Drei Fragen, die ähnlich schwer zu beantworten sind: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was soll ein Elektro-Schlagzeug alles können? Nicht nur mit den ersten beiden, auch mit der letztgenannten Frage kann man sich ausführlicher auseinandersetzen: Soll es eine eigene Spezies mit eigenem Aussehen, Handling und Sound sein? Soll es zwar nicht so aussehen wie ein echtes Schlagzeug, aber so klingen? Soll es besonders ergonomisch sein, oder soll es sich möglichst “echt” anfühlen? Soll es alles können, was ein echtes Set kann, nur nicht so laut sein? Oder soll es so klingen und sich bespielen lassen wie ein echtes Set, aber leicht zu transportieren sein?
Pearls Debütprodukt im Elektro- Drum Segment beantwortet die Frage so: “Real Look, Real Feel, Real Sound”. Dabei liegt das Hauptaugenmerk und auch das größte Alleinstellungsmerkmal des e-Pro Live auf dem “Real Look”, also dem echten Aussehen. Doch das e-Pro sieht nicht nur echt aus: Es ist ein echtes Akustik-Schlagzeug. Allerdings sind statt der Schlagfelle Triggerpads montiert. Sowohl dies als auch der Zusatz “Live” im Namen meines Testkandidaten gibt Aufschluss über den Verwendungszweck und die Zielgruppe des e-Pro. Es richtet sich sowohl an alle Live Trommler, die nicht sofort als E-Drum-Spieler enttarnt werden wollen, als auch an diejenigen, die nicht auf das Spielgefühl eines echten Schlagzeugs verzichten wollen. Dabei macht sich letzteres sicherlich auch beim Üben oder im Studio bezahlt. Really Real soll das e-Pro also sein. Mal schauen, ob Pearl das gelungen ist.
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Details
Bevor es gleich philosophisch weiter geht, kommen hier erst einmal die harten Fakten. Wie schon erwähnt ist die Basis des e-Pro Live ein echtes Akustik Set, bestehend aus 10″x6.5″ und 12″x7″ Toms, einem 14″x8″ Floor Tom, einer 20″x12″ Bassdrum und einer 14″x4,5″ Snaredrum. Alle Kessel bestehen aus sechs Lagen Holz und tragen die Kesselhardware der „Vision“ Serie. Neben der „Quilted Maple“ Lackierung meines Testsets steht noch „Jet Black“ als Finish zur Auswahl.
Auch der Rest der Hardware stammt aus Pearls Welt der Akustik-Drumsets. Sowohl die Tomarme aus der 900er Serie als auch die Beckenarme sind alte Bekannte. Zusammengehalten wird das ganze Set von einem modifizierten „Icon Rack“. Weiter geht’s mit der Elektronik: Anstelle der Schlagfelle sind beim e-Pro „Tru Trac“ Elektronik Heads montiert. Hierbei handelt es sich um Zweizonen-Pads mit leicht texturierter, weißer Oberfläche. Beschaffenheit und Oberfläche der Pads orientieren sich getreu dem Motto „Real Feel“ an den Eigenschaften von Akustik-Schlagfellen. Becken gibt es beim e- Pro in zwei Ausführungen. Zum Einen als traditionelle Kunststoffpads mit Gummi-Spielfläche, namens „EPC 2“, zum Anderen als „E Classic“ High End Variante mit echtem Messing. Die Funktion beider Ausführungen ist gleich. Der Beckensatz besteht aus einem Dreizonen-Ridebecken, einem Crashbecken und einer Hi-Hat samt Controller.
Die Größen des “EPC 2”-Beckensatzes sind: 14“ Ride, 12“ Crash und 12“ Hi-Hat, die des „E Classic“ dagegen 16“ Ride, 13“ Crash und 12“ Hi-Hat. Das Soundmodul trägt den Namen “R.E.D. Box”. R.E.D steht für “Real Electronic Drums” und ist gleichzeitig die Farbe des Geräts. Die R.E.D. Box ist mit 128 MB Ram ausgerüstet, die Soundlibrary umfasst 100 vorkonfigurierte Kits, bestehend aus 1000 Einzelsounds. Darunter befinden sich sowohl Akustiksets, als auch Elektro- und Effektsounds. Wer mehr möchte, kann von der Memory-Switch-Funktion Gebrauch machen. Pearl bietet in Zusammenarbeit mit bekannten Sample-Fabrikanten (z.B. Toontracks, Steven Slate oder FXPansion) alternative Sets zum Kauf an. Je nach Wunsch kann mit dem Memory-Switch der gesamte Speicherplatz für eins oder mehrere dieser Sets frei geräumt werden.
Nun wieder zurück zur Philosophie. Ich habe mir kurz überlegt, wie ich alle Fragen aus dem Intro des Tests oder am besten gleich jedes Thema, das mir im Bereich E- Drums einfällt, in diesem Test abhandeln kann. Allerdings ist die die Anzahl der Themen sicher annähernd so groß wie die Anzahl der Käufer dieses Schlagzeugs. Deshalb ist es wohl schlau, im “Sinne des Erfinders” zu testen. Ein Anruf beim Erfinder, also Pearl, hat mir Klarheit darüber gebracht, was die Stärken des e-Pro sein sollen und für wen und für welche Verwendungszwecke es gemacht ist. Auf geht’s. Die Kessel des e-Pro sind echte Holzkessel. Wie man von Pearl erfahren kann, bestehen sie aus sechs Lagen Holz. Welches Holz verwendet wurde, wird nicht verraten. Auch ist unklar, ob die Kessel einer aktuellen Serie entstammen. Ich würde sie allerdings am ehesten der Kategorie “Forum” zuordnen, auch wenn die Kesselhardware aus der “Vision” Serie stammt. Auf jeden Fall sind die Trommelkessel meines Testkandidaten mit Pearls “SST” Superior Shell Technologie gefertigt. Das zeigen die typischen Kreuzverleimungen der einzelnen Holzlagen. Die Verarbeitung der Kessel und der Gratungen, die übrigens 45° und damit Standard sind, ist tadellos.
Alle Trommeln sind bereits mit Resonanzfellen ausgestattet und auf der Snare ist sogar ein Teppich montiert. Der Weg zum Einsatz des e-Pro als Akustikset ist also nicht weit. Und klingen wird es bei den Zutaten sicher auch nicht schlecht. Akustik-Schlagfelle gehören allerdings nicht zum Lieferumfang. Sehr schick und ebenfalls tadellos ist die „Quilted Maple“ Hochglanzlackierung meines Testsets. Zur Hardware des e-Pro, die ein dreiseitiges „Icon Rack“ plus vier Rackklemmen, sowie drei Tomarme, zwei Beckenarme einen Hi-Hat-Halter, eine Halterung für das Modul und einen Snareständer umfasst, kann ich nur soviel sagen: funktioniert und hält einwandfrei. Also weiter im Text. Wie ich im oben schon erwähnten Gespräch mit dem netten Pearl Produktmanager erfahren habe, ist ein anvisierter Verwendungszweck meines Testkandidaten das Üben. Das e-Pro passt sicher nicht in jedes Rock’n’Roll-Budget, allerdings ist die Entscheidung für ein E-Schlagzeug als Übeinstrument generell kein billiges Vergnügen. Erstes großes Plus des e-Pro ist das „heimische“ Gefühl, das die echten Kessel und die damit gewohnte Akustikset-Umgebung schaffen. Da bin ich überrascht, das habe ich unterschätzt. Auch bei der Entwicklung der „True Trac“-Zweizonen-Pads wurde laut Pearl größter Wert auf eine authentische Bespielbarkeit gelegt. Das Ergebnis ist gut, wie ich finde. Das Spielgefühl der Pads entspricht dem einer recht hoch gestimmten Snare. Allerdings gibt es nur diese eine Ausführung. Und so fühlt sich also auch das Standtom an wie eine Snare – das ist etwas ungewohnt. Für die Bassdrum gibt es selbstverständlich ein eigenes Pad. Auch dieses ist gut gelungen. Es ist recht weich, ich würde das Spielgefühl mit dem einer tief gestimmten Rock-Bassdrum vergleichen. Wie sich die True Tracs im Langzeittest auf Sehnen und Handgelenke auswirken, kann ich nicht sagen, jedoch ist nach zwei Stunden Intensivbespielung noch alles tiptop. Zu meinem Test habe ich einen Beckensatz mit Gummi-Spielflächen bekommen. Auch dieser ist gut gelungen und funktioniert zuverlässig, mit recht realistischem Spielgefühl. Positiv überrascht bin ich von der geringen Lautstärke der Pads im Allgemeinen. Selbst die Bassdrum ist ohne großen Dämpfaufwand recht leise. Bei Einhaltung der Übezeiten und mit Betonfußboden ist das e-Pro vermutlich mietwohnungstauglich. Die Hardware bekommt also schon mal ordentlich Punkte von mir. Und wie klingt`s? Trommelwirbel…
Das Soundmodul des e-Pro nennt sich zwar R.E.D Box. Es ist aber sicher kein Geheimnis, dass die Redbox ein modifiziertes Alesis DM 10 ist, auch wenn darüber nicht viel gesprochen wird. Die Benutzeroberfläche der R.E.D Box ist angenehm übersichtlich und spielerfreundlich gestaltet, so dass ich mich auch als Ungeübter ohne langes Studium der Betriebsanleitung zurecht finde. Die zentralen Themen sind die Setauswahl (Kit Select), die Fadersektion, mit der ich mir die Lautstärkeverhältnisse zwischen den einzelnen Instrumenten schnell einstellen kann, und die Sektion mit den Übesongs.
Aber die Frage war ja: Wie klingt`s?
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Also: Wie auch die Module der Konkurrenz schneidet auch die R.E.D Box in der Disziplin akustischer Drumsounds nicht besonders gut ab. Die Dynamikabstufung ist einfach nicht ausreichend, um das Ansprechverhalten einer echten Trommel auch nur halbwegs nachzubilden. Die Auswahl der Sounds ist zwar Geschmackssache, aber wenn man mal aktuelle Musikproduktionen als Maßstab nimmt, findet man nicht sehr viele Übereinstimmungen. Des Weiteren klingen die Factory Sounds der R.E.D Box durchweg ein wenig harsch. In Zeiten von BFD Addictive Drums und Co. hängt die Meßlatte sehr hoch, besonders was Natursounds angeht. Die Antwort auf die Frage, warum selbst die hochwertigen E-Drum-Module hier so deutlich hinterherhinken, ist in den wie immer kleinen Speicherkapazitäten begründet.
Neben den Akustiksounds bietet die R.E.D Box natürlich auch eine Vielzahl von Elektro-, Percussion und Effektsounds. Diese haben mich deutlich mehr begeistert als die Natursounds. Besonders die Kits mit exotischer Percussion und die Voicekits machen Spaß.
Die Übesongs, die sich querbeet durch die Stilistiken bewegen, sind für meinen Geschmack nur mäßig spannend. Auch hier machen sich die Auswirkungen des kleinen Speichers bemerkbar. So kommen keine Audiotracks zum Einsatz, sondern nur etwas sparsam klingende Midi Programmierungen. Allerdings lässt sich über den Aux Anschluss ein Audio Player an das Modul anschließen, und so kann ich dann zu meiner Lieblingsmusik üben.
Für den Umgang mit den nicht so hervorragenden Akustik-Sounds der R.E.D Box bietet Pearl eine tolle Lösung. Und die heißt: Memory Switch. Pearl bietet in Zusammenarbeit mit verschiedenen namhaften Sampleherstellern Austauschsets für das Modul an. Diese stehen (gegen Bezahlung natürlich!) zum Download bereit. Mittels einer speziellen Software kann der gesamte Speicherinhalt der R.E.D Box gegen ein oder mehrere Downloadsets getauscht werden. Und natürlich auch zurück. Im Moment ist die Auswahl noch nicht riesig, laut Pearl wird aber zur Zeit daran gearbeitet, die eigenen Akustikdrums zu samplen und diese dann als Kits für die R.E.D Box anzubieten. Zu meinem Test habe ich das „Vibetastic“-Kit von Toontracks bekommen. Der Unterschied ist deutlich zu hören. Das Dynamikverhalten des Sets ist realistischer als bei den Factory Kits der R.E.D Box und die Einzelsounds klingen auch viel mehr nach echtem Schlagzeug, wie die Audiobeispiele in diesem Test zeigen. Übrigens bietet Pearl auch eine Menge Übesongs als MP3 zum Download an.
Ein weiterer möglicher Verwendungszweck für das e-Pro ist der Einsatz im Studio. Aufgrund der eben angesprochenen Sound-Situation ist es sicher sinnvoll, das Modul für Recordings als MIDI-Einspielgerät zu verwenden. Das bedeutet, dass für die Produktion Mididaten aufgenommen werden. Diese werden später verwendet, um externe Soundlibrarys anzusteuern, während die internen Sounds der R.E.D Box für ein komfortables Monitoring während des Einspielens sorgen. Zum echten Luxusobjekt kann das e-Pro auch für Tanz- oder Top-40-Musik werden. Hier sorgt natürlich wieder die Optik des Akustikschlagzeugs für ein riesiges Plus. Für meinen Geschmack sind die internen Sounds des Moduls jedoch nur grenzwertig ausreichend für diesen Zweck. Wer allerdings den etwas größeren Aufwand nicht scheut, kann auch live auf externe Soundlibrarys zugreifen und dann bleiben optisch, spielerisch und klanglich wenig Wünsche offen. Im Moment ist das e Pro ausschließlich als Komplettpaket erhältlich. Das soll allerdings laut Auskunft von Pearl nicht ewig so bleiben. Als Upgrade zum bestehenden Set ist als nächstes eine Hi-Hat zur Montage auf einer echten Hi-Hat-Maschine geplant. In nicht allzu ferner Zukunft sollen zudem auch Vierzonen-Pads und ein passendes Modul auf den Markt kommen.
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Auch wenn sich dieser Test nicht durchweg wie ein Lobgesang liest, ist mein Gesamteindruck vom e-Pro Live positiv. Besonders das Akustikset als Basis des e-Pro ist mit all seinen Vorzügen eine tolle Neuerung in der Welt der E- Drums. Der überwiegende Teil der “Beschwerden” bezieht sich auf die Sounds der R.E.D. Box. Besonders im Vergleich mit Soundlibrarys wie BFD, Addictive Drums, Strike schneidet das Modul nicht besonders gut ab. Zwar kann ich via MIDI auch auf die eben genannten Librarys zugreifen. Doch wenn ich schon ein Soundmodul als Bestandteil meines Sets habe, dann wäre es doch schön, wenn es auch toll klänge und ich mir diesen Arbeitschritt sparen könnte. Inzwischen ist die Hardware von E-Drums so ausgereift, dass es mich immer wieder wundert, wie weit die Soundmodule klanglich hinterherhinken. Ich finde, die nächste Evolutionsstufe ist überfällig, doch das gilt sicher nicht nur für das e-Pro. Fest steht: Es ist leichter zu meckern, als ein E-Schlagzeug zu bauen. Besonders im Hinblick auf die technische Komplexität verdient das e-Pro ein großes Lob dafür, dass es so tadellos funktioniert. Bis auf ein paar Aussetzer bei aufwändigeren Figuren auf der Hi-Hat erledigen sowohl das Set als auch das Modul ihren Dienst ohne Murren und Knurren. Auch die Pads vermitteln ein realistisches Spielgefühl. Das e-Pro kann zusätzlich etwas, dass nicht jedes Elektro-Schlagzeug kann: gut Aussehen. Ob das den erhöhten Transportaufwand rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Anschlüsse: Main Out, Aux Out, Aux In, USB, Midi In/Out, Trigger Inputs: Kick, Snare, Tom 1-3, Hi-Hat, Hi-Hat Control, Crash, Ride 1+2, ACC 1-4, Phones, 16V DC
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Mario sagt:
#1 - 08.09.2011 um 14:35 Uhr
kann man an das Kit mit Messing Becken auch Alesis Becken ranbasteln ?