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Kodamo EssenceFM MKII Test

Es ist ein sehr erfreulicher Trend, dass sich aufgrund der guten Verfügbarkeit und einfachen Programmierbarkeit von Embedded-Prozessoren immer mehr kleinere Firmen und Einzelentwickler erfolgreich daran wagen, komplette Synthesizer-Konzepte im Alleingang zur Marktreife zu bringen. Denn faktisch ist der Bau eines Digital-Synthesizers in den letzten Jahren immer einfacher geworden: im Grunde gilt es hier lediglich ein funktionales (dabei nicht selten auch innovatives) Hardware-Design zu entwerfen, eine funktionierende Hardware-Plattform zusammen zu stellen (wobei die Kern-Aufgaben Betriebssystem, Interface, DSP-Processing und I/O-Verwaltung ja bereits in der Entwicklungsumgebung des Embedded-Prozessors vorhanden sind), ein brauchbares GUI zu programmieren und – natürlich – die eigentliche, Algorithmen-basierte Synthese-Engine zu entwickeln. Wobei die elementaren Algorithmen zur Klangerzeugung und Effektierung im Grunde auch alle frei verfügbar sind. Entsprechend sprießen von ASM’s Hydrasynth, über den Argon8 und Cobalt8 von Modal Electronics, bis hin zum ELZ_1 von Sonicware immer mehr frische Synthesizer-Konzepte aus der Synthesizer-Landschaft, die nicht selten ziemlich mutige, neue Ansätze verfolgen. In dieser Entwicklung ist auch der hier getestete EssenceFM MKII der französischen Firma Kodamo zu sehen, der auf einer ARM-Prozessor-Architektur basiert.

Kodamo EssenceFM MKII Test
Der Kodamo EssenceFM MKII zeigt sich als ausgeklügelter FM-Synthesizer mit tollem Sound, enormer Polyphonie und immensen Möglichkeiten. (Foto: Numinos)

Details

Überblick

Mit einer dieser schlank programmierbaren ARM-Multicore-CPUs, wie sie beispielsweise auch beim Waldorf Kyra zum Einsatz kommen, ist der EssenceFM MKII in der Lage, nicht weniger als 300 Stimmen zu erzeugen, von denen 128 in einem Patch gelayert werden können und denen jeweils sechs Operatoren zur Verfügung stehen. Und mehr noch: Das virtuelle Verschalten eigener Operatoren ist nämlich genauso möglich, wie das einfache Zeichnen von Benutzer-Schwingungsformen und LFOs am Touchscreen. Dazu kommen noch flexible 6-Punkt Hüllkurven mit Loop-Punkten, acht Modulationsrouten mit 139 Quellen und 224 Zielen und ein 128-Event Step-Sequenzer. Das alles wird klanglich abgerundet durch ein Multimode-Resonanzfilter und zwei 32-Bit DSP-Effekte. Das alles findet in einem ergonomischen Gehäuse Platz, das wahlweise als Desktop– oder Rack-Gerät montiert werden kann und neben einem Kopfhörerausgang acht physische Einzelausgänge beherbergt.
Die hier zum Test antretende MKII ist eine sehr organische und logische Weiterentwicklung der ersten Version, bei der das grundsätzliche Konzept nicht verändert wurde. Es sind vielmehr viele kleine Hard- und Software-seitig Detailverbesserungen, die zur MKII geführt haben. Hier mal in Stichpunkten einige der wesentlichen Verbesserungen der MKII:

  • Verstärkte Aluminium Seitenteile
  • Abnehmbare Rack-Schienen
  • Dickere Frontplatte
  • Höherer Ausgangspegel
  • 495 Patches (MKI: 399)
  • 686 Voices (MKI: 521)

Dass aber der Kern der Synthese unangetastet geblieben ist, zeigt sich schon daran, dass MKI und II in Bezug auf die Klangprogramme vollständig kompatibel sind und auch die eigentliche DSP-Hardware, die im Inneren werkelt, unverändert ist.

Auspacken

Der EssenceFM MKII wird mit in einem rechteckigen Karton geliefert, in dem er – eingewickelt in Schaumstoff-Folie – seine Reise verbracht hat. Er wird begleitet von einem Netzteil, einem sehr gut geschriebenen englischsprachigen Handbuch und zwei Rack-Ohren samt Schrauben.

Fotostrecke: 2 Bilder Das unscheinbare Paket aus Frankreich verspricht die ultimative FM-Erfahrung. (Foto: Numinos)

Erster Eindruck

Das Testgerät erreicht mich mit bereits montierten Desktop-Ohren. Damit lässt sich der EssenceFM MKII arbeitsgerecht auf dem Arbeitsplatz platzieren. Montiert man diese ab, kann man den Synth auch mit der Rückseite flach auf den Tisch legen. Montiert man die mitgelieferten Rack-Ohren, lässt sich der drei Höheneinheiten hohe Synth auch im 19-Zoll-Rack verstauen – idealerweise ganz oben, denn sonst verdeckt man sich mit einem darüber liegenden Gerät den Zugang zu den Anschlüssen.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Bedienfeld des EFM MK2. (Foto: Numinos)

Ohnehin ist der EssenceFM MKII ein – wie ich finde – so vorzeigbares und ergonomisches Gerät, dass man es sicherlich prominent in Griffweite platzieren und nicht zwischen irgendwelchen alten, unansehnlichen Expandern verstecken möchte. Das Design ist ebenso seriös wie technizistisch: Mit seinen großen, industriell anmutenden Tastern, dem fast die Hälfte der Frontplatte einnehmenden Display und den insgesamt acht Potentiometern würde der französische FM-Synthesizer nämlich auch als Messinstrument in irgendeinem Teilchenbeschleuniger, einer Raketensteuereinheit im Unterseeboot oder als Autopilot-Modul im Cockpit eines Linienjets nicht unangenehm auffallen.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Modus-Taster samt darunterliegendem Power-Switch. (Foto: Numinos)

Alle Taster sind hintergrundbeleuchtet und die Modus-Taster flankieren zusätzliche LEDs, die signalisieren, in welchem Betriebszustand man sich gerade befindet (Performance, Patch, Voice, Global), so dass der Kodamo EssenceFM MKII – in Verbindung mit dem kontraststarken 7-inch Display – auch im Dunkeln bedienbar ist. Apropos Display: Dieses bietet eine Refresh-Rate von 60 Hz und wirkt damit angenehm ruhig. Zudem ist es Multi-Touch-fähig und glänzt durch eine sehr gute Responsivität, wie ich im Weiteren noch ausführen werde. Unter den Modus-Tastern sitzt der zentrale Power-Taster in etwas bedenklicher Nähe zum Global-Taster. Mir ist es während des Tests nicht passiert, dass ich hier aus Versehen hin greife, aber ich halte es für vorstellbar, dass es dem einen oder anderen Anwender im Eifer des Sounddesign-Gefechts mal passieren könnte.

Anschlüsse

Schon beim Blick auf die Frontseite freut man sich über den Kopfhörerausgang samt separater Lautstärkeregelung (der Main Output hat ein eigenes Poti darüber) und die USB-Buchse für den schnellen Datenaustausch aber auch den flinken Anschluss eines Controller-Keyboards. Noch erfreulicher ist dann der Blick auf die Rückseite, wo ganze vier Stereo-Ausgänge (acht Mono-Out) zur analogen Herausgabe von Klängen bereitstehen (symmetrisch). Digital dagegen sind dann die USB- und Ethernet-Buchse, die beide MIDI-Daten senden und empfangen können und das vollständige Trio aus MIDI-In, Out und Thru. Den Abschluss nach rechts bildet dann eine Buchse für die 12 Volt-Stromversorgung.

Sehr gut: Die Beschriftung der Anschlüsse findet sich auch an der Unterseite, so dass sie beim Rack-Einbau sichtbar ist. (Foto: Numinos)
Sehr gut: Die Beschriftung der Anschlüsse findet sich auch an der Unterseite, so dass sie beim Rack-Einbau sichtbar ist. (Foto: Numinos)

Klang-Organisation

Der Aufbau der Klangerzeugung ist schnell erklärt: Kleinste Einheit ist eine Voice, die sich im Entsprechenden Modus (Voice) editieren lässt und ein vollständiger Klang aus maximal sechs frei verschaltbaren Operatoren bildet, von denen jeder für sich mit einer der 48 möglichen Elementarwellenformen bestückt werden kann. Wer bei Elementarwellenformen an die analogen Klassiker Sinus, Sägezahn, Pulswelle und Rauschen denkt, kennt den EssenceFM MKII noch nicht. Denn die Wellenformen lassen sich bei ihm in einer separaten Editor-Ansicht nach Herzenslust modifizieren. Das Arsenal an Transformationsmöglichkeiten reicht vom simplen Malen mit dem Finger, über Lautstärkenanpassung, Spiegelungen, Ergänzung von harmonischen Vielfachen, Glättung und Phasendrehung, bis zum Entfernen von Gleichspannung und Kreuzblenden. Sogar der Import von Wellendurchläufen ist möglich. Da sich hier bereits die beiden Effekteinheiten applizieren lassen, dürfte der Voice-Modus für viele Anwender bereits ausreichend sein, um eindrucksvolle Einzelklänge zu kreieren.

Fotostrecke: 3 Bilder Am Anfang war der Sinus – und 48 weitere Elementarwellenformen. (Foto: Numinos)

Möchte man ein bisschen dicker auftragen, splitten, layern oder intern sequenzieren, fasst man bis zu 16 Voices in einem Patch zusammen. Geht es ans klassische, multitimbrale MIDI-Sequencing mit verschiedenen Sounds, die auf verschiedene MIDI-Kanäle reagieren, kommt der Perfomance-Modus ins Spiel, wo verschiedene Patches auf die MIDI-Kanäle geroutet werden. Hierbei werden Effekt-Programm-Einstellungen, die auf Patch-Eben vorgenommen wurden ignoriert und die beiden Effekt-Einheiten stehen – im Effekt-Anteil regelbar – allen Kanälen zur Verfügung.

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Praxis

Inbetriebnahme

Der Test startet mit dem beeindruckenden Erstkontakt mit dem Touchscreen: Denn eine so responsive Multitouch-Oberfläche wie die des EssenceFM MKII habe ich noch nie unter den Fingern gehabt (und ich hatte wirklich schon mit vielen Touch-sensitiven Displays zu tun). Das Display reagiert so schnell und so genau auf sämtliche Fingergesten, dass man es schon nach kürzester Zeit nicht mehr als Zwischen-Instanz zwischen Klangerzeugung und Benutzer wahrnimmt – es „ist“ der Synth. Alle Parameter sind dabei so gut skaliert, dass sie sich präzise mit dem Finger anfahren lassen. Fast auf allen Seiten der Benutzer-Oberfläche finden sich – farblich entsprechend der Encoder markiert – Parameter, die sich direkt über die rechts neben dem Display befindlichen Endlos-Encoder bedienen lassen. Warum allerdings Frequenz und Resonanz im Bereich des Filters nicht auf die Encoder gemappt wurden, ist mir ein Rätsel. Bitte noch nachholen, Kodamo. Dass die Potis zwar endlos sind, die Poti-Köpfe aber Markierungen haben, ist eigentlich unsinnig – stört aber nicht. Vielleicht empfand der Designer das als schlüssiger oder es gab einfach keinen Hersteller, der bunte Poti-Köpfe ohne Markierung im Programm hat. Den sehr dezenten Bestätigungs-Klick bei Bildschirmeingaben, der direkt aus dem Gerät kommt, habe ich bei der Arbeit als ausgesprochen angenehm empfunden – er lässt sich aber auch deaktivieren. 

Fotostrecke: 5 Bilder Das Multitouch-Display ist die zentrale Steuerinstanz und reagiert extrem responsiv. (Foto: Numinos)

Handhabung

Überhaupt gibt sich der EssenceFM MKII – respektive sein Bedienkonzept- sehr viel Mühe, dem Anwender in den Tiefen des Sounddesigns bestmöglich zur Seite zu stehen. Zu nennen wären hier zunächst mal das Undo/Redo-Tasten-Duo, welches an prominenter Stelle sitzt und 1024-Arbeitsschritte wiederholen oder rückgängig machen kann – das sollte reichen, um einen vermurksten Sound wiederherzustellen. Rechts daneben dann ein Duo aus den Rechner-typischen Funktionen Copy/Paste, mit dem sich so ziemlich jedes Element der Klangerzeugung kopieren lässt. Direkt vom Display aus steht an vielen Stellen die so genannte „Swap“-Funktion zur Verfügung, über die sie temporär ein anderes Element (Voice, Patch, Parameter, etc.) zum Vergleichen aufrufen lässt. Hat man kein Keyboard zur Hand, ruft ein Druck auf den Preview-Taster eine frei definierbare Sequenz ab. Eine weitere Spielmöglichkeit ohne externe Hardware hält der Menüpunkt „TouchPiano“ bereit. Hier verwandelt sich das Display in eine chromatische Tastatur, die sechzehn Halbtöne umfasst.
Über den zuschaltbaren Punkt Velocity befehligt man hierüber sogar die Anschlagsstärke (unten = leise, oben = laut) und generiert sogar MIDI-Daten für externe Klangerzeuger. Panic bewirkt ein augenblickliches Ende der Klangwiedergabe inklusive langer Release-Zeiten und Effekt-Nachklänge. Apropos Nachklänge: ich vermerke positiv, dass Klänge beim Soundwechsel nicht abgeschnitten werden, sondern bis zum Ende ausklingen. Einen kleinen Minuspunkt gibt es allerdings für den Umstand, dass – steckt man zunächst mal eine DIN-MIDI-Quelle ein und danach eine USB-MIDI-Quelle – kein Umschalten oder gleichberechtigter Zugriff möglich ist. Ich musste den Synth erst neu starten, um den Port-Wechsel wirksam werden zu lassen. Apropos USB-Port: wer hier hofft, dass sich der EssenceFM MKII gegenüber dem Rechner als Multi-IO-Audioschnittstelle zu erkennen gibt, wird enttäuscht – zum Mixdown muss man über wohl oder übel den Weg über die analogen Einzelausgänge wählen. Einen kleinen Workaround bietet allein die USB Audio Rendering-Funktion. Mit ihr wird das Signal aus einem der Ausgänge (wählbar) mit 16 oder 24 Bit direkt in einer Wav-Datei geschrieben und auf einem angeschlossenen USB-Medium gespeichert.

Fotostrecke: 6 Bilder Die Bildschirmtastatur: kein Vergleich zum Dialwheel/Cursor-Kurbeln alter Digitalsynthesizer. (Foto: Numinos)

Insgesamt hat man an vielen Stellen den deutlichen (und guten) Eindruck, dass sich die Entwickler wohl sehr genau die Bedienvorteile von Rechner-basierten Synthesizer-Plug-Ins gegenüber klassischen Hardware-Digitalsynthesizern angeschaut haben, um diese in ihren Synthesizer zu überführen. Zu nennen wäre hier beispielsweise das automatische Adressieren von CC-Werten durch Bewegen am Controller oder das Definieren von Layer-Bereichen via MIDI-Learn, aber auch die vielen – am Touchscreen animiert dargestellten – Bedienfunktionen, wie etwa die Visualisierung des Pegels innerhalb der Operator-Symbole, der animierte Signalfluss in den Effekt-Einheiten oder die Bewegung des Cursors in den Hüllkurven.

Voices

Wir starten unsere Ersterkundung im Bereich der einfachen Voice. Hier warten sechs Oszillatoren/Operatoren auf ihren Einsatz. Jeder von ihnen kann einfach nur mit einer der 48 editierbaren Wellenformen vor sich hin schwingen oder durch simples Drag’n’Drop am Display mit einem anderen Oszillator verbunden werden, woraufhin sich augenblicklich die namensgebende klangliche Frequenzmodulation zwischen beiden Oszillatoren einstellt. FM-Einsteiger sind an diesem Punkt immer gut beraten, mit zwei Oszillatoren zu starten, von denen einer in einem einfachen Intervall (Quint, Oktave) verstimmt ist. Der EssenceFM MKII unterstützt das durch den Parameter „Frequency Multiplier“. In unter einer Minute hat man so ein einfaches FM-Glöckchen zusammen gewischt. Zur besseren Kontrolle lässt sich jeder Oszillator stumm oder solo schalten. Alte Klang-Hasen, die noch aktive Zeitzeugen der Bedienung von Yamahas DX-FM-Synthesizer-Serie sind, dürften schon an diesem Punkt ein bisschen melancholisch werden. Denn a.) merkt man an dieser sensationell einfachen und effektiven Bedienung in aller Deutlichkeit, dass man mindestens 40 Lebensjahre auf dem Zähler hat und b.) wird einem schmerzlich klar, dass man einen nicht unerheblichen Anteil dieser Jahre mit – im Vergleich zur geradezu spielerischen Interaktivität und Einfachheit des EssenceFM MKII – absolut miserablen Editier-Schnittstellen verbracht hat.

Fotostrecke: 5 Bilder Die Voice-Grundansicht mit Zufallsgenerator und den verschiedenen Tabs. (Foto: Numinos)

Jeder Operator verfügt über eine eigene Volume- und Pitch-Hüllkurve. Wobei auch hier das Einzeichnen mit den Fingern wunderbar einfach von der Hand geht. Noten anfassen, bewegen, die Hüllkurven-Ansicht mit zwei Fingern zoomen/stauchen, bei Bedarf eine weitere Note mit dem Plus-Symbol ergänzen und gegebenenfalls noch einen Loop zwischen zwei Punkten ergänzen, geht ohne ein Blick in das Handbuch von der Hand. Auch und besonders, da ein kleiner Abspielcursor zweifelsfrei signalisiert, an welcher Stelle des zeitlichen Verlaufs man sich wann gerade befindet. Ebenso simpel modifiziere ich pro Oszillator die Lautstärken-Skalierung, die Anschlagempfindlichkeit und den AM- (Lautstärke) und FM- (Frequenz) Anteil, den der LFO auf den Oszillator hat. Eine Ebene höher liegen dann die Steuer-Parameter der gesamten Voice, wobei ich mir im Zuge eines Updates noch eine deutlichere visuelle Orientierung wünsche (beispielsweise in der Navigations-Leiste, oben links), ob man sich gerade auf Operator- oder Voice-Ebene befindet. In dieser Ebene hat man im Reiter „Base“ Zugriff auf verschiedenste Stimmungen, eine Algorithmen-Bibliothek und einen, selektiv auf verschiedene Parameter adressierbaren Zufallsgenerator.
Im nächsten Reiter folgt der LFO, der wahlweise frei oder MIDI-synchron mit jeder der 48 Wellenformen der Oszillatoren schwingen kann und das mit einstellbarem Attack, Delay, Offset und einem Maskierungs-Parameter, mit dem sich der Schwingungsgraph dramatisch ändern lässt. Danach reiht sich das Filter ein, welches wahlweise als High- oder Lowpass, mit einstellbarer Resonanz und ebenfalls einer dynamischen Hüllkurve auf den Klang einwirkt. Hier fand ich eine der wenigen Stellen, wo mir die grafische Aufbereitung nicht so recht zu gefallen wusste, denn gewohnheitsmäßig rechnet man eigentlich immer mit Frequenz als erstem und Resonanz als zweitem Parameter – hier ist es umgekehrt. Auch würde ich mir irgendeine visuelle Entsprechung für das stufenlose Regeln zwischen High- und Lowpass-Charakteristik wünschen. Schlussendlich wäre da noch mein Wunsch nach unterschiedlichen Filtermodellen, idealerweise sogar mit wählbarer Güte (6,12,18,24 dB). 

Fotostrecke: 3 Bilder Jeder Operator hat seinen eigenen, ziemlich ausgefuchsten LFO. (Foto: Numinos)

Vorletzter Reiter ist dann die Modulationsmatrix mit acht frei adressierbaren Verknüpfungen. Als Quellen kommen beispielsweise sämtliche Volume- und Pitch-Hüllkurven, Spielparameter (Anschlags- und Release-Stärke, Anzahl der Noten, Pitchbend etc.), aber auch die komplette Palette externer CC-Kommandos in Betracht. Mehr noch: Der EssenceFM MKII hat eine MIDI-Learn-Funktion und registriert auf Wunsch das von einem Controller gesendete Kommando – toll. Am Schluss wartet noch eine letzte Hüllkurve darauf, das Panning der gesamten Voice dynamisch zu erledigen.

Effekte

Sechs Operatoren/Oszillatoren die sich bei insgesamt 300 Stimmen bedienen können? Das ist weitaus mehr als das, was einem klassischen Analogsynthesizer für sein Klangrepertoire zur Verfügung steht. Entsprechend kann und darf der Anwender – je nach Workflow – auch einfach „nur“ auf der Voice-Ebene bleiben. Das wird man sich auch bei Kodamo gedacht haben und so lassen sich die beiden Effekt-Einheiten auch schon auf der Voice-Ebene applizieren. Geboten wird hier ein reichhaltiges Arsenal von 24 Effekt-Programmen (pro Unit), das von verschiedenen Hallprogrammen über Modulationseffekte und Verzerrer, bis hin zu Bitcrusher, Ringmodulation, Shimmer und einem Phaseshifter reicht. Beide Effekt-Units können parallel oder seriell geschaltet werden, wobei der Effektanteil insgesamt und pro Unit frei einstellbar ist.

Auch das Effekt-Routing wird am Display übersichtlich dargestellt. (Foto: Numinos)
Auch das Effekt-Routing wird am Display übersichtlich dargestellt. (Foto: Numinos)
Audio Samples
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FX Walktrough: Dry, Room, Space, Delay, Bitcrush, Shimmer

Patches

Möchte man den so erstellten Sound noch mit anderen Klängen paaren, genügt ein Druck auf die Schaltfläche „Create Patch From“ und die aktuell ausgewählte Voice wird in einen wählbaren neuen Patch-Speicherplatz geschrieben. Sparsam muss man mit den Speicherplätzen sowohl im Bereich Voice wie auch Patch nicht sein, denn bei beiden stehen jeweils 24 Bänke (A-Z) mit jeweils 128 Einträgen zur Verfügung. 3072 Speicherplätze also – das sollte für die eine oder andere Sounddesign-Session reichen. An Performance-Programmen sind dagegen nur 256 vorgesehen, aber auch damit sollten sich einige Live-Sets und Studio-Sessions bestreiten lassen. Zurück zu unserem Patch: Neue Layer (mit anderen Voice-Programmen) ergänzt man durch Drücken von „Add“. Bis zu 128 Layer sind hier maximal möglich. Auf diese Weise lassen sich mit dem EssenceFM MKII tatsächlich ganze Drum-Kits realisieren.
Was noch dadurch geheckspoilert wird, dass sich beliebig viele Exclusion Groups (beispielsweise um den Nachklang einer offene Hi-Hat von der geschlossenen abzuschneiden) und ein „Round-Robin“-Slot (zur Variation beispielsweise einer Snare) definieren lassen. Jedes Layer kann dabei in Bezug auf seinen Klaviatur- (mit Learn-Funktion) und Anschlagsstärken-Bereich frei konfiguriert werden. Spätestens an diesem Punkt lohnt es sich, den extrem leistungsfähigen Voice-Sequencer ins Spiel zu bringen. Dieser bietet für jede Voice innerhalb eines Patch eine eigene Sequenzer-Spur mit bis zu 128-Events in frei wählbarem metrischen Raster und der Wahlmöglichkeit, ob die Sequenz einmalig oder geloopt laufen soll und ob sie jeweils neu gestartet wird oder im Hintergrund weiterläuft. Für jedes Event lässt sich dann festlegen, ob und wenn ja wie weit es in Bezug zum Grundton transponiert werden soll und wie lang die Note klingen darf.

Der Step-Sequenzer macht seinem Namen alles Ehre und ermöglicht komplexe, polyphone Figuren. (Foto: Numinos)
Der Step-Sequenzer macht seinem Namen alles Ehre und ermöglicht komplexe, polyphone Figuren. (Foto: Numinos)
Audio Samples
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Analog Drums EDF Kit

Performance

Oberste und mächtigste Hierarchie-Ebene ist der Performance-Modus, in dem der EssenceFM MKII über verschiedene MIDI-Kanäle wie ein 16-fach multitimbrales Soundmodul angesprochen werden kann. Auch die globale Adressierung von MPE-Kommandos und die Zuweisung der sechs Encoder auf Controller-Adressen ist von hier aus möglich. Hat man die sechzehn Parts entsprechend bestückt, in der Lautstärke und Panning abgestimmt, verewigt man die Performance in einem von insgesamt 256 Speicherplätzen.

Die Möglichkeiten zum Erstellen eigener Skalen sind absolut umfassend. (Foto: Numinos)
Die Möglichkeiten zum Erstellen eigener Skalen sind absolut umfassend. (Foto: Numinos)

Klang

Was beim Durchhören der reichhaltigen Werks-Presets zunächst einmal auffällt, ist der Umstand, dass der EssenceFM MKII zu einem wirklich breiten Spektrum an Klangepisoden fähig ist und sich gar nicht so recht in die klassische FM-Richtung pressen lassen will. Klar, typische FM-Klassiker wie obertonreiche Plucker-Bässe, glockige E-Pianos und klassische Orgel-Sounds beherrscht er aus dem Effeff. Auch fein texturierte Pads mit organisch mäanderndem Obertonspektrum liegen dem EssenceFM MKII sehr. Er kann aber auch erstaunlich warm, dicht und lyrisch klingen – stellenweise fühlte ich mich hier an Qualitäten eines Prophet VS erinnert. Was er dabei nicht ganz erreicht, ist die geradezu autoritäre Bestimmtheit, mit der das analoge Sequential-Filter durch den Klang schneidet. Hier gibt sich der EssenceFM MKII ein Stück weit zurückhaltender. Insgesamt scheint der Programmierer der Werkspresets hörbar ein bisschen unter Zeitdruck gestanden zu haben, denn in Bezug auf ihre Komplexität ist hier noch einiges mehr drin.

Audio Samples
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Mega Stack Ether Strings Dive Romantic EP Disto Synthbass
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Fazit

Wie eingangs bereits gesagt, ist der Umstand, dass – neben dem schon seit Jahren boomenden Segment der Boutique-Eurorack-Module und Effektboxen – immer mehr kleine Firmen in der Lage sind, ein vollständiges Digitalsynthesizer-Konzept zu entwickeln, eine starke innovative Kraft. Diese schöne Dynamik führt im Idealfall zu Geräten, wie dem hier getesteten Kodamo EssenceFM MKII, der mit einem sehr eleganten Hard- und Software-Konzept den Ansatz verfolgt, das Thema FM-Synthese in ein attraktives und zugängliches Format zu bringen. Die Hürde ist hier – anders als beispielsweise bei der Entwicklung einer iPad-App – ungleich höher. Denn bei einem Hardware-Synth gilt es ja nicht nur, eine gut bedienbare und klingende Software zu programmieren, sondern auch, sie in ein Multi-IO (MIDI, Audio) System einzubinden und am Ende noch eine Hardware zu entwickeln die attraktiv, robust und ergonomisch benutzbar ist.
Kodamo haben das alles bestens gemeistert. Und der EssenceFM MKII ist ein Synthesizer wie aus einem Guss – sowohl was die responsive Hardware mit ausgesprochen professioneller Anschluss-Ausstattung angeht, wie auch die ebenso durchdachte wie mächtige Synthese-Engine selbst, die man – Dank des hervorragenden Workflows – (fast) immer voll im Griff hat. Ich habe mich jedenfalls bei noch keinem FM-Synthesizer so wirkmächtig und über die Synthese herrschend gefühlt, wie bei der Arbeit mit dem EssenceFM MKII. Entsprechend richtet sich das Gerät vornehmlich an Anwender, die gerne tief in die Sound-Programmierung eintauchen – was hier allerdings schon fast automatisch passiert, weil einen der tolle Workflow förmlich in das Gerät hineinzieht. Das ist allerdings kein Muss denn der Umstand, dass Kodamo ihren EssenceFM MKII mit 48 Elementarwellenformen ausgestattet haben, die sich umfassend editieren, frei zeichnen und sogar als Wave-Datei importieren lassen, macht ihn ungeachtet seiner FM-Fähigkeiten bereits zu einem ausgesprochen vielseitigen und hervorragend klingenden Synthesizer. Mancher Anwender wird ihn entsprechend vielleicht nur als Wave-Synthesizer nutzen, ohne je von den FM-Funktionen Gebrauch zu machen. Ebenso vielfältig sind die denkbaren Einsatzszenarien. Denn dank seiner vielen Einzelausgänge, der umfassenden MIDI-Konnektivität und der gigantischen Stimmenzahl in Verbindung mit dem mächtigen Performance-System und dem wirklich ausgebufften Voice-Sequenzer, ist der Synth auch ein großer Gewinn für Live-Setups.
Es sind am Ende nur einige wenige Nickeligkeiten, die mich davon abhalten, nicht die volle Punktzahl zu vergeben – die meisten davon, lassen sich wahrscheinlich im Zuge weiterer Updates beheben (und, dass Kodamo ihren Synth nicht als Schnellschuss angelegt haben, sondern ihn kontinuierlich pflegen, zeigt der Umstand, dass ich hier bereits die homöopathisch verbesserte MKII mit Firmware Nummer fünf unter den Fingern hatte). So würde ich mir beispielsweise wünschen, dass sich die (tollen) Hüllkurven-Generatoren metrisch, zur Clock synchronisieren lassen – auch für die Delays in der Effektsektion wäre das ein Gewinn. Da der EssenceFM MKII auch als reiner Wave-Synthesizer ein tolles Gerät ist, würde ich mich über ein paar mehr Speicherplätze im Wellenformspeicher freuen. Wissend, dass wenige Wellenformen auch den Charakter eines Synthesizers ausmachen – aber 128 Speicherplätze wären ein schöner Kompromiss aus Charakter und Flexibilität, finde ich. Gerne sähe ich auch, wenn im Navigationspfad ersichtlich wäre, ob man sich gerade in der Voice- oder Operator-Ebene befindet. Schlussendlich würde ich mir wünschen, dass das Angebot im Bereich Filter noch ein bisschen aufgebohrt wird – ich meine: Es ist ein Digitalsynthesizer, nichts spricht dagegen, hier noch eine Hand voll unterschiedliche Charakteristika und Güteklassen zu implementierten.
Aber genug räsoniert – Zeit für ein begeistertes „Bravo“ an das Entwicklerteam bei Kodamo. Denn in der Summe ist der EssenceFM MKII ein ziemlich schicker, innovativer, toll bedienbarer und extrem leistungsfähiger Synthesizer, zu einem absolut attraktiven Preis, der in seiner Gesamtheit ein beeindruckend frisches und leistungsfähiges Jetztzeit Konzept darstellt, das einen extrem einfachen Zugang zur FM-Synthese ermöglicht. So ein Kracher wäre noch vor wenigen Jahren nicht machbar gewesen – vor allen Dingen nicht zu dem Preis.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Extrem responsive Touchbedienung
  • Sehr durchdachtes und anwenderfreundliches Bedienkonzept
  • Hochflexible Synthese-Engine
  • Mächtige Patch- und Performance-Funktionen
  • Leistungsfähiger Voice-Sequenzer
  • Freies Design der Elementar-Wellenformen
  • Umfangreiche Modulationsmatrix
  • Qualität und Komplexität der Klänge
  • Umfassende Anschluss-Ausstattung (MIDI/Audio)
Contra
  • Hüllkurven und Delay (noch) nicht Clock-synchronisierbar
  • (Derzeit) nur ein Filter-Modell
  • (Noch) etwas wenig Wellenform-Speicher
  • Kein digitales Audio via USB
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Kodamo EssenceFM MKII Test
Für 1.299,00€ bei
Der Kodamo EssenceFM MKII zeigt sich als ausgeklügelter FM-Synthesizer mit tollem Sound, enormer Polyphonie und immensen Möglichkeiten. (Foto: Numinos)
Der Kodamo EssenceFM MKII zeigt sich als ausgeklügelter FM-Synthesizer mit tollem Sound, enormer Polyphonie und immensen Möglichkeiten. (Foto: Numinos)
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Chris sagt:

#1 - 10.08.2021 um 10:17 Uhr

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