M-Audio Torq-Conectiv Test

Intro

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Als das Conectiv-System 2005 mit einem Verkaufspreis von nur 290 Euro als preiswerte Alternative zu Traktor-Scratch, Scratch-Live und Final-Scratch (alle etwa 600 Euro) antrat, konnte es eine große Anhängerschaft für sich gewinnen. Inzwischen sind fünf Jahre ins Land gezogen, der Verkaufspreis ist auf etwas über 200 Euro (339 UVP) gefallen. Eine lohnenswerte Investition für den digitalen DJ?

Produktbeschreibung
Torq Conectiv ist ein Komplettpaket aus DJ-Software, Audiointerface und Steuermedien. Entwickelt für DJs, die während ihrer Laptop-gepowerten Performance nicht auf Vinyl- oder CDJ-Feeling verzichten wollen. Torq bietet computergestütztes Beatmatching, interne Effekte, ist Rewire-kompatibel und unterstützt VST-Plug-Ins, vorausgesetzt, es ist M-Audio Hardware angeschlossen – in diesem Fall ein Conectiv-Soundmodul. Hört sich gut an, allerdings hat es seit fast fünf Jahren kein Generationsupdate gegeben – Patches für aktuelle Betriebssysteme mal ausgenommen. Version 1.01 erschien 2006, das einzige kostenpflichtige „Major“-Update auf 1.5 hat auch bereits anderthalb Jahre auf dem Buckel. Glaubt man den Spatzen der virtuellen Webdächer, soll nach internen Umstrukturierungen bei AVID nun bald wieder etwas auf dem TORQ-Sektor geschehen. Mit seinem aktuellen Verkaufspreis ist Torq neben Mixvibes Ultimate das preiswerteste Bundle im Testparcours. Kann es aktuell noch mit der Konkurrenz mithalten?
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Details

Ausstattung
Torq ist der einzige Kandidat im Testfeld, der ohne ein Cinch-Kabel-Set ins Rennen geschickt wird. Schön, dass mich das Paket nicht am Samstagnachmittag auf dem Land erreicht, sondern im Berliner-Studio, wo noch ein freies Kabel-Quartett zugegen ist oder die örtlichen Shops bis 22 Uhr geöffnet sind. Weiteres Stöbern im Karton brachte den Quickstart-Guide, ein USB-Kabel, je zwei Timecode-Vinyls und -Discs, die Software- und Treiber CDs und natürlich das Conectiv-Audio-Interface zum Vorschein.
Interface
Beim Conectiv-Interface handelt es sich um einen vierkanaligen 16-Bitter mit maximal 48 kHz Sampling-Frequenz und optionalem Netzteilbetrieb. Bis auf das Kopfhörer- und Mikrofonkabel laufen alle Anschlüsse nach hinten weg. Auf der Oberseite bietet die Soundbox drei Regler für Cuemix-, Mikro- und Headphone-Pegel. Ein besonderer Eyecatcher sind die großen Drehknöpfe zum Überblenden des Line-/Phono-Signals. So kann man jederzeit zwischen den Torq-Decks und einer herkömmlichen Schallplatte blenden. Zum Beispiel, wenn mit Timecode-CDs und Schallplatten aufgelegt wird oder ein Ping-Pong-Battle zwischen DVS- und Vinyl-DJ besteht. Was an Klangqualität aus dem Kistchen rauskommt, ist in Anbetracht der Preisklasse absolut angemessen, besonders die Phono-Preamps wissen zu gefallen.

Software-Features
Die grafische Benutzeroberfläche zeigt eine siebenstufig skalierbare Wellenansicht mit optionaler Fullscreen-Ansicht  und visueller Mixhilfen. Ich sehe Effekte-Slots, eine Loopabteilung, Hotcues und einen 16-Slot-Sampler. Die Bedienoberfläche ist nicht unbedingt mein Geschmack, doch sie ist funktional und gut aufgeteilt. Der in die Jahre gekommene Browser vermisst zwar aktuelle iTunes-Strukturen und Cover-Art, kommt aber mit kontextbezogenen Search- und Ignore-Filtern, Preview-Player, aber leider ohne Tag-Editor. Das Programm verfügt ferner über eine Learn-Funktion, mit der sich MIDI-Controller einbinden lassen. Besonders interessant ist der Amputate-Mode. Sollte man nur einen CDJ oder Plattenspieler zur Verfügung haben, weil etwa während des Betriebes eine Nadel abgeraucht ist und man das Ersatzsystem vergessen hat, kann man den „Amputate Mode“ aktivieren und der interne Abspielmodus beginnt für den aktuellen Song, der Song auf dem zweiten Deck wird nun per Timecode gesteuert. Gemixt wird am externen Mischpult. Ist der Übergang vollzogen, wechselt man in der Benutzeroberfläche den nun aktuellen Song auf intern, den neu Einzumischenden auf Vinyl und das Spiel beginnt von vorn. Tolle Idee.

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Praxis

Setup
Das Setup von Hard und Software gestaltet sich unkompliziert, allerdings würden gerade Einsteiger von Illustrationen zur Verkabelung und einem Screenshot der Softwareeinstellungen profitieren. Das beigelegte Quickstart Manual ist in Englisch gehalten, ebenso wie die 20 Seiten im PDF-Format und 100 Torq-Pages auf der Installations-CD, daher gibt’s hier Abzüge in der B-Note. Wer über eine Internetverbindung verfügt, der kann deutschsprachige Ausgaben auf der Herstellerseite downloaden.

Handling / Timecode

Leider habe ich keine Waage zur Hand, aber das Torq-Timecode dürfte so um die 130 Gramm wiegen. Jede Seite hat 13 Rillen mit einer Laufzeit von einer Minute. Die Software offeriert den absoluten und relativen und „amputierten“ Betriebsmodus. Leider fehlen Scroll-Tracks und eine Flip-Load-Option. Nachladetechnisch ist also der Wechsel zum Notebook angesagt. Eine grafische Anzeige für die Timecode-Kalibrierung ist nicht vorhanden, sodass man Phasen- oder Stereoverschiebungen nicht mit dem bloßen Auge erkennen und einstellen kann. Stattdessen ist der Threshold in acht Schritten von 0 dB bis -40 dB einzustellen. Nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Stabilität und Performance
Was die gefühlte Reaktionszeit des Torq-Systems angeht, empfinde ich es als etwas träger als die Platzhirsche, was besonders bei enthusiastischen Scratch-Einlagen negativ auffällt. Für Mixzwecke, besonders im Crossgenre-Einsatz, sah ich während des Testlaufs keine Schwierigkeiten mit dem Programm, unbeschadet durch den Abend zu kommen, obwohl es gegenläufige Erfahrungen von Usern gibt. Ein Nachteil ist der geringe Vorlauf des Vinyls. In der Software gibt es zwar eine Einstellmöglichkeit für den Lead-In, in der Praxis hat sich aber gezeigt, dass dies kaum einen nennenswerten Unterschied ausmacht. Trennt man das Interface und steckt es erneut an, müssen die In- und Outputs manuell erneut geroutet werden. Schade.

Software-Tuning
Was die individuellen Konfigurationsmöglichkeiten der Software angeht, ist Torq durchaus umfangreich ausgestattet, was nicht weiter verwundert, da es das Top-of-the-Range DJ-Software-Produkt von M-Audio ist. Ich habe nachfolgend einen Screenshot der Preferences angefügt, damit ihr euch selbst einen Eindruck verschaffen könnt.

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Multidecks und Kreativfeuerwerke
Torq ist ein klassischer Doppeldecker. Zehn Effekte, die als Send oder Insert abgefeuert werden können, sorgen für Abwechslung während der Performance und liefern von klanglicher Seite bei Betrachtung des aktuellen Marktpreises kaum einen Grund zur Beanstandung. Auch hier könnt ihr euch wieder die drei Standard-Typen zum direkten Vergleich mit den Konkurrenten anhören. Die Kreativabteilung lebt natürlich auch von der VST-Bereitschaft, denn dadurch kann der DJ auf eine Vielzahl freier oder kostenpflichtiger Plug-ins zugreifen, zum Beispiel wie im nachfolgenden Screenshot dargestellt.

Effektsektion_01
Audio Samples
0:00
Filter Delay Reverb
Kreativtabelle1_01

Controller-Support
Wie es sich gehört, hat Torq eine Lernfunktion für externe MIDI-Gerätschaften an Bord. Von Haus aus unterstützt M-Audio lediglich die Inhouse-Kommandozentralen Xponent und Xsession (Pro), was bei einem Dongle-Konzept vielleicht verständlich, aber dennoch längst nicht alltäglich ist, wie Native Instruments und Mixvibes eindrucksvoll aufzeigen. Die Funktionszuweisung geschieht recht unkompliziert in der Softwareoberfläche. Die einzelnen Steuerbefehle sind indes nach dem Mapping nicht mehr im Detail konfigurierbar. Einsteiger könnten dies begrüßen, Enthusiasten aber aufgrund mangelnder LED Unterstützung, Regler-Sensibilitäten und dergleichen eher nicht. Eine stellvertretende Auswahl beliebter MIDI-Controller ergab (nix):

DVS-ErgänzendStandalone
Traktor Kontrol X1neinVestax VCI-300nein
Faderfox DX3neinNumark Stealth/Omninein
Xone 1DneinVCI100nein
Denon HC1000SneinVMS4nein

Certified Mixers
Torq-Certified-Mixers im Sinne eines Club- oder Battlemixers mit USB-Schnittstelle für den Computer und eingebautem Interface, das das Conectiv ersetzt, gibt es zum aktuellen Zeitpunkt nicht.

Kurz und Knapp
Zielgruppe: Einsteiger und Sparfüchse
Vorteil: Guter Klang, zahlreiche kreative Features und VST-Support  
Nachteil: Etwas störanfällig, rudimentäre Timecode-Kontrolle, überholte Musikverwaltung

Als das Torq-System in 2006 erschien, war es nicht nur in preislicher Hinsicht eine absolute Bereicherung für den Markt. Innovative Features konnten eine große Anhängerschaft begeistern, wie man anhand der Fürsprecher auf M-Audios Website sehen kann. Leider hat man es versäumt, die Fangemeinde bei der Stange zu halten und manche User sind auf andere Lösungen abgewandert. Doch Torq bietet gerade Einsteigern zu einem kleinen Preis von heute knapp 200 Euro ein ansprechendes Audio-Interface mit solidem Klang und einige kreative Features. Seine besonderen Stärken sind VST-Support und Rewire-Funktion, allerdings ist es in basslastigen Umgebungen störanfälliger als teurere Lösungen. Auch die Musikverwaltung (besonders iTunes) ist nicht mehr zeitgemäß. Was Updates und Zukunftsperspektiven angeht, kann man schlecht eine Prognose treffen. Allerdings bietet das System sämtliche Grundfunktionen, was man zum digitalen Plattendrehen auf zwei Decks braucht und hat dank VST-Unterstützung genug FX-Reserven.

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