“Mach’ ma’ Hall!” zu rufen kann sich der technikaffine Sänger in Zukunft vielleicht sparen – möglicherweise genügt ein Tritt mit dem Fuß auf das kleine, rote Voicetone. Doch ob die kleine Mine tatsächlich imstande ist, den Vocal-Hall des FOH-Mischers zu ersetzen? Oder eignet sich das TC Helicon R1 nur für kleinere Gigs ohne Mischer oder gezielte Reverb-Akzente?
Neben der reinen Betrachtung der Qualität der Hardware und der Nachhall-Generierung muss also auch der mögliche Einsatzzweck unter die Lupe genommen werden. Das kleine Gerät für den Proberaum- und Bühnenboden entstammt der Voicelive-Famile, die aus einer ständig wachsenden Anzahl spezialisierter Vocal-Effekte besteht.
Das an einen typischen Gitarrenverzerrer erinnernde Metallgerät ist an seiner Unterseite mit einer großen, roten Gummifläche gegen Verrutschen gesichtert. Sonderlich fragil wirkt das Gerät nicht, dafür sorgt besonders das Gehäuse aus Druckguss. Mittig wartet der Fußschalter darauf, dass ein Sänger das Reverb aus dem Dornröschenschlaf (also dem Bypass-Modus) erweckt. Im Falle der Aktivität kündet eine mittig auf dem Gerät angebracht rote LED von diesem Status – umringt von Produktbezeichnungen und einem grafischen Designelement (das man nun wirklich nicht lieben muss).
Über die XLR-Buchse wird das Signal des Mikrofons in das TC geschickt. Neben dynamischen können dies auch phantomgespeiste Kondensatormikros sein, denn die dafür nötigen 48 Volt stellt das Gerät bereit – ständig. Was sich nett anhört, kann für manche seltenen Sonderfälle unter den Mikrofonen nicht so angenehm sein. Nicht umsonst lässt sich an Mikrofonvorverstärkern üblicherweise die Phantomspeisung separat schalten. Eine zweite LED (rechts oben auf dem Gehäuse neben dem Firmennamen) berichtet von anliegendem Signal am Mikrofoneingang, indem sie grün leuchtet. Bei Peaks übernimmt sie eine Warnfunktion und leuchtet rot auf. Dreht man das flache Gainpoti an der linken Seite ganz auf Linksanschlag, können auch Line-Signale verarbeitet werden. Dadurch ist es möglich, mehrere Voicetones in Reihe zu schalten, ganz andere Geräte zwischenzuschalten und bei Bedarf einen anderen Preamp zu benutzen.
Es muss übrigens ein Netzteil sein, das die kleine Kiste mit elektrischem Saft versorgt, denn ein Batteriebetrieb ist vor allem aufgrund des durstigen Mikrofonvorverstärkers nicht möglich. Für die Audioqualität ist das generell ein posititves Indiz – wenngleich 5,8 Watt kein sonderlich hoher Verbrauch sind. Statt der mitgelieferten „12V-Wandwarze“ kann man bei größeren Setups natürlich auch auf “Kleinkraftwerke” à la Fuel Tank zurückgreifen.
Auf der Gehäuseoberseite befinden sich nur zwei Regler. TC Helicon scheinen den Ansatz vom einfach zu bedienenden Gerät ernstzunehmen, denn neben der Umschaltung der acht verfügbaren Presets mit dem linken Regler befindet sich noch ein Dry-/Wet-Regler mit Mittenrastung, welcher das Verhältnis von bearbeitetem und “trockenem”, unbearbeitetem Signal bestimmt. Auf der dem Sänger abgewandten Seitenwand wartet übrigens eine kleine USB-Buchse (Mini-A). Wer hofft, dass sich darüber zumindest einige wichtige Parameter der Presets am Rechner verändern und dauerhaft im Gerät speichern lassen, den muss ich leider enttäuschen: Das geht nicht, die Datenverbindung kann im Wesentlichen nur für Firmware-Updates genutzt werden. Dafür geht aber etwas anderes, wovon der kleine Schalter “Mic Control” auf der rechten Seite des Gerätes kündet. Wie mit allen Voicetones kann bei Verwendung des TC Helicon-Gesangsmikrofons MP-75 mit einem speziellen Schalter im Mikrofongriff der Bypass geschaltet werden: Drücken = Effekt.
Es ist nicht verkehrt, über die Bedeutung einiger technischer Daten Bescheid zu wissen. Über die interne Samplingrate erfährt man nichts, es ist daher davon auszugehen, dass ein Standard wie 44,1 oder 48 kHz verwendet wird. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass das unbearbeitete Mikrofonsignal, das mit dem rechten der beiden Regler zum Effektsignal hinzugemischt werden kann, nicht durch eine Digitalwandlung gefoltert wird. Das R1 weist eine Dynamik von 104 dB auf, der Output verblüfft mit einem Frequenzgang, der an ein gespanntes Drahtseil erinnert: 20 Hz – 20 kHz bei einer Abweichung von +0/-0,3 dB. Das Signal am Eingang wird mit einer Impedanz von 2,68 kOhm begrüßt, der Rauschteppich fristet bei -126 dBu ein nur unbedeutendes Dasein.
Wie bei allen TC Helicon Voicetones ist es ein Kinderspiel, das R1 betriebsbereit zu machen und zu benutzen. Es werden die beiden Audiokabel und das Netzteil eingesteckt, das Gain des Vorverstärkers eingestellt, der Effekt aktiviert, das Preset gewählt und das gewünschte Mischungsverhältnis eingestellt – mehr kann man ja schließlich auch nicht tun. TC rühmen sich jedoch, dem kleinen Backstein einen Mikrofon-Vorverstärker spendiert zu haben, der den Vergleich mit hochwertigen Preamps nicht zu scheuen braucht. Derartige Aussagen schreien geradezu nach einer Überprüfung, genau dieser musste sich der R1 stellen. Kontrahent im Rennen war kein Preamp eines Live-Pults, sondern ein UA 710 –also ein vergleichsweise teures und erwiesenermaßen hochwertiges Studiogerät. Dagegen anzustinken ist für den Voicetone sicher nicht leicht.
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Preamp Voicetone R1Preamp UA-710 Twinfinity
Das Ergebnis des “unfairen” Tests: Der TC-Vorverstärker klingt wirklich ordentlich. Mit der Transparenz und der Höhendarstellung des UA kann der Voicetone-Preamp zwar nicht ganz mithalten, doch muss niemand befürchten, durch Verwendung des R1 Einbußen in der Klangqualität hinnehmen zu müssen. Deutlich besser als die Preamps im Großteil der preiswerteren Pulte ist der Vorverstärker des Voicetones allemal. Da wurde vom dänischen Hersteller also nicht so kräftig die Werbetrommel gerührt, dass dabei der berüchtigte Schaum der Übertreibung entstanden wäre.
Die Aufgabe Nummer Eins – die Vorverstärkung – ist also bestanden. Aufgabe Zwei ist der eigentliche Daseinszweck des Kistchens: Nachhall generieren. TC Helicon bedienen sich für diese Aufgaben gerne beim Schwesterunternehmen tc electronic, welches nicht zuletzt für seine klaren und natürlich wirkenden Räume bekannt ist. Das Stepping durch die acht Presets offenbart die hohe Qualität des Reverbs. Offensichtlich wurde für den Bodentreter nicht zu sehr an Rechenkapazitäten gespart, denn sonst wären derart hochwertige Reverbs wohl kaum möglich. Einerseits ist das R1 in der Lage, sehr dichte und unstatische Nachhallfahnen zu generieren. Qualitativ fühle ich mich wirklich an die Studiogeräte von tc electronic erinnert. Hut ab!
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AmbienceAmbience wetRoomStudioPlateClubHallHall wetTheaterAreaRegler auf dryBypass
Die schwere Aufgabe, hochwertige Erstreflektionen zu erstellen, meistert das Gerät mit der rot-schwarzen Farbgebung ebenfalls erstaunlich gut. Besonders Ambience-Programme, bei denen in kurzer Zeit komplexe Antworten eines Raumes simuliert werden müssen, enthüllen oft Schwächen. Im 100%-Wet-Betrieb erkennt man sehr gut, was dort geschieht. Ehrlich: Das ist gut und hochwertig, meine Verneigung! Doch habe ich hier noch ein “Aber” in der Tasche: Die Tatsache, dass man selbst die rudimentärsten Parameter nicht verändern kann, schränken den praktischen Nutzen des R1 doch hier und da etwas ein. Es ist zwar schön, dass es TC Helicon der Sängerschaft ermöglichen wollen, ohne viel Aufhebens an ihren Hall zu kommen, doch ist es mitunter unabdingbar, die ein oder andere Anpassung an Stimme, Einsatz, Musik und die akustischen Gegebenheiten vor Ort machen zu können. Es kommt nicht von ungefähr, dass man bei einigen Reverbs über hundert Parameter kontrollieren kann – manche von ihnen als “Makro”. Der Laie mag denken, dass Hall gleich Hall ist, doch gibt es vieles, was notwendig ist, damit Hall auch wirklich dem Gesamtbild zuträglich ist. Wer Hall einsetzen möchte, muss sich zwangsläufig damit auseinandersetzen, was Pre-Delay und Early-Reflection-Level, High-Damp und Density wirklich sind. Das R1 erlaubt den Zugriff auf diese Parameter nicht, auch nicht per USB. Dies geschieht zwar aus dem ehrenhaften Grund der Vereinfachung, schränkt den Einsatznutzen des kleinen Tool aber leider auch unnötig ein. Und das ist Schade, denn die qualitative Basis stimmt hier definitiv. Hätten TC Helicon ihre “Voicetone-Doktrin” etwas offener verfasst, hätten sie sich und den Usern sicher einen Gefallen getan. Sinnvoll – nein, notwendig(!) –wäre es gewesen, zumindest Early-Reflection-Level, Pre-Delay und vor allem High-Damp einstellen zu können. Ja, auch High-Damp muss vor der Zusammenmischung von Wet und Dry liegen, im Falle des R1 also im Gerät, da hilft kein EQ. Einige Hersteller haben es vor vielen Jahren schon vorgemacht und ihren einfacheren Effektgeräten einen nicht näher benannten “Edit”-Regler spendiert, der je nach Programm eine der genannten Eigenschaften oder auch Density, RT60, Bass-Roll-Off regelt. Nicht, dass ich hier für kleinlich gehalten werde: Die Notwendigkeit, einige Parameter kontrollieren zu können, besteht auch deshalb, weil mit dem Einsatz eines Reverbs schnell die Sprachverständlichkeit stark zurückgeht. Besonders die Unterscheidbarkeit von S, F, TH und G, K, T, D leidet unter unpassenden Erstreflektionen – bei Kneipenauftritten wie auf großen Venues. Wenn ihr das nicht schlimm findet, solltet ihr euch natürlich mal ernsthafte Gedanken um eure Texte machen.
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