Keine Bühne ohne Mikrofonstative: Aber welches ist eigentlich der beste Mikrofonständer? Alle Sänger brauchen sie, selten beachtet man sie. Erst wenn ein Stativ mal nicht tut, was es soll, flackert kurzzeitig Interesse auf. Um euch böse Überraschungen zu ersparen, haben wir uns für diesen Praxistest 17 Modelle in verschiedenen Preisklassen und Ausführungen kommen lassen, um sie mal für den Bühneneinsatz unter die Lupe zu nehmen. In meiner „Kernkompetenz als Sängerin“ darf ich nun also all diese Mikroständer ganz subjektiv auf ihre Performancetauglichkeit testen. Ich muss grinsen. Steht Loriot irgendwo um die Ecke, um mich heimlich für eine seiner berühmten Sendungen zu filmen?
Natürlich sage ich sofort zu. No risk, no fun. Ein paar Tage später hieve ich mit großer Erwartungshaltung zwei Riesenkartons aus dem Auto in unser Studio. Ich bin gespannt auf den ersten Eindruck direkt nach dem Auspacken. Gleichzeitig frage ich mich, was ich eigentlich genau zum Singen auf der Bühne brauche? Was soll mein perfekter Ständer alles können? Mein Fokus ist also der Live-Einsatz und das Ergebnis ganz klar geprägt von meinen Vorlieben: Es gibt keine absolute Wahrheit – überprüft also immer, worauf ihr persönlich Wert legt. Das kann für euch anders sein! Im Folgenden werde ich versuchen, euch an meinen Überlegungen teilhaben zu lassen – und im Text und ganz am Ende findet ihr Links zu allen Einzeltests, falls ihr mehr über ein bestimmtes Modell wissen möchtet.
Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale: Dreibeinstand, Tellerfuß, gerades Stativ ohne Galgen oder mit Galgen. Außerdem Höhenverstellung per klassischer Zweihand- oder moderner Einhandbedienung.
Mein perfekter Ständer soll so unauffällig wie möglich sein. Das heißt, er soll einfach da sein, alles machen, was ich will, und mich möglichst wenig behindern. Er soll stabil sein, gut in der Hand liegen und einfach und schnell zu verstellen sein. Zu viel wiegen darf er auch nicht – und vor allem nicht während des Singens ungewollt die Position verändern. Dazu gehört auch das unbedingte Vermeiden meines “Lieblingsklassikers”, bei dem der Ständer mitten in der Performance langsam an Höhe einbüßt, während ich singe und beide Hände an der Gitarre brauche.
Das sind also meine Wünsche an einen Mikroständer. Aber ich bin ja nicht die Einzige, die mit ihm zurechtkommen muss. Deshalb befrage ich auch zwei Backliner, die viel mit den ganz großen Bands unterwegs sind. Der eine argumentiert ganz rational. Wackelt der Boden, brauchst du ein Dreifußstativ, ist die Bühne stabil, kannst du einen Teller nehmen. Der andere erzählt mir von einem ganz berühmten deutschen Sänger, der immer auf sein Tellerstativ besteht. Egal was die Bühne macht. Die wurde dann auch schon mal unterfüttert, damit das Stativ einen festen Stand hatte. Wie war noch dieser SängerInnen-Witz? Wie drehen wir eine Glühbirne in die Fassung? Gar nicht. Die Welt dreht sich doch um uns!
Für dich ausgesucht
Das meine ich jetzt nicht mal bösartig. Gutes Equipment sollte immer der Person dienen, die damit arbeiten muss und nicht umgekehrt. Deswegen ist auch mein nächster Gedanke beim Auspacken leider nicht ganz unparteiisch. Er sagt mir: Vergiss den Rest! Bestimmt regieren Platzhirsche König & Meyer auch hier das Feld. Bin ich doch von dieser Firma noch nie enttäuscht worden und schätze seit Jahren meinen Mercedes-teueren, unkaputtbaren Notenständer. Meine Grundthese ist seitdem beim Singen die gleiche wie beim Kochen: Für ein gutes Ergebnis brauchst du gutes Equipment, und das ist halt nicht immer billig. Und damit ergibt sich die nächste Frage wie von selbst: Stimmt das auch hier?
Zurück zu meinen Kartons. Ich ziehe eine erste Bilanz. Man hat mir acht Teller- und neun Dreifußständer von vier Marken, mit und ohne Galgen, als Einhand- oder Zweihandstativ, zu Preisen von knapp 10 bis 169 Euro geschickt. So viel zu den Fakten. Ich baue die Stative auf und wieder ab, und wieder auf. Verstelle die Höhe, poge durch den Aufnahmeraum, mache Hebefiguren, Kippchecks, den Wackeltest und fasse die Ständer mit geschlossenen Augen an, um
• einen sinnlichen Eindruck zu bekommen und
• mich nicht von den Marken ablenken zu lassen.
Schon nach einer Stunde sehe ich den Wald vor lauter Stangen nicht mehr. Doch ich gebe nicht auf. Nach der dritten oder vierten Testreihe an den folgenden Tagen schälen sich schließlich folgende Details heraus:
1. Gretchenfrage: Dreifuß oder Teller?
Für mich persönlich geht nichts über einen Tellerfuß: Flach und rund. Argumente sind mir dabei ganz herzlich egal. Und meiner Meinung nach muss diese Entscheidung auch nicht nach Logik oder Vernunft getroffen werden, sondern ist ein höchst individueller Prozess. Für beide Varianten gibt es gleichermaßen Pro und Kontra:
Tellerstative
Es gibt hoch gewölbte, dreieckige, extrem schwere, kleine, große, flache und welche mit Aussparungen. Schwere sollen besser stehen, Gummifüßchen unter dem Teller sollen den Trittschall vermindern und so weiter. Am schnellsten geht es, wenn ihr den Ständer der Wahl einfach in die Hand nehmt und die Bühnensituation für einen Moment simuliert.
Beim K&M 26075 mit seiner Auslassung im Teller für eine bessere Stapelbarkeit hat der Hersteller zum Beispiel wohl eher an die Backlinefirmen oder StudiobesitzerInnen gedacht als an uns PerformerInnen. Für Erstere macht so etwas Sinn, für den Livegebrauch gereicht es eher zum kleinen Nachteil, da sich der Ständer gerne beim Drehen vom Platz wegrollt.
Checken solltet ihr auch, wie lange das Stativ nachschwingt, wenn der Teller in Bewegung gebracht wird. Da spielen Tellerdurchmesser und Gewicht eine Rolle. Und da müsst ihr dann einen zwischen Standfestigkeit und Performance-Faktor abwägen. Der Millenium MS 2004 hat mit 23 cm den kleinsten Tellerdurchmesser und der K&M 26075 mit 28 cm den größten. Der K&M 26020 ist mit 6,4 Kilo das schwerste Tellerstativ (orkanfest, aber völlig Performance-untauglich) und der K&M 26085 mit weniger als drei Kilo das leichteste.
Dreifußstative
Dreifußstative stehen auf wackeligem Boden fester, da ihre Füße einen größeren Radius abdecken als ein aufliegender Teller und Unebenheiten bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Außerdem kann ein Pedalbord besser vor ihnen platziert werden. Und wer nicht mit dem Ständer performt, der braucht auch nicht unbedingt ein Tellerstativ. Dafür steht ein Dreifußstativ aber schnell mal den eigenen Füßen im Weg. Auch sind sie sperriger beim Nach-hinten-stellen, wenn ihr während der Show mal nur mit dem Mikro vorne stehen möchtet.
2. Gretchenfrage: Galgen oder gerade Stange?
Ich stehe gern möglichst dicht vor dem Ständer und fühle mich durch einen Galgen als Extra-Querstange schnell gestört. Sogar mit Instrument ist das für mich so. Ein Galgen trennt mich, rein gefühlsmäßig, weiter von meinem Publikum, und das mag ich nicht. Aber wie schon oben gesagt: Das ist eine rein subjektive Entscheidung!
Stange
Stange ist nicht gleich Stange. Die Modelle von Hercules haben zum Beispiel eine sehr dicke Stange. Das muss man mögen, K&M Stangen sind dünner. Bei ihrem Designstativ K&M Elegance 26000 ist die Stange sogar leicht dreieckig. Nehmt sie in die Hand und ihr wisst Bescheid.
Worauf ihr wirklich achten müsst, ist die maximale Höhe des eigentlichen Ständers: die kann sehr unterschiedlich ausfallen. Für große Menschen wie mich (1,85 m), fallen einfach ein paar Stative weg, da ich keine Lust habe, gebückt am Mikro zu stehen.
Das kürzeste Stativ ist das von Millenium (Millenium MS 2004) mit maximal 153 cm, das längste das Ultimate Live T mit bis zu 190 cm.
Galgen
Für alle, die mehr Platz vor dem Stativ brauchen, weil sie gleichzeitig Gitarre spielen, ist ein Galgenstativ das Richtige. Hierbei habt ihr noch die Wahl zwischen einem kurzen Galgen mit ausziehbarer Teleskopstange (z. B. K&M 26020) oder einem normal langen Galgen.
Wer sich alle Optionen offen halten möchte, ist mit dem ‚Hybrid’- Stativ von Hercules (Hercules HC-MS533B) bestens bedient. Hier kann der Galgen kinderleicht und mit wenigen Handgriffen versenkt werden, sodass das Stativ zwischen Galgen und Stange wechseln kann.
3. (und letzte) Gretchenfrage: Einhand- oder Zweihandstativ?
Das ist letztendlich reine Geschmackssache. Ein Einhand-Clip geht schneller, aber mich hat es noch nie gestört, beim Singen mit beiden Händen die Höhe zu verstellen. Je geübter ihr seid, desto schneller geht das. Vielleicht ist diese Debatte aber auch alte gegen neue Schule: Einfachheit gegen Komfort.
Einhand-Clips
Unterschiede gibt es in der Art des Einhandclutches. Fast alle sind am oberen Ende der Stange angebracht, kurz vor dem Stativgewinde. Nur die Clutch des Hercules HC-MS533B sitzt auf halber Höhe, was wohl eher technische Gründe (Versenkbarkeit des Galgens) hat, aber sehr angenehm, nämliche quasi ‚aus der Hüfte’ zu bedienen ist.
Die K&M Clutches fassen sich am schönsten an. Gefolgt von den Hercules Clutches. Beide laufen geschmeidig und lassen sich mit wenig Kraft bedienen. Die Haptik der Ultimate Clutches ist sehr plastikartig und das Verstellen nur mit viel Kraft zu bewerkstelligen. Da hilft auch deren vom Hersteller beworbene ergonomische Formgebung nicht weiter.
Alle Einhand-Clutches sind massiv und stören durch ihre Größe das Bild des schlanken Ständers. Auch auf Fotos sieht diese Beule in Gesichtsnähe nicht wirklich gut aus. Da war ich froh, in dem Designstativ K&M 26200 eine elegantere Variante gefunden zu haben, die sich kaum vom Ständer abhebt. Leider fand ich das Handling nicht optimal – bei mir hakelte es etwas.
Zweihand-Höhenverstellung
Die althergebrachte Tradition. Stange mit der einen Hand festhalten, mit der anderen aufdrehen, Höhe verstellen und wieder zudrehen. Eine intelligente Alternative bietet das Hercules HC-MS432B Stativ. Mit einer halben Drehbewegung kann der Verschluss geöffnet und wieder geschlossen werden. Klasse.
Mein Fazit
Und ich hatte mit meiner Vermutung recht: K&M ist für mein Empfinden unschlagbar und stellt meine zwei persönlichen Testsieger. Hier stimmen Preis und Leistung:
Ich bin altmodisch und wahrscheinlich sogar eine Puristin. Viele andere Stative haben eine Menge Vorteile, aber ich stehe einfach auf das K&M 260/1 mit rundem Teller und gerader Stange in der Zweihand-Variante. Kein Schnickschnack. Es ist gut zu handhaben, hat das richtige Gewicht, ist stabil und nicht teuer – doch leider zu klein für mich. Deswegen muss ich einen Ersatzsieger küren, und das ist das K&M 26085 mit gerader Stange und Einhand-Clutch. Was aber wirklich nur an der zu kurzen Maximalhöhe des 260/1 liegt.
Würde ich Galgen bevorzugen, und bräuchte mein Stativ nicht zum Performen, dann wäre, trotz des schweren Tellers, das K&M 26020 mit kurzem Teleskopgalgen meine Wahl, da ich Platz vor dem Stativ habe, aber der Galgen nicht so sperrig in die Gegend ragt. Oder ich würde mir das Hybridstativ Hercules HC-MS533B kaufen. Dann könnte ich schnell zwischen Galgen und gerader Stange wechseln.
Und hätte ich gar keine besonderen Wünsche an mein Mikrostativ, dann würde ich mich für das Millenium MS-2001 entscheiden, da es fast identisch mit den anderen beiden Galgenstativen dieser Kategorie (K&M 210/2 und K&M 27105) ist, aber am wenigsten kostet.
Und ist das beste Equipment mal wieder das teuerste? Nein, denn sogar K&M schafft es, im Mittelfeld zu bleiben!
Mein Testsieger K&M 260/1 kostet entspannte 25,90 Euro und die Alternative K&M 26085 für größere Menschen kostet 45 Euro, was auch noch vertretbar ist. Das billigste Stativ, das Millenium-MS-2004 für sagenhafte 9,90 Euro kann ich nicht uneingeschränkt empfehlen. Es sei denn, ihr seid PunksängerInnen mit hohem Stativverschleiß und steht auf Performance mit Wegwerffaktor. In diesem Fall würde ich mir dieses Stativ direkt im Zehnerpack anschaffen, da bei fast allen Firmen die Stangen bei solch einem Gebrauch gerne am Gewinde brechen. In einer preislichen Extraklasse liegen das K&M 26200 Elegance (99 Euro) und das Triad Orbit T3 (169 Euro). Das K&M Designstativ konnte mich nicht überzeugen und das Triad Orbit Stativ ist super, aber allein vom Gewicht her eher eine Anschaffung fürs Studio als für die Bühne.
Die Liste der Einzeltests gibt es auf der nächsten Seite im Überblick!