Zumindest in meiner Wahrnehmung wurde das Wort „Reamping“ erst in den letzten 10-15 Jahren wirklich in der Musikszene relevant. Tatsächlich geht diese Technologie aber bis in die 1960er-Jahre zurück und war damals bereits ein bekanntes Verfahren im Studio. Noch viel mehr Bedeutung bekommt das Thema aber in den heutigen Zeiten von Homerecording und dem Produzieren von multimedialen Inhalten für Social Media. Auch wenn Reamping nicht unbedingt die breite Masse betrifft, ist Reamping heutzutage ein relevantes Verfahren und kann einem in manchen Situationen sogar helfen, die „Karre aus dem Dreck zu fahren“. Mit diesem Artikel wollen wir dem Thema auf den Grund gehen und klären, für wen Reamping wann sinnvoll sein könnte und welches Equipment man dafür benötigt.
Was ist Reamping?
Im Folgendem fallen ein paar Fachbegriffe aus der Welt des Homerecordings – wem der eine oder andere Terminus nichts sagt, findet sicher in diesem Artikel Hilfe. Die Silbe „Re“ verrät uns bereits, ähnlich wie bei „Recycling“, dass etwas wieder verwendet wird. Im Falle des Reampings ist das eine bereits aufgenommene Bassspur, welche wir nach der Aufnahme erneut durch Equipment unserer Wahl schicken. Dies können Verstärker sein, aber auch Boxen oder Effektgeräte. Nachdem das Signal dieses Equipment durchlaufen hat, wird es abermals auf einen neuen Spur in der DAW aufgenommen.
Reamping in der digitalen und analogen Welt
Ganz einfach gestaltet sich Reamping in der digitalen Welt: Hier lege ich einfach in der DAW ein Amp-, Cabsim- oder Effekt-Plugin auf meinen Bass-Track bzw. eine kopierte Spur. Dank Software kann ich dies auch beliebig oft und mit beliebig vielen Plugins machen. Auch zu diesem Thema haben wir bereits eigene Artikel veröffentlicht:
So einfach es in der digitalen Welt auch ist – in der analogen Welt ist das Ganze schon wesentlich aufwändiger. Eigentlich sollte man meinen, dass man einfach ein Kabel an einem Ausgang des Audio Interfaces anschließt, dieses in das gewünschte Equipment steckt und von dort wieder zurück in einen Eingang des Audio Interface geht. Doch wer diese Schritte schon einmal ausprobiert hat, wird berichten können, dass es dabei zu allen möglichen unerwünschten Phänomenen kommt, wie Rauschen, Verzerrung, Feedbacks oder generell schlechtem Sound.
Das liegt daran, dass unser Bassequipment am besten mit dem Signal unseres Instruments funktioniert. Im Laufe der Aufnahme wird dieses Signal jedoch in mehrerlei Hinsicht modofiziert. Zum einen findet eine Impedanz-Wandlung von hochohmig zu niederohmig statt, und zum anderen wird das Signal von unsymmetrisch zu symmetrisch umgewandelt. Meistens verändert sich dabei auch noch der Pegel! Diesen Weg müssen wir nun wieder umkehren, damit unser gewünschtes Equipment entsprechend funktioniert. Und das geht nicht ohne Unterstützung.
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Welches Equipment benötigt man für Reamping?
Das Signal, welches aus der DAW zurückkommt, ist in der Regel für unser Bass-Equipment viel zu laut. Dieses Problem bekämen wir noch relativ einfach selbst in den Griff, indem wir in der DAW oder am Audio Interface entsprechend leiser drehen.
Für die Wandlung von symmetrisch zu unsymmetrisch und von niederohmig zu hochohmig benötigt man aber eine umgekehrte D.I.-Box oder einen speziellen Reamper. Beide verwandeln das Line-Signal der DAW zurück in ein klassisches Instrumenten-Signal.
Spezielle Reamper sind meistens etwas luxuriöser ausgestattet und bieten zum Beispiel eine eigene Anpassung des Pegels. Hat unser Signal das Equipment unserer Wahl durchlaufen, geht es auf ganz normalem Wege zurück in das Audio Interface bzw. die DAW.
DAW-Routing für Reamping
Was man zudem benötigt, ist ein Audio Interface mit zwei oder mehr Line-Ausgängen. Jedes Interface besitzt bekanntlich einen Haupt-Ausgang für alles, was an Audio-Ereignissen stattfindet. Dieser Ausgang heißt entweder „Main Out“ oder „Monitor Out“ und ist vergleichbar mit dem Boxen-Ausgang einer guten alten Stereoanlage.
Für Reamping benötige ich jedoch weitere Ausgänge, so genannte „Line Outs“. Diese können zwei Ausgänge zu einem Stereo-Ausgang zusammenfassen oder als Mono-Ausgänge genutzt werden. Letzteres ist für uns interessant!
Zunächst einmal müssen wir in der Konfiguration unseres Audio Interface sicherstellen, dass die gewünschten Ausgänge aktiviert sind. Um die Sache nicht unnötig kompliziert zu machen, sind häufig zusätzliche Ausgänge zum Monitor Out zunächst deaktiviert. Nachdem die Line Outs scharf geschaltet sind, leiten wir unsere Bassspur im Mischpult der DAW auf den gewünschten Mono Line Out, in meinem Fall „Sub 1“ (siehe Bild). Auf diese Weise stellen wir sicher, dass auch ausschließlich unser Basssignal und nicht der komplette Mix gereamped wird. An den gewählten Line Out wird dann das Reamping-Equipment angeschlossen. Die Zuweisung verschiedener Spuren an verschiedene Ein- oder Ausgänge nennt man in der Fachsprache „Routing“.
Für welche Situationen macht Reamping Sinn?
Hier sind einige Szenarien, in denen Reamping sinnvoll ist oder sogar den Mix retten kann:
- Der Basstrack war ein „Remote Job“, d.h. der Bassist hat die Bassline an anderem Ort aufgenommen und lediglich ein neutrales D.I.-Signal geliefert
- Man ist im Nachhinein unzufrieden mit dem Sound, der Bassist ist aber nicht mehr greifbar
- Man ist im Nachhinein unzufrieden mit dem Sound, das Instrument ist aber nicht mehr greifbar, da man es z. B. extra für die Studio-Session ausgeliehen hatte
- Man wünscht sich im Nachhinein doch einen Amp-Sound, statt nur das D.I.-Signal zu verwenden
- Der Song hat sich während des Mix klanglich in eine andere Richtung entwickelt
- Man hat neues Equipment nach den Aufnahmen bekommen
- Die Aufnahmen wurden an anderen Ort gemacht, an denen kein Zugriff auf den Lieblings-Effekt möglich war
- Allgemeine Experimentierfreude
- Man möchte seinem Auftraggeber mehrere Alternativen anbieten
- Der spezielle Take ist perfekt aus dem Moment heraus entstanden, so jedoch nicht mehr reproduzierbar
- Man arbeitet grundsätzlich lieber in der analogen Welt mit echten Knöpfen und Schaltern
- Man ist generell unzufrieden mit dem Sound von Plugins (gibt es häufig beim Thema „Verzerrer“)
Reamping Soundbeispiele
Hier sind drei Beispiele, in denen ich mein cleanes D.I.-Signal aus meiner DAW ins Audio Interface und durch den Walrus Audio Canvas Reamper in verschiedene Effekte geschickt habe.
1.) Dieses Riff beispielsweise wollte ich gerne etwas dreckiger haben und schickte es daher durch das Darkglass Microtubes und eine Ampeg 8x10er Cab Sim:
2.) Diesen Indie-Rockgroove habe ich mit etwas Fuzz veredelt:
3.) Und dieser Funkgroove verträgt einen Octaver, um ihn richtig schön fett zu gestalten:
Nachteile von Reamping
Dem aufmerksamen Leser ist sicherlich nicht entgangen, dass wir es mit einer dreifachen Wandlung des Signals zu tun haben. Bei der ursprünglichen Aufnahme wird unsere Bassline im Audio Interface von einem analogen zu einem digitalen (A/D) Signal gewandelt. Wenn wir es dann Reampen wollen, wird daraus abermals ein analoges Signal (D/A). Dieses wird dann erneut aufgenommen und wiederum im Audio Interface in Einsen und Nullen umgewandelt (A/D). Dabei kommt es unweigerlich zu Einbußen im Sound!
Noch vor wenigen Jahren war dies extrem relevant, denn speziell die Dynamik litt bei 16-Bit-Aufnahmen doch hörbar. Bei der Qualität der heutigen Wandler – selbst im preiswerten Segment – und Standard-Aufnahmen von 24 Bit und 48 kHz oder mehr sind die Verluste im Klang eher mess- als hörbar. Der Gewinn, den man mit seinem gewünschten Equipment erzielt, wiegt daher vermutlich deutlich schwerer!
Reamping für Social-Media-Inhalte
Nahezu unverzichtbar ist Reamping für alle von uns, welche Inhalte für soziale Medien erstellen. Dies können Reels oder YouTube-Videos für den eigenen Kanal sein, ebenso aber auch Auftragsarbeiten für Dritte. Zunächst einmal gelten die bereits genannten Szenarien auch hier, aber es gibt auch noch Spezialfälle.
Einen davon habe ich exemplarisch ausgewählt, und das ist der Vergleich von Equipment. Viele Effekte, wie zum Beispiel Verzerrer und Kompressoren, reagieren recht empfindlich auf die generelle Lautstärke und die Dynamik eines Eingangssignals. Vergleicht man mehrere Exemplare des gleichen Effekts, sollten diese für ein wirklich aussagekräftiges Ergebnis daher auch mit dem absolut identischen Signal gespeist werden.
Dieses könnte ich natürlich auch mit einem Looper-Pedal aufnehmen und jedes Mal abspielen lassen. Kommt aber ein zusätzlicher Drumgroove oder sogar ein umfangreiches Playalong innerhalb der DAW hinzu, scheidet der Looper zwangsläufig wieder aus. Diese Vorgehensweise ist natürlich auch hilfreich, wenn man für sich selbst den Verzerrer, Kompressor etc. der Wahl finden möchte.
Viel Spaß und Erfolg mit euren eigenen Reamping-Erfahrungen, euer Thomas Meinlschmidt