Musiker im Social Media Stress

Als Künstlerin oder Künstler ist ein sicherer Umgang mit den relevanten Social-Media-Kanälen Pflicht. Konzerte ankündigen, Content verteilen, sich sichtbar machen, vernetzen. Klar, dass man auf Facebook, Instagram und vielleicht noch anderen relevanten Plattformen mehr Zeit verbringt als man wirklich wissen möchte. Neben lustigen Katzenvideos kann man im digitalen sozialen Netz insbesondere als kreativer Geist in einen Strudel von Unzufriedenheit und Stress geraten. Wieso eigentlich? Und wie stellt man das ab? Ich habe mir mal Gedanken gemacht.

(Bild: © Shutterstock, Foto von Dariusz Sankowski)
(Bild: © Shutterstock, Foto von Dariusz Sankowski)

Wieso sind wir Musiker von Social Media eigentlich gestresst?

Unsere Accounts als eine Art gesteuerter Exklusiveinblick und “Pressestelle” sind schon eine gute Sache und aktiv bei der Sache mitzumachen kann auch richtig Spaß machen. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Den meisten Teil verbringen wir passiv auf den Plattformen als Beobachter, als Konsumenten, saugen das, was wir sehen und lesen auf, verarbeiten es und bilden uns – ob wir wollen oder nicht – eine Meinung dazu. Wer soziale Medien so sehr für sein Berufsleben nutzt wie wir Musiker*innen, bezieht automatisch vieles von Kollegen und Branchenrelevantes auf sich selbst. Und so kann es sein, dass wir in ein regelrechtes Loch fallen, weil wir den Eindruck haben, dass es bei vielen anderen viel besser läuft als bei uns. Dass uns die nächste Headline zu schnöden Streaming-Erlösen mal wieder den Glauben in das Business verlieren lässt oder wir uns fragen, wie die andere, ähnlich erfolgreiche Band aus der Stadt ein so überkrasses Video bloß finanzieren konnte. Dabei spreche ich hier nicht von Neid. Positiven Neid im Sinne von “Boah, das würde ich auch gern können/so würde ich gern sein” finde ich im Übrigen absolut hilfreich, weil er uns dazu anspornt, über uns hinauszuwachsen. Über negativen Neid möchte ich gar nicht viel sprechen, denn Missgunst macht kalt, traurig und ist einfach doof. Aber Gedanken wie “Wieso komme ich da nicht hin? Was mache ich falsch? Das Business ist einfach nur unfair” haben wir Musiker*innen vermutlich alle mal in ähnlicher Form von Zeit zu Zeit.

Nicht alles, was glänzt, ist Gold

Na, mal wieder im Nightliner aufgewacht? Morgens um 7 Uhr eine Stunde joggen gewesen und danach artig Skalen geübt? Gestern Abend vor mehrerenTausend Menschen gespielt? Gerade zufällig und easy einen Welthit auf der Couch geschrieben? Das ist vermutlich von den wenigsten die Alltagsroutine, aber wenn wir durch Instagram scrollen, wird uns das perfekte Leben anderer in Schleife angezeigt. “Alle” erleben etwas Aufregendes, “jeder” hat etwas Großes in Planung, “die anderen” üben immer fleißig, wozu man selbst nie kommt – könnte man zumindest meinen! Obwohl wir es besser wissen, vergessen wir oft, dass wir auf Instagram, Facebook & Co. nur eine geschönte Realität sehen. Daher macht euch immer wieder bewusst, dass ihr nur einen Teil der Wirklichkeit bis eine kleine Illusion seht. Einen schrecklichen, feucht-kalten Proberaum wird eure Kollegin wahrscheinlich nicht posten. Vielleicht herrscht in der Band gerade dicke Luft und natürlich macht man lieber Fotos von geilem Catering als vom Raststätten-Fraß. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo zwischen den Extremen.
Um sich das immer wieder bewusst zu machen, finde ich es erleichternd und spannend, sich Musik-Dokus anzuschauen. Egal, ob es genretechnisch die Metallica-Doku “Some Kind of Monster” ist oder die noch recht neuen Dokus über Katy Perry und Lady Gaga. Natürlich finden Konflikte und Probleme auf anderen “Ebenen” statt, aber die Dokumentationen zeigen noch einmal, dass wirklich alle ganz “normale” Musiker- und Bandprobleme haben.

Sich nicht über Social Media definieren

Einige Leute haben ihr Instastory-Life richtig ausgecheckt, posten direkt nach dem Aufstehen ihre Gedanken oder was sie so tun, begleiten jeden Schritt ihres Lebens, denn es ist ja nach 24 Stunden wieder weg und so lässt sich immer schön etwas für die Community tun. Inwieweit der ein oder andere das wirklich mit Kalkül macht oder irgendwann vergessen hat, dass man das Handy auch mal weglegen kann? Die Grenzen sind fließend. Wer sich irgendwann nicht mehr vollständig fühlt, weil man einen Tag nichts gepostet hat, sollte überlegen, ob man nicht schon eine Stufe überschritten hat. Wichtig ist: Sich bewusst machen, dass die sozialen Medien für uns Musiker ein Vehikel, ein Werkzeug sind, aber wir uns darüber nicht definieren sollten. Ein Satz, den ich neulich aufschnappte:
“Man soll als Künstler persönlich sein, aber nie privat werden.”
Das, finde ich, trifft es ganz gut. Wenn unsere Accounts irgendwann dazu mutieren, dass wir uns nur “gut” fühlen, wenn dort immer etwas los ist, wäre es mal wieder an der Zeit, mit Freunden ins Kino zu gehen, in den Urlaub zu fahren, gut essen zu gehen – und diese Momente auch bewusst ganz privat zu genießen.

Social Media als Werkzeug sehen

Ich sagte es oben schon – die sozialen Medien sind ein Werkzeug. Zum Verbinden, zum Verkünden, um bekannter zu werden, Fans zu bespaßen und Business-Partner zu beeindrucken. Aber alles, was dort passiert, ist vergänglich und wer weiß, vielleicht ist Facebook in ein paar Jahren das nächste Myspace und Instagram nicht mehr wirklich nützlich. Mistet Accounts aus, die ihr nicht wirklich pflegt oder benötigt und nutzt die Tools nicht als Tagebuch, sondern für ihre Funktionen. OffTopic-Nonsense ist nur bei wirklichen Stars interessant. Eie ein Newcomer mit noch geringer Reichweite morgens vor der Dusche aussieht, ist maximal für die Freunde witzig.
Wie ihr Instagram für euch sinnvoll nutzt, erfahrt ihr hier:

Sich an Likes & Followern messen

Klar, unsere Kanäle und ihre Zahlen sind wichtig. Veranstalter gucken drauf, potentielle neue Fans neigen eher bei großen Sites zum Gefällt-mir-Klick als bei der 500er-Fanseite und von dem Mitarbeiter eines Majorlabels bekam ich mal folgenden bedeutungsvollen Satz um die Ohren: “Unter 9000 Facebook-Fans guck ich mir eine Band gar nicht erst an.” Natürlich ist es wichtig, dass auf den Accounts zahlenmäßig was passiert. Aber das ist nicht alles und es ist auch immer zielgruppenabhängig.
Allerhand erfolgreiche Jazz-Combos performen auf Facebook beispielsweise überhaupt nicht gut, weil ihre Zielgruppen dort nicht so aktiv unterwegs sind, während einige Tennisstars hunderttausende Instagram-Follower haben, die sich aber nicht in echtes, Eintritt zahlendes Publikum konvertieren lassen. Ach ja, und dann ist da noch der Facebook-Algorithmus, der unsere Posts einfach verschwinden lässt und wir für manche Posts deswegen nur so mickrige Likes bekommen. Also, macht euch nicht verrückt!

Rausgehen und sprechen statt posten und kommentieren

Es gibt zahlreiche Artikel darüber, dass die sozialen Medien unsere Gesellschaft einsamer machen. Vermeintlich stehen wir in Kontakt, hängen dabei aber alleine zu Hause rum und scrollen uns durch die Timeline. Gerade im Musikbusiness, wo wir unseren Kolleginnen und Kollegen und uns immer gegenseitig spiegeln, was wir alles Tolles erreichen, ist es wichtig, im echten Austausch zu bleiben. Trefft euch auf einen Kaffee, sprecht über die Dinge, die es nicht in einen Post schaffen. Das sorgt einerseits für einen realistischeren Blick für beide Seiten und führt andererseits dazu, dass man verbindlicher miteinander umgeht. Und überhaupt: Persönlicher Kontakt mit netten Leuten ist einfach eine schöne Sache und nicht durch einen Facebook-Kommentar zu ersetzen.

Zuletzt: Bewusster Konsum

Social Media sind die Zigaretten von heute. Wir nutzen sie definitiv zu oft und dabei ineffektiv. Wer entspannter werden möchte mit dem, was im Internet um einen herum passiert, sollte seinen Konsum überdenken. Richtet euch ein paar Zeitfenster am Tag ein, in denen ihr eure Accounts checkt und greift nicht immer zum Smartphone, wenn ihr einen Anflug von Langeweile habt oder euch ablenken möchtet. Für harte Fälle hilft es auch die Facebook-App vom Handy zu verbannen und nur am Laptop drauf zu schauen. Oder richtet euch eine Kindersicherung-App ein, die den Gebrauch eurer Accounts auf eine bestimmte Dauer pro Tag begrenzt.
Und nun viel Erfolg beim Entspannterwerden!
Eure Nina
(die während des Schreibens viel zu oft auf Facebook geguckt hat)

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(Bild: © Shutterstock, Foto von Dariusz Sankowski)

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von nina.graf

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Micha sagt:

#1 - 26.04.2022 um 12:32 Uhr

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