DAW Studio One 5 erkennt den Nextone sofort und ohne Installation eines zusätzlichen externen ASIO-Treibers als Audiointerface. Insgesamt gestaltet sich die Praktikabilität und die Bedienung sowohl am Amp als auch im Editor als äußerst benutzerfreundlich, intuitiv und extrem praxisorientiert.

Anzeige

Praxis

Für die Soundfiles mikrofoniere ich den Nextone-Speaker zunächst mit einem AKG C414. Die Gitarren werden jeweils angegeben. Um einen Eindruck vom Grundsound zu bekommen, stelle ich die Ausgangsleistung der Endstufe auf den Maximalwert und fokussiere mich zunächst auf den reinen Ampsound mit nur einem Hauch Reverb.

Clean Channel

Zu Beginn hört ihr eine Maybach Les Paul und ich setze den EQ auf “American Tonestack”. Der cleane Sound wirkt extrem krisp und lebendig, wobei das Umschalten der Endstufentypen subtile, aber dennoch hörbare Klangveränderungen zutage fördert.
Der Speaker klingt angenehm offen und erinnert an traditionelle Fender-Sounds. Wer den Klang eines Blue Bulldog-Speakers kennt, der weiß um dessen ganz spezielle Charakteristik, die sich nur schwer mit typischen, cleanen Jensen-Modellen vergleichen lässt. Und den höre ich, ehrlich gesagt, auch beim eingebauten WAZA nicht wirklich heraus. In Kombination mit dem Cabinet kommt der Sound druckvoll und auch in puncto Lautstärke und Headroom liefert der Nextone Special genug Reserven, um auch bei lauten Gigs zu bestehen. Der Master-Regler hat neben der Bestimmung der Gesamtlautstärke auch jenseits der 12-Uhr-Marke einen leichten Einfluss auf den Zerrgrad, was man bei einer Röhrenendstufe ja ähnlich erwarten würde. Das typische Komprimieren und “Saggen” bleibt jedoch aus.
Dreht man das Volume-Poti weiter auf, fährt die cleane Vorstufe bereits in eine milde Zerre, so wie man das von niedrigwattigen Röhrenamps wie z.B. dem Fender Deluxe Reverb auch kennt. Die Betätigung des Headroom Schalters führt nicht zu außerordentlichen Veränderungen im Sound oder Spielgefühl, allerdings wirkt der Sound minimal offener und kommt mit etwas weniger Kompression daher. Twangige Funkriffs gehen dem Amp genauso mühelos von der Hand wie jazzige Neosoul-Phrasen oder typische Fender-Overdrive-Töne. Auch wenn der Nextone bei manchen Sounds doch noch spürbare Unterschiede zu einem Röhrenamp aufweist, lässt die Tube Logic-Technologie den Amp tatsächlich sehr authentisch und direkt wirken, wodurch er sich von seinem Verhalten, Klang und Spielgefühl her durchaus von herkömmlichen Transistoramps abhebt.

Clean – Mid Setting – alle Röhrentypen

Audio Samples
0:00
Clean – Mid Setting – alle Röhrentypen

Clean – Funky – Single Coils – Headroom Switch

Audio Samples
0:00
Clean – Funky – Single Coils – Headroom Switch

Clean – Jazzy  

Audio Samples
0:00
Clean – Jazzy

Fender Crunch 

Audio Samples
0:00
Fender Crunch

Nun wechsele ich zum “British Tonestack” in der EQ-Section. Der erste Eindruck ist, dass die minimale und typisch fendrige Aushöhlung der Mittenfrequenz einer Vox-artigen Mittenbetonung weicht. Daher wähle ich nun auch die EL84 als Endstufenröhre und erhalte mit meinen Humbuckern einen typischen Vox-Sound. Der klassische britische “Chime” wird noch dadurch verstärkt, dass ich den Tone-Switch aktiviere, wodurch die Hochmitten und Höhen wesentlich klarer zum Vorschein kommen.

Vox Crunch – Tone Switch Off  / Vox Crunch – Tone Switch On

Audio Samples
0:00
Vox Crunch – Tone Switch Off Vox Crunch – Tone Switch On

Im folgenden ist der Lead-Channel an der Reihe, bei dem der EQ auf British steht. Diesmal zeigt das Wechseln des Röhrentypus deutlichere Klangunterschiede, wobei mich hier die EL34-Variante ganz klar am meisten überzeugt. Der Zerrkanal wirkt ebenfalls durchsetzungsfähig und zeigt ein ziemlich dynamisches Verhalten, kommt für mich klanglich jedoch nicht ganz an die Lebendigkeit des Clean-Channels mit seinen feinen Crunch-Abstufungen heran. Interessanterweise fällt das Nichtvorhandensein der Röhre für mich hier minimal stärker ins Gewicht und äußert sich in einer leicht fehlenden Tiefe. Nichtsdestotrotz klingen auch Low-Gain-Sounds musikalisch und die Umsetzung von dynamischen Nuancen und sensibler Fingerspielweise klappt hervorragend.

Lead – Mid Setting – alle Röhrentypen

Audio Samples
0:00
Lead – Mid Setting – alle Röhrentypen

Lead – Low Gain 

Audio Samples
0:00
Lead – Low Gain

Lead – Mid Gain – Marshall-like

Audio Samples
0:00
Lead – Mid Gain – Marshall-like
Die klanglichen Stärken liegen bei Clean- bis Break-Up-Sounds, voxigen Crunchs und Marshallbrettern - Metal- oder Hi-Gain-Sounds kommen weniger überzeugend rüber.
Die klanglichen Stärken liegen bei Clean- bis Break-Up-Sounds, voxigen Crunchs und Marshallbrettern – Metal- oder Hi-Gain-Sounds kommen weniger überzeugend rüber.

Für High-Gain Metal-Sounds wähle ich ein Setting, wie man es z.B. von einem 5150 oder Rectifier erwarten würde, nämlich einen amerikanischen EQ, 6L6 Endstufenröhren und gescoopte Mitten. Kamen die britischen Classic-Rock-Sounds noch halbwegs authentisch rüber, überzeugen mich die Metalsounds hier nicht ganz, was einerseits mit der klanglichen Grundkonzeption, aber sicherlich auch mit der Wahl des Speakers zu tun hat. Die Zerrstruktur bricht in den Bässen etwas zusammen und wirkt zum “chuggen” etwas zu undefiniert. Letztendlich ist es jedoch schon eine reife Leistung, dass ein Amp mit einem bestimmten Speaker in der Lage ist, amerikanische Cleans, voxy Crunchs und britische Rockbretter abzuliefern.

Lead – High Gain – Tone Switch On

Audio Samples
0:00
Lead – High Gain – Tone Switch On

Der Soloswitch fungiert hier als reiner Cleanboost, der auf Zerrung und Sound keinen Einfluss hat. In der Minimalstellung erhält man Unity Gain und das Level-Poti kann für Solopassagen noch einige dB oben drauflegen. Hier hört ihr den Unterschied zwischen dem ungeboosteten Grundsound und dem Soloswitch auf 12 Uhr.

Lead – Mid Gain – Solo Switch

Audio Samples
0:00
Lead – Mid Gain – Solo Switch

Kommen wir nun zur Effektsektion, die sich am Amp zwar nur sehr rudimentär regeln lässt, im Editor jedoch für jeden Kanal unterschiedliche Einstellung mit deutlich mehr Parametern bereithält. Mein Tipp wäre hier definitiv, Grundsettings der jeweiligen Effekte am Rechner erstmal so zu tweaken, bis sie den Vorstellungen entsprechen, sodass man später nur noch die Intensität am Amp regeln muss.

Booster
Zur Auswahl stehen hier Clean, Mid, Vintage, Oct und Treble Boost, sowie Blues, Metal, Classic und Over Drive, wobei ab Werk pro Kanal jeweils ein anderes Modell festgelegt ist und die anderen im Editor angewählt werden können. Der Clean Boost ist hier der Vorstufe vorgeschaltet und hat dadurch natürlich auch Einfluss auf den Zerrgrad, der sehr transparent wirkt, wobei der Bluesdriver seine typische Mittencharakteristik mitbringt. Die anderen Booster bieten eine sehr breite Palette an Sounds, mit denen sich der cleane Ampsound nochmal ordentlich verbiegen lässt.

No Boost / Clean Boost / Blues Drive

Audio Samples
0:00
No Boost Clean Boost Blues Drive

Delay
Die Delay/Tremolosektion kommt in gewohnter Bossqualität. Wählt man den Tremoloeffekt, muss man zwar auf das Delay verzichten, aber der Nextone versteht sich auch nicht primär als Multieffekt-Modeller mit Effektsektion, sondern steht eher in der Tradition klassischer Ampmodelle, die damals ebenfalls mit Tremolos ausgestattet waren. In den Folgebeispielen hört ihr das Analogecho und mit dem SDE3000 eine Simulation des Roland-Klassikers von 1983, die noch einen Modulationseffekt mitbringt.

Analog Delay / SDE3000 plus Modulation

Audio Samples
0:00
Analog Delay SDE3000 plus Modulation

Reverb
Auch der Reverb überzeugt durch gute Klangqualität und eine üppige Auswahl an Reverb-Typen. Sowohl große Hallräume als auch geschmackvolle Federhall-Sounds sind mühelos umzusetzen.

Plate Reverb / Spring Reverb

Audio Samples
0:00
Plate Reverb Spring Reverb

Attenuator
Ein tolle Dreingabe ist der integrierte Attenuator, der eine relativ engmaschige Pegelung der Gesamtlautstärke erlaubt, ohne dass sich der Grundsound drastisch verändert. Die niedrigste Einstellung ermöglicht das Spielen in Zimmerlautstärke, wobei der Master-Regler hier auch noch großzügige Spielräume bietet.
Ihr hört dasselbe Riff in bei Einstellungen von Max, 60W, 40W, 20W und 0,5W.

Attenuator – not normalised

Audio Samples
0:00
Attenuator – not normalised

Line Out
Die Line-Outs sind mit Speakersimulationen belegt, die laut Website-Text auf Faltungsbasis beruhen. Die drei Settings, die rückseitig schaltbar sind, liefern sehr unterschiedliche, aber allesamt brauchbare Ergebnisse. Etwas schade finde ich, dass die Cabsimulation nicht gänzlich deaktivierbar ist und somit Spielraum für eigene IRs bietet, die man in der DAW lädt.

DI Clean – Rec – Live – Blend

Audio Samples
0:00
DI Clean – Rec – Live – Blend

DI – Lead – Rec – Live – Blend

Audio Samples
0:00
DI – Lead – Rec – Live – Blend
Anzeige

Fazit

Der Boss Nextone Special ist ein tadellos konzipierter, astrein verarbeiteter und extrem flexibler Amp. Egal, ob Wohnzimmer oder Clubbühne, der Verstärker weiß in allen Szenarien zu punkten. Klanglich würde ich die Stärken des Amps sowohl bei fendrigen Cleans bis Break-Up-Sounds, bei voxigen Crunchs, aber auch bei brizzeligen Marshallbrettern sehen. Weniger überzeugend fand ich Metal- oder Hi-Gain-Sounds, was ich bei der grundlegenden Vielseitigkeit des Nextones jedoch nicht als tragisch empfinde. Die Tube Logic-Technologie zeigt sich als extrem dynamische und reaktionsfreudige Schaltung, und auch wenn für mich der Unterschied zum Röhrenamp noch spürbar und bei den Zerrsounds auch klar hörbar ist, erhält man hier mehr Tube-feeling als bei den meisten anderen Solid-State-Amps. Die Effektsektion und auch der Editor liefern tolle und vielseitige Möglichkeiten der Klanggestaltung und durch den Attenuator und die frequenzkorrigierten Line-Outs qualifiziert sich der Combo auch für heimische Recording- und Übe-Szenarien. Was die Preisgestaltung angeht, erhält man hier sicherlich eine Menge Optionen, Flexibilität und Robustheit für sein Geld, andererseits liegt der Nextone mit knapp 900 Euro auch im Bereich von durchaus hochwertigen Röhrencombos, die aber andererseits auch weniger flexibel sind. Insofern gilt es hier, die persönlichen Bedürfnisse und Präferenzen abzuwägen. Qualität und Funktionalität ergeben jedenfalls ein stimmiges Paket.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • klangliche Flexibilität
  • Grundsound (mit Einschränkungen s.o.)
  • intuitiver und effektiver Editor
  • Power-Attenuator
  • tadellose Verarbeitung
Contra
  • leichte klangliche Abstriche im Mid- bis High-Gain Bereich
Artikelbild
Boss Nextone Special Test
Für 889,00€ bei
Die Stärken des Boss Nextone Special sind seine klangliche Flexibilität mit guten Grundsounds und einem intuitiven und effektiven Editor.
Die Stärken des Boss Nextone Special sind seine klangliche Flexibilität mit guten Grundsounds und einem intuitiven und effektiven Editor.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Boss
  • Name: Nextone Special
  • Typ: zweikanaliger Gitarrencombo
  • Herstellungsland: Malaysia
  • Bauweise: Transistor, Tube Logic Technologie
  • Leistung: 80 W
  • Bestückung: 1x 12″ Custom Waza B12W Lautsprecher
  • Gehäuse: Open Back
  • Anschlüsse: Input, Send, Return, Headphones/Rec Out (jeweils 6,3 mm Klinke), Line-Out (XLR und Klinke), USB In, 2x Footswitch In, MIDI out, 3x Speaker-Out (1x8Ohm, 2x16Ohm)
  • Regler: 27 Potis
  • Schalter: On/Off; 16 Mini-Taster; Air Feel Button
  • Abmessungen (B x T x H): 62 x 25 x 52cm
  • Gewicht: 17 kg
  • Ladenpreis: 899,00 Euro (Februar 2021)
Hot or Not
?
Boss_Nextone_Special_Combo_001_FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Subtle Compressor Tones with the Wampler Mini Ego 76 Compressor!
  • Fender American Professional Classic Stratocaster HSS | First Look
  • Quilter Labs Elevate – Review & Sound Demo | Modeling reimagined?