Loud & Clear – Jahresreport von Spotify zeichnet rosiges Bild der Musikwirtschaft und löst Skepsis aus

Der Streaming-Marktführer Spotify steht seit Jahren immer wieder in der Kritik. Von zweifelhaften Investitionstaktiken in die Rüstungsindustrie und Statements des CEO Daniel Ek über die mangelnde Produktivität und Anpassungsfähigkeit von Musiker:innen bis zum Auszahlungsmodell der Plattform ist der Ruf von Spotify gerade im Independent-basierten Teil des Musikgeschäfts nicht der Beste. Nun hat Spotify seinen jährlichen „Loud & Clear”-Report veröffentlicht, in dem ein rosiges Bild, nicht nur von der Musikwirtschaft, sondern auch und vor allem von Spotifys Rolle als Support von Künstler:innen gezeichnet wird, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer Musik bestreiten wollen. Doch Skepsis ist, leider, definitiv angebracht. Der jährliche „Loud & Clear”-Report informiert über die von Spotify getätigten Ausschüttungen.

Loud & Clear – Jahresreport von Spotify zeichnet rosiges Bild der Musikwirtschaft und löst Skepsis aus
Shutterstock, Chubo – my masterpiece

Der diesjährige Bericht startet mit dem Statement:

Artists verdienen Klarheit über die wirtschaftlichen Aspekte des
Musik-Streamings. Diese Website soll für mehr Transparenz sorgen,
indem sie neue Daten zu Spotifys Tantiemenzahlungen veröffentlicht und
die globale Streaming-Wirtschaft, die Akteure und
den Prozess aufschlüsselt.

Geschönte Zahlen und (un-)geschicktes Framing

Zunächst brüstet sich Spotify mit einem Gesamtauszahlungsbetrag von über neun Milliarden US-Dollar im letzten Jahr und mit dem Statement „More Money at every Level“. Unter Verwendung einer Grafik wird gezeigt, wie von den kleinsten bis zu den größten Künstler*innen scheinbar alle mehr Geld verdienen. Leider bezieht diese Grafik nur diejenigen ein, die über der Untergrenze von mindestens zehntausend Dollar Jahresverdienst liegen – und lässt damit einen großen Anteil der Musikwirtschaft bewusst aus. Dass sich „von 2017 bis 2023 die Anzahl der Artists die zwischen 1000 und 10 Millionen Dollar einnehmen verdreifacht“ hat, wie es dazu beschrieben wird, klingt schön, ist jedoch abgesehen von einem grundsätzlichen Wachstum der Plattform wenig aussagekräftig. Und obwohl die Verdienstuntergrenze der mit einbezogenen Artists bei diesem spezifischen Statement sogar niedriger gesetzt wird, wird immer noch ein wesentlicher Teil professionell agierender Künstler*innen ausgelassen.

Spotify sind nicht die Indie-Darlings, als die sie sich darstellen

Der Bericht betont, 2023 sei mit mehr als 50 Prozent Umsatzanteil das „Jahr der Indies“ gewesen, womit Independent Labels und Independent Artists gemeint sind. Weiter heißt es, dass viele der Künstler*innen, die 2023 mindestens eine Million Dollar Streamingumsatz generiert haben, keine bekannten Namen seien, die einen Hit veröffentlicht hätten. Karrieren würden nicht nur auf Spotify beginnen, sie wuchsen auch dort und bekämen von der Plattform die notwendige Hilfe, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, denn die Zahl der mehr als 10.000 Dollar im Jahr verdienenden Künstler*innen auf der Plattform habe sich schließlich seit 2017 verdreifacht. Das sei all jenen natürlich von ganzem Herzen gegönnt, doch auch hier fehlt der Kontext zu denen, die aus nicht in dieser Statistik auftauchen. Solche Aussagen lesen sich wie knallhart-kapitalistische Major-Label-Rhetorik – wer die Dokureihe „Dirty Little Secrets” kennt, weiß um die Realität und die traurige Ironie dieser Aussage.

Keine Lügen, aber halbe Wahrheiten

Es werden weitere, auf den ersten Blick großartige Zahlen und Fakten genannt. Beispielsweise Rekordausschüttungen an Urheber*innen und Verlage von über vier Milliarden Dollar in den letzten zwei Jahren. Das klingt nach Fairness und Fortschritt, doch dass die Inhaber*innen dieser Rechte meist große Agenturen und an Major-Labels angeschlossene Verlage sind, wird nicht erwähnt. Mit der selbstbetitelten Intention von Transparenz wirkt solch ein Report jedoch trotzdem wie ein unschuldsbetontes Schulterzucken nach dem Motto: Wir sagen ja die Wahrheit! Und das stimmt an sich auch, aber die ganze Wahrheit ist es sicher nicht.

Spotifys „Loud & Clear”-Report ist mehr Marketing als Transparenz

Globaler Wirkungsradius, Promotion-Potenzial, Facetten des Karrierewachstums werden außerdem als vermeintliche Messgrößen für den Erfolg der Plattform herangezogen. Der allgemeine Aufschwung in der Musikindustrie, gemessen an den reinen Umsatzzahlen, ist real und grundsätzlich wünschenswert. Der „Loud & Clear”-Report von Spotify ist jedoch kritisch zu betrachten, da er den Fokus vor allem auf die legt, die ohnehin von Spotify profitieren, und kleinere Künstler*innen außer Acht lässt. Und so liest sich dieser Bericht auch: Big Business PR. Echte Transparenz würde bedeuten, vollständige Statistiken über den gesamten Musik- und Artist-Katalog der Plattform zu veröffentlichen, um einen kritischen und für alle Beteiligten produktiven Diskurs zuzulassen. Leider hat Spotify das Potenzial, sich zu rehabilitieren und für demokratische Teilhabe zu engagieren, nicht genutzt.

Musikstreaming – sind Spotify & Co. fair für Künstler? Artikelbild
Musikstreaming – sind Spotify & Co. fair für Künstler?

Wie die Ausschüttung bei Spotify & Co. funktioniert, warum gerade Independent-Künstler unter der Abhängigkeit von den Plattformen leiden, wie Streaming das gesamte Musikbusiness verändert – und wie es auch anders ginge.

13.05.2019
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