Wavetable-Wunderkind, Runde zwei! Kilohearts Phase Plant 2 hat neue Modulatoren, Verbesserungen im Workflow und neue Presets dabei. Wir haben den Soft Synth im Review und zeigen, was die Neuheiten bringen.
Wo Massive, Serum und Pigments von Arturia zuletzt als Nonplusultra der Wavetable-Synthesizer galten, hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Neben Vital, Freeware und Szeneliebling, sorgte vor allem Phase Plant für Furore.
So flexibel hatte man Modulationen nämlich noch nicht gesehen, so zugänglich war FM-Synthese bisher nicht. User, die sich nicht zwischen Wavetable und Modulare-Synthese entscheiden können, greifen gern auf den Software Synthesizer zurück – wo er inzwischen fast alle anderen Instrumente verdrängt. Nun ist Phase Plant 2 da und bringt viele Verbesserungen mit.
Details
Phase Plant 2 – modularer Wavetable-Synth
Die Wünsche gab es aus der Fangemeinde im Vorfeld en masse und die Erwartungen an das Update lagen hoch – und Kilohearts hat aufgetischt: Es lockt mit einer vollen MPE-Unterstützung, dazu sieben neue Modulatoren, darunter ein Wavetable-LFO und ein Multi-Stage-Envelope-Generator für komplexe Modulationsbewegungen, und der kompletten Einbindung aller Snapin-Effekte sowie der beiden Multi-Effekt-Hosts Snap Heap und Multipass inklusive Modulation aller Effekt-Parameter.
Als Beilage gibt es neue Workflow-Hilfen wie visualisierte Modulationsverbindungen, ähnlich wie in Vital. Außerdem können Modulatoren und Effektketten nun genauso wie die Klangerzeuger zu Gruppen verpackt werden. So hält man auch in komplexen Patches Ordnung. Außerdem sind neue Presets von Sounddesignern wie Dash Glitch und Arovane dabei.
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Das Konzept von Phase Plant – Module, Modulationen und modulierte Modulationen
Der Workflow aus Version 1 ist geblieben. Im linken Bereich lädt man die Klangquellen – Analog-Oszillatoren, Wavetable-Oszillatoren, Sample-Player und Noise-Generator. Jede Klangquelle bekommt automatisch ein eigenes Filter und eine eigene Hüllkurve. Im Titelbereich befinden sich acht Makroregler zum schnellen Anpassen eines Presets oder zum Automatisieren für das weitere Sounddesign.
In Version 2 könnt ihr nun übrigens auch alle einzelnen Parameter in Phase Plant automatisieren, und nicht mehr nur die Macros. In der rechten Hälfte des Plugins lädt man dann die Effektmodule – und verteilt sie nach Wunsch auf drei „Lanes“ (Signalwege).
Im unteren Bereich des Plugins wählt man die Modulatoren und verbindet sie oben bei Oszillatoren und Effekten mit Modulationszielen. Eine äußerst nützliche Neuerung in Phase Plant 2: die Visualisierung der Modulationswege – sie kennt man bereits so ähnlich aus Vital. Sie hilft bei komplexen Verbindungen, denn die gestalten den gesamten Prozess unter Umständen unübersichtlich. Mit dieser Neuerung bewegt man die Maus einfach auf die orangefarbenen, kleinen Kreise an der Modulationsquelle oder am Modulationsziel, und orange gestrichelte Linien zeigen die Verbindungen an.
Die Modulatoren in Phase Plant – Curve, LFO Table und mehr
Die nun insgesamt zwanzig Modulatoren sind neben dem Workflow der eigentliche Star des Synthesizers. Hier hat Kilohearts zwei neue Aspekte hinzugefügt. Zum einen gibt es sieben neue Modulatoren.
- Der Multi-Stage-Envelope-Generator „Curve“ gestaltet weitaus komplexere Hüllkurven selbst, und zwar besser, als das mit einer Standard-ADSR-Kurve möglich wäre. Dazu bestimmt er die Hüllkurvengeschwindigkeit nicht nur in absoluten Millisekunden, sondern auch relativ, also synchron zum Songtempo – eine echte Seltenheit.
- Der Wavetable-LFO „LFO Table“ bringt komplexe Wavetable-Wellen in die Modulation. Alle Wavetables, die im oberen Bereich zur Klangerzeugung dienen, kann man nun genauso zur Modulation nutzen.
- Die beiden Modulatoren „Pitch Tracker“ und „Audio Follower“ analysieren das Audiosignal am Ausgang von Phase Plant entweder auf Tonhöhe oder Lautstärke. Damit kann man beispielsweise mit dem „Pitch Tracker“ einen Reverb immer weiter öffnen, je höher die gespielten Noten sind. Mit dem „Audio Follower“ etwa schließt man besagten Reverb direkt nach einer kurz gespielten Note wieder.
- „MPE Timbre“ heißt in anderen Plugins oft „Slide“ und erlaubt genau wie „Pressure“ nun polyphone Modulation. Sprich, bei einem dreistimmigen Akkord würde sich mit der entsprechenden Modulation beispielsweise nur der Cutoff bei der höchsten Note öffnen. Eine MPE-fähige DAW vorausgesetzt, können diese Modulatoren die Ausdrucksmöglichkeiten in Phase Plant erheblich steigern.
- „Remap“ kann man als Defragmentierer von chaotischen Modulationssignalen verstehen. Schickt man beispielsweise ein LFO-Wavetable-Signal mit chaotischer Bewegung durch Remap und hat dort eine der Tonal-Schablonen wie „Major“ geladen, zwingt Remap die eingehenden Werte in ein Raster. Dieses ist in diesem Fall den Tonverhältnissen einer Dur-Skala nachempfunden. Für generative Musik ist das ein äußerst spannendes Tool.
- 1.„Sample & Hold“ kennt man in der Welt der Hardware-Synthesizer als zufallsbasierten Modulator. Hier braucht es zwei zusätzliche Modulatoren, einen als Trigger und einen als Eingangssignal. Basierend auf beiden spuckt Sample & Hold Modulationswerte aus. Das Resultat ist ähnlich wie beim Random-Generator oft sehr sprunghaft und chaotisch.
Trigger wie der gerade beschriebene sind seit diesem Update in allen Modulatoren vorhanden. Damit lösen nun Modulatoren andere Modulatoren aus. Ein langsamer LFO triggert so beispielsweise abwechselnd zwei Hüllkurven. Modulieren beide den Cutoff mit jeweils unterschiedlich eingestellten Attack-Zeiten, erzeugt man damit einen sehr komplexen Wah-Wah-Effekt, der mit einem einzelnen LFO direkt auf dem Cutoff nicht möglich wäre.
Außerdem gibt es nun die Option, Effekte und Modulatoren in Gruppen abzulegen – praktisch, wenn es voll wird in Phase Plant. Man wünscht sich nach längerer Arbeit mit dem Feature sehr, dass Gruppen in einem zukünftigen Update auch als Presets abspeicherbar sind. So könnte man sich mit der Zeit eine eigene Bibliothek an komplexen Modulationsgruppen bauen. Das ist kein Minuspunkt, eher ein Feature-Wunsch für die Zukunft.
Oszillatoren, Samples und Noise – die Klangerzeuger in Phase Plant 2
Fast könnte man bei all der Modulation vergessen, dass es dafür überhaupt erst einmal Klangmaterial braucht. Hier hat sich im Vergleich zu Version 1 nichts geändert: Vier Klanggeneratoren sind dabei – Analog-Oszillator, Wavetable-Oszillator, Noise-Generator und Sample-Modul. Dazu gibt es pro Klangerzeuger Filter- und Verzerrungsmodule zur Klangbearbeitung.
Die Anzahl an Klanggeneratoren in einer Instanz von Phase Plant 2 ist nur durch die Leistungsfähigkeit der eigenen CPU begrenzt. So könnte man theoretisch Soundgiganten aus hunderten von Wavetable-Oszillatoren, jeder mit eigenem Filter, eigener Verzerrung und eigener Hüllkurve, erzeugen. Wer dann noch das Sounddesign mit Modulationen in Audio-Rate-Geschwindigkeit auf die Spitze treibt (gekennzeichnet durch die grünen Modulationsausgänge im Oszillatorbereich), kommt mit dem Software-Synthesizer schnell in ganz andere Klangsphären – etwa, wenn es um Glitch-Sounds, Psytrance-Leads und epische Pads geht.
Tipp: Von Audio-Rate-Modulation spricht man bei Synthesizern immer dann, wenn die Modulationsgeschwindigkeit quasi „hörbar“ wäre. Bei FM-Synthese sind diese extrem schnellen Modulationen die Basis des Sounddesigns. Spielt man beispielsweise den Kammerton A mit einer Frequenz von 440 Hertz, läuft auch die Modulation in dieser Geschwindigkeit. Zum Vergleich: LFOs laufen meist zwischen 1 und 10 Hertz. Durch die hohe Geschwindigkeit der Modulation entstehen schnell äußerst komplexe Obertöne.
Effekte in Phase Plant – Snapins, Snap Heap und Multipass
Die Vereinheitlichung und Verbindung von Look und Workflow der Produktpalette haben das Kilohearts-Universum einen großen Schritt voran gebracht. Schon in Version 1 konnte man aus den 35 Effekten von Kilohearts, damals Snapins genannt, jeden, den man zum Software-Synthesizer dazugekauft hatte, als einzelnes Plugin in der DAW, aber auch als Effekt in Phase Plant laden.
in Phase Plant nutzen. Snap Heap erlaubt das Schichten von Effekten in sieben internen Lanes (Spuren). So entstehen gewaltige Parallel-Effekte. Multipass wiederum splittet das Eingangssignal in bis zu fünf Frequenzbereiche auf. Dort hinein kann man Snapins, also die Einzeleffekte von Kilohearts, in beliebiger Kombination laden. Die Snapins funktionieren also als einzelne Effekte in Phase Plant, als Paralleleffekte in Snap Heap in Phase Plant oder innerhalb von Multipass in Phase Plant. Epische Sounddesign-Eskapaden sind auf diese Weise möglich.
Christian sagt:
#1 - 12.06.2022 um 15:46 Uhr
Sorry, alles in dem Tipp völlig falsch erklärt! Audio-Rate-Modulation hat nichts mit der im Beispiel genannten Frequenz (440 Hertz) der Modulation tun! Audio-Rate-Modulation bedeutet das die Modulation in der Audio-Sample-Rate, welche z.B. 44,1 oder 48 kHz etc. sein kann, stattfindet. LFOs werden nur mit einem Bruchteil der Sample-Rate, z.B. 1/16 berechnet, bedeutet nach jedem 16ten Sample wird ein neuer Wert zur Modulation berechnet.
Julian Schmauch sagt:
#1.1 - 12.06.2022 um 19:36 Uhr
Hallo Christian, Von Audio Rate spricht man, im Gegensatz zu Sample Rate, wenn es um den hörbaren Bereich des menschlichen Gehörs geht: 20 Hertz bis 20.000 Hertz. Sample Rates, die meist bei 44.100 Hertz oder 48.000 Hertz liegen, beziehen sich durch Nyquist auf diesen Bereich. Kilohearts bezieht sich im Handbuch von Phase Plant unter dem Punkt Audio Rate Modulation explizit auf das Erzeugen von FM-Sounds. In klassischen FM-Synths mit einem Algorithmus von Carrier und Modulator moduliert zweiterer ersteren immer in einer Ratio, einem Verhältnis zur gespielten Note, ergo Tonhöhe. Damit klingen tiefe Noten mehr nach Vibrato und höhere Noten obertonlastiger und verzerrter. Genau dieses Verhalten zeigt Phase Plant, wenn man mit einem Analog-Generator bei einem zweiten in Audio-Rate (beide mit Sinus-Wellen) moduliert. Hohe Noten klingen spitzer, tiefe Noten dumpfer. Die Frequenz im Beispiel bezog sich auf die eine Note Kammerton A mit 440 Hertz. Spiele ich eine Oktave höher, wird mit 880 Hertz moduliert, respektive eine Oktave tiefer dann mit 220 Hertz. LFOs schwingen immer entweder frei in absoluten Frequenzen, zum Beispiel 1,5 Hertz, 5 Hertz oder 20 Hertz. Oder relativ zum Songtempo, dann wird zum Beispiel die Geschwindigkeit von 1/16 daran gemessen, ob dein Projekt mit 60, 80 oder 180 BpM läuft. Einen direkten Bezug zur eingestellten Abtastrate (Sample Rate) haben sie meist nicht. Viele Grüße!
Antwort auf #1 von Christian
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChristian sagt:
#1.1.1 - 22.07.2022 um 23:23 Uhr
Hallo Julian, Besten Dank für den Versuch mir FM und Audio Rate zu erklären! Ich will ja nicht klugscheissern, aber die Audio Rate ist die Sample Rate 😁 Im Manual steht es doch im letzten Satz bei "5.5.9 Modulation Scaling" "Both audio rate (green) and control rate (orange) modulations can be targeted." Da steht wenn es ausgeschrieben ist "audio rate modulation" und "control rate modulation". Oszillatoren werden mindestens in Sample Rate berechnet, weshalb es eine Audio Rate Modulation ist. LFOs sind Control Rate Modulations und gehen bei Phaseplant bis 100 Hz, was im hörbaren Bereich liegt. Du verwechselst Audio Rate mit Audible Range. Es wird sehr oft verwechselt, kann verstehen dass es etwas verwirrend sein kann. Hier sind Beispiele die dir evtl. den Unterschied zwischen Audio Rate und Control Rate erklären könnten: https://depts.washington.edu/dxscdoc/Help/Guides/UGens-and-Synths.html https://docs.cycling74.com/max7/tutorials/11_polychapter03 https://www.reddit.com/r/DSP/comments/94ro2v/differentiate_between_audio_rate_and_control_rate/ FM ist ja in Wahrheit Phasenmodulation und für die meisten sehr kompliziert zu verstehen. Auf jeden Fall sollte sie immer in mindestens in der Audio Rate ( = Sample Rate) stattfinden. Die 1/16 die ich erwähnt hatte beziehen sich nicht auf auf die Notenlänge relativ zu BPM, sondern auf die Control Rate die z.B. 1/16tel der Sample Rate sein kann oder z.B. auch ein fixer Wert. In Reaktor kann man die Control Rate, heisst dort auch so, zwischen 25 und 3200 Hz festlegen. Viele Grüße!
Antwort auf #1.1 von Julian Schmauch
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChristian sagt:
#1.1.2 - 22.07.2022 um 23:51 Uhr
Hallo Julian, Besten Dank für den Versuch mir FM und Audio Rate zu erklären! Ich will ja nicht klugscheissern, aber die Audio Rate ist die Sample Rate 😁 Im Manual steht es doch im letzten Satz bei "5.5.9 Modulation Scaling" "Both audio rate (green) and control rate (orange) modulations can be targeted." Da steht wenn es ausgeschrieben ist "audio rate modulation" und "control rate modulation". Oszillatoren werden mindestens in Sample Rate berechnet, weshalb es eine Audio Rate Modulation ist. LFOs sind Control Rate Modulations und gehen bei Phaseplant bis 100 Hz, was im hörbaren Bereich liegt. Du verwechselst Audio Rate mit Audible Range. Es wird sehr oft verwechselt, kann verstehen dass es etwas verwirrend sein kann. Hier sind Beispiele die dir evtl. den Unterschied zwischen Audio Rate und Control Rate erklären könnten: https://depts.washington.edu/dxscdoc/Help/Guides/UGens-and-Synths.html https://docs.cycling74.com/max7/tutorials/11_polychapter03 https://www.reddit.com/r/DSP/comments/94ro2v/differentiate_between_audio_rate_and_control_rate/ FM ist ja in Wahrheit Phasenmodulation und für die meisten sehr kompliziert zu verstehen. Auf jeden Fall sollte sie immer in mindestens in der Audio Rate ( = Sample Rate) stattfinden. Die 1/16 die ich erwähnt hatte beziehen sich nicht auf auf die Notenlänge relativ zu BPM, sondern auf die Control Rate die z.B. 1/16tel der Sample Rate sein kann oder z.B. auch ein fixer Wert. In Reaktor kann man die Control Rate, heisst dort auch so, zwischen 25 und 3200 Hz festlegen. Viele Grüße!
Antwort auf #1.1 von Julian Schmauch
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