Das Apollo Twin von Universal Audio verspricht uns Gitarristen Aufnahmen mit authentischen Plug-Ins, niedriger Latenz und einem Spielgefühl wie beim Original-Röhrenamp. Das sind handfeste Aussagen, aber wie wir gelernt haben, müssen die Sprüche von Marketingspezialisten nicht unbedingt immer mit der Realität kompatibel sein. Das Apollo Twin Duo hat mein Kollege Nick Mavridis bereits im Recording-Einsatz getestet, weshalb ihr dort auch viele Details über das Audio Interface findet. Heute soll es primär um die Anwendung für Gitarristen gehen, denn Universal Audio bietet mittlerweile eine ganze Reihe von Plug-Ins speziell für das Gitarrenrecording an. Beim Apollo Twin sind als Grundausstattung für den Gitarrensound die Amp-Rooms von Softube und eine Software-Version des Rat-Distortion an Bord, im UAD-Store werden aber zusätzlich einige interessante Nachbildungen legendärer Amps angeboten.
Allen voran der “Heilige Gral des Rock”, der Marshall SLP1959, besser bekannt als “Marshall-Plexi”, der ebenfalls vom schwedischen Software-Hersteller Softube für die UAD-Plattform entwickelt wurde. Satte 199 Dollar soll man dafür hinblättern. Ob das Plug-In diesen Preis wert ist, werdet ihr im folgenden Test erfahren.
Details
Apollo Twin
Die Details zum Apollo Twin findet ihr in Nicks Test, deshalb hier nur kurz die Eckdaten: Das Apollo Twin ist ein Audio-Interface in Desktop Format mit Thunderbolt-Anschluss für den Mac. Das Betriebssystem sollte mindestens Mac OS X 10.8.5 (Mountain Lion) sein und es werden 4 GB Speicherplatz benötigt. Die Anschlüsse sind sinnvoll verteilt, Hi-Z Input für die Gitarre und Headphone Out haben auf der Vorderseite ihren Platz eingenommen, während der Rest rückseitig angebracht ist. Die Stromzufuhr des Audio-Interfaces läuft über ein eigenes Netzteil, denn unser Testkandidat hat zwei eigene Sharc DSP Prozessoren, die mit Energie versorgt werden müssen. An dieser Stelle wird es für uns Gitarristen interessant. Während “normale” Audio-Interfaces nur für die Wandlung des Signals zuständig sind und man als Gitarrist die Plug-Ins aus dem Computer ansteuern muss, haben wir beim Apollo Twin den Vorteil, dass sich dort der Interface-eigene Prozessor um sie kümmert. Das bedeutet, dass das Spielgefühl dem bei einem digitalen Effektgerät entspricht. Kein Vergleich also zu Low Latency Aufnahmen über Rechner-interne Plug-Ins, z.B. bei Logic mit einem hochwertigen Interface. Ich habe beim Test A/B-Vergleiche mit meinem Marshall Plexi gemacht, der im Regieraum steht und die mikrofonierte Box im Aufnahmeraum. Wenn ich nun den Original-Amp und das Plug-In über meine Abhörboxen im Regieraum beim Spielen anhöre, hatte ich nicht das Gefühl, dass das Plexi Plug-In träger war. Wie es mit der Reaktion und der dynamischen Ansprache aussieht, werden wir nun genauer untersuchen.
Marshall Plexi Super Lead 1959
Das Plug-In kommt aus der schwedischen Softwareschmiede Softube und wurde in enger Zusammenarbeit mit Marshall kreiert. Zu diesem Zweck stellte Marshall den Entwicklern einen SLP1959 aus dem hauseigenen Museum zur Verfügung, ein Modell aus dem Jahre 1967, das bei Marshall als Referenz für den typischen Plexi-Sound dient. Als Toningenieur war Tony Platt im Einsatz, er kennt sich mit Marshall-Sounds hervorragend aus – immerhin war er unter anderem für die Aufnahmen von AC/DCs Highway To Hell und Back In Black zuständig und entsprechend detailverliebt wurde auch gearbeitet. So hat man beispielsweise neben der normalen Klangregelung auch die Soundunterschiede beim “Patchen” der Eingangskanäle eingefangen. Die Box (1960 BHW) wurde für die Modeling-Session mit unterschiedlichen Mikrofonen abgenommen, davon jeweils zwei direkt am Lautsprecher und eines im Raum. Das Ganze steht in drei Gruppen zur Verfügung:
Für dich ausgesucht
Gruppe | Mic 1 | Mic 2 | Raum-Mic |
---|---|---|---|
Valve | Neumann U67 | Neumann U67 | AKG C12 |
Fet | Josephson E52 | Neumann U87 | Coles 4083 |
Dynamic | Shure SM57 | Sennheiser E 609 | Neumann U87 |
Die Mikrofone können einzeln in der Lautstärke gemischt werden, zusätzlich gibt es einen Master-EQ mit Bässen und Höhen.
Es bieten sich also auch auf der Ebene der Mikrofonierung viele Möglichkeiten, den Klang zu formen, was auch sehr gut funktioniert und realistisch klingt. Man sollte allerdings mit dem Raum-Mikro etwas sparsam sein, wenn es in Kombination mit den anderen eingesetzt wird, denn da tritt unter Umständen die eine oder andere Phasenproblematik auf. Das würde ich aber nicht als als echtes Manko sehen, denn manche Tontechniker benutzen solche Sounds bewusst, um die Gitarre etwas schlanker zu gestalten. Es kommt halt immer auf die Dosis an. Was mir tatsächlich nicht so gut gefallen hat, war der Eifer des Grafik-Designers, unbedingt einen Vintage-Look darstellen zu müssen, der sich zum Beispiel in einem sehr unleserlichen Mitten-Regler ausdrückt. Aber das ist eher eine Nebensächlichkeit.
Markus Galla sagt:
#1 - 18.08.2015 um 07:12 Uhr
Also entweder höre ich falsch oder hier wird gezielt Marketing betrieben. Dass durch unterschiedliche Mikrofonierung, Mikrofontypen und selbst Gitarren ein Plugin und das Original anders klingen, ist verständlich. Aber der Test des Reaktionsverhaltens beim Zupfen und beim Zurückdrehen des Potis zeigt doch deutlich die Schwächen des Plugins im Vergleich zum realen Amp. Beim Zurückdrehen passiert beim Plugin gar nicht viel, außer einer Lautstärkeabnahme. Erst ganz am Schluss sinkt tatsächlich auch die Verzerrung rapide. Ganz anders beim echten Verstärker. Hier ändert jede kleine Drehung am Volume-Poti den Grad der Verzerrung und den Klang, während sich die Lautstärke kaum ändert. Beim Zupf-Klangbeispiel hat der Plexi mehr Nuancen als das Plugin. Beim Strat-Beispiel scheint sich beim Plugin die Resonanz-Frequenz der Strat verschoben zu haben. Hier wäre noch einmal interessant, wie sich das Plugin verhält, wenn der Gesamtwiderstand aus Amp-Eingang, Kabel und Gitarre tatsächlich für beide Probanden exakt gleich ist. Gerade Strats reagieren ja sehr empfindlich auf Schwankungen. Nicht, dass das Plugin schlecht klingt. Es klingt wirklich gut. Aber es ist m. E. für sich zu betrachten und nicht mit einem richtigen Amp zu vergleichen. Das ist etwas, das mir bei allen digitalen Emulationen aufstößt, dass man immer meint, man müsse sich an einem Vorbild messen (für das Marketing vielleicht sinnvoll), statt einen eigenen Klang zu formen. Viele Signature Sounds würde es heute nicht geben, wenn man immer nur Dinge kopiert hätte, die es schon gibt. Wo bleibt die Innovation? Das ist wie mit den Leuten, die sich ein Boss Pedal kaufen, das einen Federhall digital simuliert.....früher hatte jeder Amp einen Federhall.
Thomas Dill - bonedo sagt:
#2 - 18.08.2015 um 13:43 Uhr
Hallo MarkusDanke für Deinen Kommentar, aber gezieltes Marketing wirst Du bei unseren Tests nicht finden. Es wird immer die unverblümte, ehrliche Meinung geschrieben.Was den Vergleich von Plug-In und Original Amp betrifft, bin ich der Meinung, dass man schon mal einen klanglichen Vergleich anstellen darf, aber selbstverständlich nur die aufgenommenen Signale betreffend. Denn der Hersteller gibt ja schließlich an, dass das Plug-In den Marshall Plexi Sound erzeugen kann. Ob man so etwas innovativ nennen kann, sei dahin gestellt, aber ich bin ehrlich gesagt dankbar, dass ich auch unterwegs mit einem Notebook vernünftige Gitarrenaufnahmen machen kann und gewisse Standardsounds im Taschenformat und bei Zimmerlautstärke zur Verfügung habe.Schöne GrüßeThomas
maria sagt:
#2.1 - 18.08.2015 um 22:40 Uhr
>> unterwegs mit einem Notebook vernünftige Gitarrenaufnahmen machen kann<<echt, machst Du das und auch mit Kopfhörer ? dann wundert mich nicht, dass Du die Signale nicht unterscheiden kannst ;-)na klar, man KANN so Musik machen und sogar Gitarren aufnehmen, aber das hat nichts mit dem zu tun, was Markus zurech anspricht. UAD ist schon ein ziemliches Placebo für viele , die nicht hören können bzw die Original noch nie gehört haben. Gerade was EQs und Comps betrifft färben die Plugins so oder auch mal anders. Sehen dabei aber eben super aus. Das ist absolut ok und auch das Bonedo an Thomann hängt wie das Kälbchen an der Kuh , und Thomann mit Abstand der größte UAD Reseller in der EU ist - auch das ist schnuppe , weil das jeder weiß und auch das zum Glück nicht verboten ist, aber dass Du hier Zerre und Sättigung nicht vom PlugIn unterscheidest ist schon etwas verpeilt ;-)
Antwort auf #2 von Thomas Dill - bonedo
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenSchoenfaerber sagt:
#2.1.1 - 19.08.2015 um 08:26 Uhr
Ok, also ein Hardware 1176 färbt, und ein Neve EQ auch. Jedes einzelne Gerät der gleichen Serie kann unterschiedlich stark färben und das hat seine Ursachen. Das ist vollkommen normal, wie du sicherlich weisst.Die Frage ist doch, welches Gerät einer Serie letztendlich emuliert wurde und welchen Umwelteinflüssen, Gebrauch etc. es ausgesetzt war. Und was hat eigentlich Thomann damit zu tun? Was ist ein Plug-In Placebo? Und warum beleidigst du eigentlich UAD Kunden als taube Nüsse? Fragen über Fragen...
Antwort auf #2.1 von maria
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