Sennheiser Evolution e 835 Test

Auf der Suche nach einem geeigneten Vocal-Mikrofon für den Proberaum und Live-Gigs, als „Massenware“ für den Equipment-Verleih und als Allround-Recording-Mikro kommt man immer wieder mit dem Shure SM58 in Berührung. Preispunkt: Gut einhundert Euro.

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Es heißt auch, dass es kaum sinnvoll ist, deutlich weniger Geld für ein derartiges dynamisches Mikrofon auszugeben. So kommt es, dass das 58er „auf dem Markt sitzt“ wie es aussieht: stabil und gefestigt. Dazu klingt es auch, wie es aussieht, nämlich recht kompakt.
Um typischen Platzhirschen Paroli zu bieten, gibt es mehrere Herangehensweisen. Eine ist die Unterbietung des Preises, doch wer als Käufer selbst bei einem etwas preiswerten Mikrofon viel sparen möchte, der hat entweder keine andere Wahl oder macht einen Fehler, wie ich finde. Deutlich bessere Erfolgsaussichten hat es, sich ein wenig abzuheben. Und so kommt es, dass der zweite Traditionshersteller auf dem Mikrofonmarkt mit einem „S“ als Anfangsbuchstaben, also Sennheiser, mit dem e 835 aus der Evolution-Serie ein Allround-/Gesangsmikrofon anbietet, das etwas luftiger zu klingen verspricht, preiswert zu haben ist und dennoch – man höre und staune – Made in Germany ist.

Details

Mikrofon Made in Germany: ja, tatsächlich

Jeder ahnt es, fast jeder weiß es: Wenn „Made in…“ auf einem Produkt draufsteht, kann im Grunde fast alles damit gemeint sein. Wer fair ist, nennt Produkte „Assembled in…“, um dem Geruch einer Mogelpackung entgegenzuwirken. Gut, das „Made in Germany“ prangt unübersehbar auf dem Handgriff des e 835, es stimmt aber auch. Denn in Wedemark, unweit von Hannover, werden die Evolution-Mikros komplett hergestellt. Sennheiser hat sehr früh angefangen, die Herstellung von Mikrofonen zu automatisieren und hat sich zu diesem Zweck Hilfe eines Maschinenbauers geholt, der auch die preiswerte Massenfertigung gewisser Schweizer Uhren ermöglicht hat. In Handarbeit wäre ein Preis von unter hundert Euro nicht möglich gewesen, das erkennt man an den Preisen der dynamischen Mikrofone aus einer Zeit, in der es noch keinen Massenmarkt gab: MD 421, MD 21 und MD 441 sind aufwändig herzustellen und daher sehr kostspielig.  

Fotostrecke: 4 Bilder Das Label “Fließbandprodukt” muss nicht schlecht sein: Durch automatisierte Fertigung kann das Mikro trotz Made in Germany und hoher Qualität preisgünstig angeboten werden.

Ein Patentrezept für ein gutes, preiswertes Mikrofon: wenig Schnickschnack, einfache Technik

Technische Besonderheiten? Herausragende Eigenschaften? Customizing? Vergesst es: Das Sennheiser e 835 ist ein sehr einfaches Mikrofon, das seinen geringen Preis dadurch ermöglicht, dass es annähernd Feature-frei daherkommt. Es ist ein ganz normales dynamisches Mikrofon nach dem Tauchspulenprinzip, besitzt die Richtcharakteristik Niere, bewährten Aufbau und übliche Mechanik. Eine Option gibt es aber dennoch: Als e 835 S ist es mit An-/Aus-Schalter erhältlich, also einer häufigen Fehlerquelle bei der Bedienung und der so gut wie einzigen Möglichkeit für Defekte. Auf den Korpus aufgeschraubt ist ein Korb mit einem Metall-Maschengitter und innenliegendem Popp-Spuckschutz. Entfernt man den Kopf, wird der Blick auf die Kapselkonstruktion freigegeben, die wie üblich mit feinen Geflechten vor der Membran und an den rückseitigen Schallöffnungen arbeitet, um die Richtcharakteristik zu steuern. Fein übrigens: Sennheiser hat es sich nicht nehmen lassen, die gesamte Kapsel mit einem Elastomer zu lagern und dadurch unempfindlicher gegen Griffgeräuschübertragungen und in geringem Maße auch Popplaute zu machen.  

Fotostrecke: 5 Bilder Blick auf die Kapselkonstruktion des Vocal-/Allrounder-Mikrofons

Typischer Frequenzgang

Das e 835 bietet dem Preamp einen recht hohen frequenzabhängigen Widerstand, denn seine Impedanz liegt bei 350 Ohm. Die angestrebte mindestens fünffache Überanpassung ist mit eigentlich allen moderneren Mikrofon-Vorverstärkern dadurch jedoch nicht gefährdet. Der Frequenzgang ist im Datenblatt mit 40 bis 16.000 Hertz angegeben, ein Blick in den stark geglätteten grafischen Standard-Frequenzgang verrät, dass es oberhalb der leichten Rampe von 100 Hz bis 2 kHz im oberen Mittenbereich einen deutlichen Boost gibt, dessen Maximum bei 5 kHz liegt und bei etwas über 10 kHz abfällt sowie einen kleinen Dip mit einer Mittenfrequenz von etwa 7 kHz aufweist. Das sind natürlich alles keine Mängel, vielmehr sorgt dieser Frequenzgang dafür, dass der Sound eher präsent und durchsetzungsstark ist, aber Zischlaute, wie sie durch S-, Sch- und T-Laute produziert werden, nicht zu scharf übertragen werden. Es scheint offensichtlich, dass die Ingenieure des niedersächsischen Herstellers hier vor allem die menschliche Stimme im Visier hatten. Die Bässe fallen unterhalb von 100 Hertz stark ab, doch sollte ich dazu anmerken, dass der Messabstand wie üblich einen Meter beträgt. Weil es sich bei Sennheisers e 835 um ein richtendes Mikrofon nach dem Druckgradientenprinzip handelt, ist der Bass jedoch umso stärker betont, je näher sich die Schallquelle, meist also der Mund, an der Kapsel befindet.  

Praxis

Gar nicht so leicht!

Besonders leicht ist das Sennheiser e 835 nicht: Trotz eher graziler Optik bringt es mit 330 Gramm ein gutes Zehntel mehr auf die Waage als beispielsweise das Shure SM58. Für den Hand-Dauerbetrieb auf der Bühne ist das für die meisten User noch ok. Viel zu leicht wäre auch unangenehm und „unwertig“. Durch die konische Form passt es in eine Vielzahl Hände sehr bequem und bietet Umgreifmöglichkeiten – dass der Kopfteil sich stärker verdickt, hilft dabei, einen Griffpunkt zu finden und die Position auch zu halten. Zudem wird die Gefahr verringert, die rückseitigen Schalleintritte zu verdecken und das Mikrofon rückkopplungsanfälliger zu machen.

Geringe Handling-Noises, hoher Output

Die Griffgeräusche haben Sennheiser beim e 385 im Griff. Oh, das ist missverständlich: Die Handling-Noises sind recht gering, wollte ich damit sagen. Zudem spielen sie sich viel in einem Frequenzbereich ab, der per Tiefensperre oft sowieso entfernt wird. Für Benutzer preiswerterer Pulte und Audio-Interfaces, die häufig mit schwachbrüstigen Preamps mit schlechter Performance im oberen Gainbereich zu kämpfen haben, ist es eine sehr gute Nachricht, dass das 835 recht viel Output liefert. 2,7 mV/Pa sind keine Selbstverständlichkeit. Und auch der obere Pegelbereich von Sängern macht dem 835 nicht allzu schwer zu schaffen.

Breiter Sweet-Spot

Noch mehr gute Nachrichten gefällig? Das Sennheiser besitzt einen schön breiten Sweet-Spot, wodurch sich nicht sofort Klangfarbenänderungen ergeben, wenn man mal etwas schräg in das Mikrofon singt. Und selbst bei geringstmöglichem Besprechungsabstand, also mit den Lippen am Grill, wird das 835 nicht so belegt und mumpfig wie etwa das Shure SM58, sondern behält die Transparenz, die sein Signal sowieso innehat. Warum ich Richtcharakteristik und geringe Überbassung hier zusammenbringe? Nun, das sind – gemeinsam mit dem günstigen Preis – sehr gute Eigenschaften für ein Anfängermikrofon!

Nah dran, nicht auf der Achse besprochen – all das führt beim e 835 nicht dazu, dass der Sound verbasst oder sich sonstwie nennenswert verschlechtert. Dadurch ist das Mikrofon unter anderem für Einsteiger sehr gut geeignet!
Nah dran, nicht auf der Achse besprochen – all das führt beim e 835 nicht dazu, dass der Sound verbasst oder sich sonstwie nennenswert verschlechtert. Dadurch ist das Mikrofon unter anderem für Einsteiger sehr gut geeignet!

Keine Medaille für Rückkopplungssicherheit

Den Preis für das rückkopplungssicherste Mikrofon bekommt das e 835 nicht, besonders die Höhen kann es erwischen. Das hält sich alles im Rahmen, aber die Medaille dafür muss ich dem Sennheiser verwehren. Das ist auch verständlich, denn manche positiven Eigenschaften bedingen zu einem gewissen Teil negative. So fördert die leicht bassarme Abstimmung die Verständlichkeit und Transparenz, die bei diesem Mikrofon durchaus ausgewogen und „teurer“ klingt, als man es ob des Preises erwarten würde, doch kann es eben genau dadurch sein, dass manchen Stimmen etwas fehlt. Wo ein SM58 eher zarte Stimmen etwas kerniger und gehaltvoller macht, sind diese mit dem 835 schnell zu fein, fundamentlos und brüchig. Deshalb gilt immer: Mikros immer vergleichen! Der Sänger der Audiobeispiele beispielsweise ist bei normalem Abstand mit dem SM58 besser bedient, wohingegen ich nach dem Wechsel vom 835 auf das 58 oder das 545 das Gefühl habe, in einen Topf mit Zuckerrübensirup zu singen. Nicht falsch verstehen: Ich liebe die Shures weiterhin.  

Audio Samples
0:00
Sennheiser e 835, 5 cm Sennheiser e 835, 0 cm Sennheiser e 835, 20 cm Sennheiser e 835, 10 cm, 45 Grad Shure SM58, 5 cm Shure SM58, 0 cm Sennheiser MD 421-U, 5 cm Sennheiser MD 421-U, 0 cm Shure 545SD, 0 cm Shure 545SD, 5 cm

Wenig Gedanken muss man sich trotz starker Höhen um die Natürlichkeit das Audiosignals machen. Dass ein sehr preiswertes Mikrofon so ausgewogene S-Laute produziert, ist nicht selbstverständlich. Sie werden etwas angedickt, bleiben aber immer klar und schnell genug, reiben nicht, verschmieren nicht. Das „britzelige“ Sennheiser MD 421-U, immerhin um Größenordnungen teurer, zeigt, wie unterschiedlich konzeptionell ähnliche Mikrofone diesen wichtigen Frequenzbereich handhaben können.  

Fazit

Ich möchte mal so beginnen: Was muss ein Mikrofon mitbringen, das vor allem von Anfängern im Proberaum, auf der Bühne und beim Homerecording eingesetzt wird? Es sollte Handlingfehler verzeihen, sich klanglich einigermaßen professionell „anstellen“ und für alle Einsätze eignen, wenig kosten, gut verarbeitet sein und sich im Zweifel ohne riesige Verluste wieder verkaufen lassen. Und was soll ich sagen: Das Sennheiser e 835 erfüllt diese Punkte, teilweise auch mit Bravour. Einen Wackelkandidaten gibt es unter diesen Aspekten jedoch, der sich aber so schnell nicht vermeiden lässt: Für manche Stimmen wird der Klang etwas dünn sein und nicht genug „Fleisch“ liefern. Insgesamt ist dieses Mikrofon aber, gemessen an seinem erstaunlichen Preis, eine wirkliche Granate!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • preiswertes Markenmikrofon
  • gut verarbeitet
  • breiter Sweet-Spot
  • recht hohe Transparenz und Natürlichkeit für diese Preisklasse
  • gute Eignung für Anfänger
Contra
  • etwas wenig „Körper“ im Klang
Artikelbild
Sennheiser Evolution e 835 Test
Für 87,00€ bei
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FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: dynamisch
  • Frequenzgang: 40 Hz – 16 kHz
  • Empfindlichkeit: 2,7 mV/Pa
  • Gewicht: 330 g
  • Preis: € 105,– (UVP)
  • Mikro auch mit Schalter erhältlich (Sennheiser e 835 S, gleicher Preis) und im Dreierpack (€ 284,41)
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