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Twisted Electrons TherapKid Test

Der vielseitige 8-Bit Wavetable-Synthesizer TherapSid Mk II von Twisted Electrons hat Nachwuchs bekommen: Den TherapKid.  Beide TherapSiden (übrigens eine Wirbeltiergattung, die im Trias-Zeitalter noch vor den Dinosauriern die Erde beherrschte) stammen soundtechnisch aus der Frühzeit der digitalen Klangerzeugung und ziehen ihren Klang aus SID-Chips, mit denen einst die Commodore C64 und C128-Heimcomputer bestückt waren. Wer kennt nicht die durchdringenden bis schrägen Klänge, mit denen seinerzeit die Computerspiele orchestriert waren. Synthesizer mit SID-Chips gibt es mittlerweile einige, das ging schon 1998 mit dem ersten Elektron-Produkt los, der legendären Sidstation. Mittlerweile gibt es eine kleine aber verschworene Musikergemeinde, die sich mit großem Enthusiasmus demChiptune-Sound widmet.

Twisted Electrons TherapKid Test (Foto: Christine Mangels)
Twisted Electrons TherapKid Test (Foto: Christine Mangels)


Auch Twisted Electrons aus Frankreich haben sich auf Instrumente mit 8-Bit-Ästhetik spezialisiert und zeigten bereits mit der Acid8 Mk II, das diese Form der Klangerzeugung nicht nur für nerdige LoFi-Experimente, sondern auch für moderne Clubproduktionen und Liveacts sehr gewinnbringend sein kann. Mit dem TherapSid schufen sie dann einen Desktop-Synth, der sich dem Thema SID in aller Tiefe widmet, so konnten User z. B. ihre eigenen SID-Chips einbauen. Die ersten SID-Chips in Homecomputern waren die Modelle MOS6581, die sich durch einen grobkörnigen Klang auszeichneten. Nachfolgemodelle wie der 8580 klangen deutlich sauberer und weisen weniger Störgeräusche auf, dafür ist der Filter kräftiger und resonanzfähiger.

Twisted Electrons TherapKid (Foto: Christine Mangels)
TherapKid ist ein kompaktes Chiptune-Instrument, mit vielen Möglichkeiten.

Details

Alte SID-Chips sind allerdings immer schwerer zu finden und so haben Twisted Electrons aus der Not eine Tugend gemacht, die gesuchtesten Eigenschaften dieser beiden Chips in einem DSP zusammengeführt und darum herum den TherapKid konzipiert. Der Kleine wurde schon im April vorgestellt, ist aber nun endlich auch erhältlich. Als Mini-Variante zum großen Sid kommt der Kid in einem 185 x 95 x 30 mm kleinen und 700 g leichten Gehäuse mit stabiler Metallwanne und aufgeschraubter glatter schwarzer Oberfläche und wirkt ähnlich robust wie die bereits in diesem Jahr vorgestellten Acid8 Mk III und hapiNES L. TherapKid ist wie seine Sequenzer-bestückten Kollegen USB-powered und findet auf der Rückseite mit 3,5 mm Miniklinkebuchsen Anschluss an die Außenwelt. In diesem Fall reicht ein MIDI-Eingang und ein Mono-Audioausgang. Ein passendes MIDI-Adapterkabel und ein USB-Kabel liegen dem Gerät bei.

Im Lieferumfang des Twisted Electrons TherapKid sind lediglich ein MIDI-Adapterkabel und ein USB-Anschlusskabel enthalten. (Foto: Christine Mangels)
Im Lieferumfang des Twisted Electrons TherapKid sind lediglich ein MIDI-Adapterkabel und ein USB-Anschlusskabel enthalten. (Foto: Christine Mangels)

Erster Eindruck

Die Oberfläche ist mit 16 Mini-Potentiometern, 21 weiß hintergrundbeleuchteten Druckschaltern und einem zweistelligen LC-Display voll bestückt, zwei kleine schwarze Minidruckknöpfe neben dem LCD dienen zur Anwahl und zum Speichern der 50 Presets. Weil die Potis nur als nackte schwarze Schäfte ausgelegt sind, ist auch für kräftige Finger genug Platz zwischen den einzelnen Bedienelementen. Schön, dass dank einer weißen Markierung die Position eines Potis sofort erkennbar ist. Schon beim Betrachten des klar gegliederten Bedienpanels fällt auf, dass das kleine Kid funktionsmäßig nicht ganz mit dem großen Sid mithalten kann: Nur zwei Wavetable-Voices und zwei LFOs statt jeweils drei und nur eine Voice ist mit Reglern für Glide und Tune bestückt. Nur eine ASR-Hüllkurve beim Kid, während der Sid eine ADSR-Envelope pro Voice hat.
Der TherapKid hat aber auch einige eigene Spezialitäten auf Lager: Dank seiner virtuell-digitalen DSP-Seele kann pro Voice jede der vier Wellenformen unabhängig von den anderen in der Lautstärke und dem Tuning geregelt werden, was mit originalen SID-Chips nicht möglich ist. Genau dazu dienen dann auch die physikalisch nur einmal vorhandenen Regler für Tune, Glide und Mix. Zusätzlich ist der TherapKid duophon spielbar, so dass zweistimmige Klänge aus bis zu acht individuell gestimmten Wellenformen machbar sind: Schön für zweistimmige Riffs und komplexe Drones. Das digitale Filter verfügt neben Tiefpass, Bandpass und Hochpass auch über einen Notchfilter, der dem großen Bruder fehlt. Dafür vermisse ich beim Kid eine Anzeige, welches Filtermodell gerade angewählt ist. Das muss man sich merken.

Fotostrecke: 5 Bilder Rundgang: der Twisted Electrons TherapKid von vorne (Foto: Christine Mangels)

Modern Retro

Also alles 8-Bit LoFi? Nicht ganz. Der kleine Synth ist ja anstelle echter SID-Chips komplett DSP-basiert von einem 96-MHz-32-Bit-Prozessor angetrieben. Die Klänge werden von einem 16-Bit-DAC mit Oversampling und Filter ausgegeben. Also Retro-Sound, der mit moderner Hardware erzeugt wird und zu vielschichtigen Finetunings und komplexen Modulationen fähig ist. Fünfzig Presets können gespeichert werden, das Teil ist via USB und einer großzügigen MIDI-Controller-Zuordnung präzise von einer DAW kontrollierbar und bietet dennoch genügend Echtzeiteingriffsmöglichkeiten. Wie das dann klingt, wollen wir im Praxisteil herausfinden.

Der Twisted Electrons TherapKid ist eine richtig flache Flunder und passt auch noch ins kleinste Gepäck. (Foto: Christine Mangels)
Der Twisted Electrons TherapKid ist eine richtig flache Flunder und passt auch noch ins kleinste Gepäck. (Foto: Christine Mangels)
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Praxis

Die meisten Twisted Electrons Instrumente wirken durch den integrierten Step-Sequenzer sehr autark. Der sequenzerlose TherapKid dagegen ist wie gemacht für die Arbeit mit der DAW. Das Instrument taucht in Ableton als MIDI-Device auf und ist sofort anspielbar. Wird TherapKid über MIDI verwendet, kann einer von 16 MIDI-Kanälen festgelegt werden.  Alle acht Waveformen lassen sich per MIDI-CC-Messages in der Lautstärke und dem Tuning regeln, entweder in der DAW oder mit einem ausgewiesenen MIDI-Controller. Weitere Parameter im MIDI-CC-Zugriff sind: Cutoff und Resonance des Filters, Rate und Depth der beiden LFOs, Rate und Range des Arpeggiators, die ASR-Hüllkurve, die jeweilige Pulsweite der beiden Rechteckwellen sowie Mix, Glide und Tune. 

Der Twisted Electrons TherapKid bietet auf seiner sehr übersichtlichen Oberfläche viel direkten Zugriff zu den klangverändernden Funktionen. (Foto: Christine Mangels)
Der Twisted Electrons TherapKid bietet auf seiner sehr übersichtlichen Oberfläche viel direkten Zugriff zu den klangverändernden Funktionen. (Foto: Christine Mangels)

Handhabung

Das Bedienkonzept ist überraschend einfach und elegant gehalten: Einfach einen Waveform-Button gedrückt halten und dann diese mit Tune oder Mix in der Tonhöhe oder Lautstärke verstellen. Irgendeinen Regler drehen und den LFO-Paarungsbutton drücken, schon ist der entsprechende Parameter dem LFO zugeordnet. Obwohl nur jeweils ein physikalischer Tune- und Mixregler vorhanden sind, können damit ganz unkompliziert alle acht Wellenformen geformt werden. Einziges Manko: Weil man stets zwei Hände braucht, um z. B. die Lautstärkeverhältnisse anzupassen oder das richtige Tuning zu wählen, fehlt die Hand zum Spielen. Therapkid mit einer externen Tastatur spielen und gleichzeitig daran schrauben ist also nur bedingt möglich, hier ist User auf die Hilfe eines notenspendenden Sequenzers angewiesen. Allerdings heiligt der Zweck die Mittel, denn trotz weniger Bedienelemente ist jeder Parameter im direkten Zugriff.

Herzhaftes Schrauben ist bei den kleinen Poti-Schäften nur bedingt möglich. Aber das ist bei Volca & Co. ja auch so. (Foto: Christine Mangels)
Herzhaftes Schrauben ist bei den kleinen Poti-Schäften nur bedingt möglich. Aber das ist bei Volca & Co. ja auch so. (Foto: Christine Mangels)

Wellenformen

Während der große Bruder TherapSid bei jeder seiner drei Voices über die gleichen vier Wellenformen verfügt (Rechteck, Dreieck, Sägezahn und Rauschen), hat Twisted Electrons beim TherapKid die Wellenformen auf dessen beiden Voices etwas aufgeteilt: Voice 1 kommt mit Rechteck, Dreieck, negativem Sägezahn und Rauschen daher, während Voice 2 mit Rechteck, Sinus, positivem Sägezahn und Rauschen dagegenhält. Die beiden Rechteckwellen sind in der Pulsweite einstellbar, alle acht Wellenformen wie bereits erwähnt in Lautstärke und Stimmung modulierbar. Das ist auch das eigentliche Killerfeature, mit dem der kleine Twisted Electrons-Sproß dem großen Sid bauartbedingt voraus ist. 

Die Wellenformen im Einzelnen: Voice 1: Rechteck, Dreieck, negativer Sägezahn und Rauschen, Voice 2: Rechteck, Sinus, positiver Sägezahn und Rauschen. (Foto: Christine Mangels)
Die Wellenformen im Einzelnen: Voice 1: Rechteck, Dreieck, negativer Sägezahn und Rauschen, Voice 2: Rechteck, Sinus, positiver Sägezahn und Rauschen. (Foto: Christine Mangels)

Filter

Die beiden ursprünglichen SID-Chip-Typen haben jeweils 100% analoge Filter.  Der MOS6581 hat einen schmutzigeren Klang, aber weniger Resonanz, der spätere 8580 hat eine bessere Auflösung, gilt aber in der Chiptune-Szene als weniger charakterstark. Da der Therapkid hundertprozentig auf DSP basiert, haben Twisted Electrons die jeweiligen Kerneigenschaften miteinander kombiniert. So verfügt der Filter-Cutoff über eine zufällige Rauschmodulation, um wie das Filter des 6581 zu “rumpeln”, aber mit einer stärkeren Resonanz, so wie der modernere 8580-Chip. Das digital codierte Chamberlin-Filter (A State Variable) mit 12 dB/ Oktavabsenkung, hat neben Tiefpass, Bandpass und Hochpass auch einen Notchfilter, der dem großen Bruder fehlt. 

Das 12 dB-Multimode-Filter kann Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Notch. (Foto: Christine Mangels)
Das 12 dB-Multimode-Filter kann Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Notch. (Foto: Christine Mangels)

LFO

Der LFO macht richtig Spaß. Flugs zugeordnet kann man ihn wunderbar herumwabern lassen und für gegenrhythmische Verläufe auch schnell mal den Retrigger rausnehmen, so dass bei einer neuen Note der LFO nicht neu gestartet wird. Richtig sprudelig wird es, wenn man mit dem ersten LFO den Cutoff des Filters moduliert und mit dem zweiten LFO die Schwingungsrate des ersten. Wer auf diese dicken, knarzigen, gegen den Rhythmus schabenden Bass-Drones steht, dürfte von TherapKid völlig begeistert sein. Für diese Spezialdisziplin der elektronischen Tanzmusik braucht es dann auch keine flotten und knackigen Hüllkurven.

Die beiden LFOs bringen ordentlich Bewegung in die SID-Klangwelt des Twisted Electrons TherapKid. (Foto: Christine Mangels)
Die beiden LFOs bringen ordentlich Bewegung in die SID-Klangwelt des Twisted Electrons TherapKid. (Foto: Christine Mangels)

Der kleine TherapKid muss nämlich mit nur einer einzigen Hüllkurve klarkommen und die ist nicht besonders perkussiv. Leider besteht sie auch nur aus drei Stufen, nämlich Attack, Sustain und Release. Gerade wenn man den TherapKid mit einem Step-Sequenzer wie dem Max for Live Device Rozzer befeuert, dessen Noten eine fixe Länge haben, wäre ein Decay-Parameter wichtig für knackige Klänge. In Ableton Live habe ich mir mit dem Note Length MIDI-Effekt beholfen, aber das ist nur ein Workaround. Ein weiterer Trick wäre es, mit einen der LFOs die Notenlänge zu modulieren.

Audio out und MIDI-In, dazu ein Mini-USB-Anschluss - that’s it. (Foto: Christine Mangels)
Audio out und MIDI-In, dazu ein Mini-USB-Anschluss – that’s it. (Foto: Christine Mangels)

Sonstiges

Einige Parameter können nicht direkt angewählt, sondern müssen durchgesteppt werden, so z. B. auch das Modell des Multimodefilters. Gleiches gilt für den Arpeggiator-Mode: Hier sind Up, Down, Up/Down und Random möglich. Der jeweils angewählte Modus wird sehr kurz und kryptisch im zweistelligen LCD angezeigt. Schade auch, dass ein Sound nur auf dem angewählten Preset speicherbar ist, also nicht ein neuer Speicherplatz angewählt werden kann. Es lohnt sich also, neue Soundkrationen grundsätzlich von einem Speicherplatz anzugehen, den man dann mit dem Ergebnis auch Überschreiben möchte. Zum Anwählen der Presets muss man sich bis zum gewünschten Sound Schritt für Schritt durchschalten.

Trotz der wenigen Bedienelemente ist der TherapKid sehr vielseitig kontrollier-und modulierbar. (Foto: Christine Mangels)
Trotz der wenigen Bedienelemente ist der TherapKid sehr vielseitig kontrollier-und modulierbar. (Foto: Christine Mangels)

Für wen ist das?

TherapSid und TherapKid sind zwei wirklich feine Hardware-Teile für die Freunde von Chiptune-Sounds, aber eben nicht nur. Durch ihre raue, klare Klangstruktur klingen die Geräte im Mix sehr durchsetzungsfähig und bieten eine gute Grundlage für die Nachbearbeitung durch Delay, Reverb oder sonstige Effekte. TherapSid ist mit jeweils drei Voices, Hüllkurven und LFOs das eindeutig potentere Gerät. Die Stärken des TherapKid sind das individuell mögliche Tuning der acht Wellenformen, die Duophonie, die bequeme USB-Anbindung an die DAW und für manchen sicherlich auch der extrem portable Formfaktor. Freunde von dumpf wabernden bis völlig krass verstimmten LFO-Drones dürfen sowieso bedenkenlos zuschlagen.

Audiobeispiele zu Twisted Electrons Therapkid

Audio Samples
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LFO-Bass-Pad mit Tiefpassfilter LFO-Bass-Pad mit Bandpassfilter LFO-Bass-Pad mit Hochpassfilter Bass-Pad mit Tiefpassfilter und zwei LFOs Extremer LFO mit Verstimmungen Bass-Drone Synthi-Pop Lucky Pulse-Arpeggio breaking bad Moduliertes Arpeggio Gamesoundtrack-Arpeggio Duophone Melodie Duophone Rave-Hook Sequenz mit Rozzer Max 4 Live Device Glide-Sequenz mit Rozzer Max 4 Live Device TherapKid needs Therapy

Im Video zeigt der Twisted Electrons TherapKid seine Muskeln: in vier Situationen werden die LFOs, die Wellenformen, die Tuning-Möglichkeiten und der Arpeggiator demonstriert.
Twisted Electrons therapKid Sound Demo (no talking)

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Fazit

Der DSP-basierte TherapKid ist nicht nur die kleine Variante des großen TherapSid mit richtigen SID-Chips, sondern besitzt auch Fähigkeiten, die sein großer Bruder nicht zu bieten hat. Vorteilen, wie freies Tuning der acht Wellenformen, Duophonie und bequeme USB-MIDI-Einbindung stehen Nachteile, wie die sehr eingeschränkte Hüllkurve gegenüber. Manch einer wird sich aber schon allein in die fetten LFO-Sequenzen verlieben, die mit dem kleinen 8-Bit-Synthesizer ein Kinderspiel sind. Und auch all jene, die der Elektron Sidstation nachtrauern, oder sich einfach ein kompaktes Chiptune-Instrument mit guter Kontrollierbarkeit wünschen, sollten sich den TherapKid einmal anschauen. 

PRO
  • Kompakter Formfaktor
  • Intuitiver, direkter Zugriff auf viele Parameter
  • Gut spielbarer LFO
  • Arpeggiator
  • Duophon spielbar
  • USB-MIDI
  • Acht Wellenformen
  • Acht Oktaven
  • Digitales Multimodefilter
CONTRA
  • Sound nur auf dem angewählten Preset speicherbar
  • Nur eine etwas langsame Hüllkurve ohne Decay-Parameter
  • Kein Kopfhörerausgang
TherapKid ist ein kompaktes Chiptune-Instrument, mit vielen Möglichkeiten.
TherapKid ist ein kompaktes Chiptune-Instrument, mit vielen Möglichkeiten.

Weitere Informationen zu diesem Produkt gibt es auf der Website des Herstellers.

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