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Kawai ES120 Test

Das Kawai ES120 löst das Modell ES110 modernisiert ab. Optimiert sind neben der Klaviatur auch das digitale Innenleben des portablen Digitalpianos. Wir haben uns den Nachkömmling im Test einmal genau angeschaut.

Kawai ES120 Digitalpiano. (Quelle: Bonedo)
Kawai ES120 Digitalpiano. (Quelle: Bonedo)

Nach rund fünf Jahren bringt der traditionsreiche Hersteller Kawai nun einen Nachfolger des portablen Digitalpianos ES110. Dieses budgetfreundliche Instrument holte sich zu Recht die fast volle Punktzahl im Bonedo-Test. Ich selber kenne dieses angenehm spielbare und gut klingende Instrument aus der eigenen Praxis. Für kleinere Live-Gigs, Hauskonzerte, Sessions, Gottesdienste oder auch in den eigenen vier Wänden ist es einfach klasse. Das neue Modell ES120 weckt daher zugleich viele Gefühle zwischen Vorfreude und Neugier. Wie beim Vorgänger kann man zwischen zwei Gehäusefarben (B = Black, W = White) wählen.

Details

Erster Eindruck

Das Kawai ES120 kommt in einem Karton, den ein Erwachsener gerade noch alleine stemmen und halten kann. Unser Test-Gerät hat ein robustes schwarzes Gehäuse und kann mit seinen rund 12 kg Gewicht relativ leicht auf ein Keyboardstativ gehievt werden. Passend zur eleganten Optik des ES120 gibt es optional das Kawai HML-2 Untergestell für den stationären Betrieb zu Hause. Für den Einsatz als Stagepiano tut es ein X-beliebiges Keyboardstativ. Das Korpus hinter der 88er-Tastatur ist leider schmal. Bei dieser minimalen Tiefe lassen sich kaum Utensilien oder auch Smartphone und Tablet-PC sicher ablegen. Insgesamt wirkt das Kawai ES120 angenehm schlicht und kompakt.

Kawai ES120 in Seitenansicht
Fotostrecke: 4 Bilder Das Kawai ES120 Digitalpiano in der Schrägansicht von links …

Zum Lieferumfang gehören ein externes Netzteil, ein Notenstativ und ein Sustainpedal. Letzteres fällt ziemlich schlicht aus. Praktischer wäre das leider kostenpflichtige Modell F-10 gewesen, welches auch das Halbpedalspiel unterstützt. Im Karton findet sich weiterhin eine Software-Download-Karte sowie ein gedrucktes Handbuch in deutscher Sprache. Über den Download erhält man Lernsoftware, die aus einem dreimonatigen Online-Kurs von Skoove Premium sowie aus 60 Gratis-Lektionen besteht.

Klangerzeugung

Das Kawai ES120 basiert auf einer 192-stimmig spielbaren Sample-Tonerzeugung und bietet insgesamt 25 Sounds. Daneben sind noch 100 Schlagzeugrhythmen in verschiedenen Taktarten untergebracht. Neben akustischen Klavieren hat es auch E-Pianos, Orgeln oder Streicher im Repertoire. Die Klänge können einzeln wie auch in Kombination gespielt werden: als Tastatur-Split (Split-Modus) oder als Layer mit zwei geschichteten Sounds (Dual-Modus). Für den Raumklang stehen intern sechs Reverbs (Room, Lounge, Small Hall, Concert Hall, Live Hall, Cathedral) zur Verfügung. Zusätzlich verfügt das Digitalpiano über weitere Effekttypen wie Delay, Chorus. Tremolo und Panning. Die aber sind bestimmten Soundtypen fest zugewiesen. Über zwei Tasten (C#6 und D#6) kann man die Effekte aus- und einschalten.

Kawai ES120 Digitalpiano in der Aufsicht
Der Blick auf das Piano zeigt eine aufgeräumte Bedienoberfläche. Das Lautsprechersystem beim Kawai ES120 ist kaum sichtbar, aber fürs heimische Wohnzimmer mehr als ausreichend. (Quelle: Bonedo)

Smart Mode

Der Smart Mode verändert den Klangcharakter des Pianos. Das Kawai ES120 bietet mehrere Einstellungen. Sie ermöglichen das Verstärken oder Abschwächen von Saitenresonanzen, mehr Brillanz durch härtere Hämmer oder die Nachbildung historischer Klavierklänge. Tatsächlich kann man dank weiterer Parameter selbst auch Dämpferresonanzen, Brillanz und Voicing, Hammerrückfallgeräusch und Dämpfergeräusch einstellen. Alles in allem können die werkseitigen Sounds des ES120 durchaus sinnvoll abgewandelt werden. Noch tiefere Eingriffe ins Klanggeschehen sind aber am Gerät selbst nicht vorgesehen, dafür aber mit der Virtual Technician App. Dazu später mehr.

Bedienelemente

Neben der Einschalttaste und dem Lautstärke-Regler bietet das Kawai ES120 erstaunlich wenige Bedientasten, die schnell erreichbar auf dem Panel des Digitalpianos liegen:

  • Function erlaubt das Registrieren. Klänge, Layer/Split-Kombinationen sowie Hall-, Metronom- und andere Einstellungen können in vier Registrationsspeicher gespeichert werden.
  • Play/Stop steuert die Wiedergabe aufgezeichneter Einspielungen und der 16 internen Demosongs.
  • Recorder startet die Aufnahme des eigenen Klavierspiels. Bis zu drei Songs mit insgesamt 15.000 Noten kann man aufzeichnen.
  • Transpose dient zum Transponieren und zur Einstellung verschiedener Stimmungen (Kirnberger, Werckmeister und andere Systeme).
  • Piano, E.Piano und Others dienen zum Aufrufen der internen Sounds des Kawai ES120. Gewünschte Klänge wählt man durch wiederholtes Tippen an. Alternativ kann man die Sounds bei gedrückter Taste (Piano, E.Piano oder Others) über einzelne Tasten (A0 bis B1) der Klaviatur anwählen.
  • Bluetooth de- oder aktivieren. Sowohl MIDI- als auch Audio-Daten lassen sich drahtlos übertragen. Das ES120 kommuniziert also mit Apps und Lautsprechern.
Kawai ES120: Bedienfeld 1
Fotostrecke: 2 Bilder Beim ES120 finden sich wenig Bedienelemente.

Anschlüsse

Bis auf die beiden Kopfhörerbuchse (Standard-Stereo-Klinkenstecker und Stereo-Mini-Klinkenstecker) liegen die Anschlüsse auf der Rückseite des Kawai ES120: Netzteilbuchse, USB-to-Host-Port, zwei Klinkenbuchen für den Stereo-Line-Ausgang sowie zwei Anschlüsse für Pedale (Damper sowie das optionale Dreifachpedal von Kawai). Wie bei anderen Instrumenten dieser Art muss man sich von der klassischen fünfpoligen MIDI-Buchse verabschieden.

Kawai ES120 Rückseite
Fotostrecke: 3 Bilder Die Rückseite des Kawai ES120 Digitalpianos.
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Praxis

Das Kawai ES120 ist zunächst einmal sehr einfach bedienbar. Einschalten, spielen und Spaß haben. Wer ein wenig in die Tiefe gehen möchte, wird sehr schnell mit einer unübersichtlichen Bedienung á la „bei gedrückter Taste eine Klaviertaste betätigen“ konfrontiert. Am besten notiert man sich persönlich häufige benutzte Tastenkürzel auf einem kleinen Zettel.

Das Schichten (Layer) zweier Klänge geht einfach. Man drückt und hält einfach zwei Klangtasten. Schnell erstellt ist die beliebte Kombination aus Klavier und Streichern. Bei den Keyboard-Splits muss man sich auf einen festen Splitpunkt bei C4 einstellen. Insgesamt vier Speicher für Registrationen sind zwar nett gemeint, aber für die Praxis zu knapp bemessen. Wer live spielt, kann immerhin seine vier Lieblingsklänge zum schnelleren Aufruf ablegen. Ansonsten ist die Soundauswahl im Live-Betrieb eher umständlich.

Ein weiteres typisches Beispiel für die Bedienung mit dem Kawai ES120: Man muss die Transpose- und Piano-Taste gedrückt halten und eines der Schlagzeugmuster mit einer Klaviertaste zwischen C6 und E7 anwählen. Welchen Groove man gerade hört, ist nicht ersichtlich. Ums Tastendrücken und Probieren kommt man nicht herum. Leider vermisst man beim Abspielen der Schlagzeug-Grooves und Benutzung des Metronoms einen Regler für die Justierung des Tempos. Letzteres wird auch über die Tastatur des ES120 eingestellt.

In Klartext: Der günstige Preis setzt bei der Bedienung eindeutig Grenzen. Wer häufig und viele Einstellungen am Gerät treffen und sie speichern möchte sowie eine visuelle Kontrolle benötigt, muss einfach mehr investieren und sich für ein Piano mit Display entscheiden. Für denjenigen, der einen Sound wählt und damit lange spielt, passt das ES120 prima.

Virtual Technician App

Interessant wird das ES120 für den Technik-affinen Tablet-User. Besitzer eines Apple iPad können mithilfe der App „Virtual Technician“ tief in das Innenleben des ES120 eingreifen. Mit ihr erhält man über Bluetooth direkten Zugriff auf viele weitere Parameter und Funktionen des Instruments, die von außen nicht zugänglich sind.

KAwai ES120: Virtual Technician App
Mithilfe der Virtual Technician App von Kawai hat man Zugriff auf recht viele interne Parameter des ES120. (Quelle: Kawai)

Wie klingt das Kawai ES120?

Bei diesem attraktiven Preis ist man positiv überrascht: Das Kawai ES120 klingt sehr gut und auch vielseitig. Eine Auswahl prominenter Klänge spielen wir der Reihe nach an. Den Anfang machen die akustischen Pianos. Sie gefallen durchweg mit einem brillanten und artikulationsreichen Klang über den gesamten Tonumfang. Authentische Pianos für sehr weiche romantische Stimmungen oder gar das trendige „Felt Piano“ sind wie auch die semiakustischen Vintage-Klaviere (Kawai EP-608, Yamaha CP-70) nicht vertreten. Die gebotenen Klavierklänge treffen aber wunderbar den Mainstream aktueller Klassik- und Popliteratur.

Audio Samples
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Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Concert“ Kawai ES120 „EX Concert Grand Piano Concert“ Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Mellow“ Kawai ES120 „Upright Piano“ Kawai ES120 „EX Concert Grand Piano Pop“ Kawai ES120 „SK-EX Concert Grand Piano Jazz“

Die E-Piano-Klänge des Kawai ES120 konzentrieren sich auf Rhodes (Tine Electric Piano) und Wurlitzer (Reed Electric Piano), ein Clavinet ist nicht im Angebot. Wie auch das klassische FM-Rhodes (Modern Electric Piano) sind diese Sounds passabel. Jazz- und Blues Organ sowie eine leicht digital klingende Kirchenorgel runden die Sparte „E.Piano“ des Kawai ES120 ab.

Audio Samples
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Kawai ES120 „Tine Electric Piano“ Kawai ES120 „Reed Electric Piano“ Kawai ES120 „Modern Electric Piano“ Kawai ES120 „Jazz Organ“ + „Blues Organ“ Kawai ES120 „Church Organ“

Für sinnvolle Split- und Layer-Kombination gibt es beim Kawai ES120 schließlich noch die Rubrik „Other“. Hier stehen zwei Streicher-Presets, ein Chor, ein digitales Synth-Pad, Akustik- und E-Bass sowie Cembalo und Vibraphon bereit. All diese Klänge sind solide und bereichern die klanglichen Möglichkeiten des Digitalpianos.

Audio Samples
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Kawai ES120 „Choir“ + „Slow Strings“ Kawai ES120 „New Age Pad“ Kawai ES120 „Wood Bass“ + „Electric Bass“ Kawai ES120 „Vibraphone“ + „Harpsichord“

Das Aufgebot kann man insgesamt qualitativ als überdurchschnittlich bezeichnen, wenn man vergleichbare Digitalpianos heranzieht.

Welches Gesamtgefühl kommt auf?

Beim Kawai ES120 fühlt man sich sofort wohl. Vor allem die akustischen Klaviere sind gut und differenziert über die Tastatur spielbar. Das Dynamikverhalten kann man zwar individuell regulieren, man wird diese Option in der Praxis aber kaum nutzen. Die Klaviatur ist eher leichtgängig (auch im Vergleich zum Kawai ES8, das neben dem Testgerät steht). Sie fühlt sich mehr als ein „Allrounder“ für Klavier, E-Pianos und Orgeln als ein dediziertes Spielmanual fürs Klassik-Piano an.

Kawai ES120 Tastatur
Die Tastatur des Kawai ES120 vermittelt ein angenehmes Spielgefühl. (Quelle: Bonedo)

Das Lautsprecher-System arbeitet ordentlich, auch wenn bei einer Leistung von 2 × 10 Watt noch Luft nach oben ist. Es lohnt sich übrigens, den Equalizer für die Lautsprecher zu probieren. In vielen Situationen reicht die Gesamtlautstärke. Bei Auftritten mit einer Band wird man sowieso einen separaten Verstärker und dafür den Stereo Line-Ausgang nutzen. Alternativ lässt sich ein Bluetooth-Lautsprecher verwenden.

Pädagogisch macht das Kawai ES120 auch eine gute Figur. Es verfügt über ein Metronom und die Recording-Funktion kann zur Selbstkontrolle beim Üben dienen. Mit den Schlagzeug-Grooves kommen gerade Spieler aus dem Pop-/Rock-Bereich auf ihre Kosten. Man kann an seinem Timing arbeiten und sich schon aufs Spielen in der Band besser vorbereiten. Aber selbst für den Hausgebrauch macht es Spaß, damit zu arbeiten.

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Fazit

Das Kawai ES120 ist eine klare Ansage unter den Consumer-Pianos. Seinem Vorgänger ES110 muss man keinesfalls nachtrauern. Die Neuauflage trumpft mit drei wichtigen Stärken auf: eine angenehme Spielbarkeit, hervorragende Sounds und eine leichte Mobilität. Natürlich muss man wegen der wenigen Bedientasten und mangels Displays schon ein wenig tricksen, wenn man mehr als nur Spielen möchte. Da unterstützt die Virtual Technician App hilfreich, jedoch ist ein iPad für ein solches Vorhaben notwendig. Wer aber ein solides modernes Instrument für unterwegs und zu Hause zum Üben benötigt, fühlt sich mit diesem Produkt glücklich. Es macht einfach Spaß, auf diesem Digitalpiano zu spielen. Alles in allem ist das Kawai ES120 ein sehr wertiger Vertreter in der Preisklasse unter 1.000 Euro. Persönliches Antesten ist wärmstens zu empfehlen. Wer den Vorgänger ES110 schon besitzt, muss nicht sofort aufs aktualisierte Modell wechseln. Für alle neuen Interessenten ist das ES120 ein deutlicher Kauftipp.

Kawai ES120 in Seitenansicht
Kawai ES120 Digitalpiano. (Quelle: Bonedo)

Features

  • 88 Tasten in Originalgröße mit Hammermechanik („Responsive Hammer Compact“)
  • 192-stimmige Tonerzeugung auf Sample-Basis
  • 25 verschiedene Klänge
  • Layer- und Split-Möglichkeiten
  • 4 Registrationsspeicher
  • Aufnahmefunktion (3 Songs, ca. 15.000 Noten)
  • 100 Schlagzeug-Muster
  • Metronom
  • Transpose, Tuning, Temperament Funktion
  • 6 Hall-Typen
  • 2 x 10 Watt Lautsprechersystem, Lautsprecher-EQ
  • 6,3 mm Stereo Line-Ausgänge
  • 6.3 mm und 3.5 mm Kopfhörerausgänge
  • USB-MIDI-Port
  • Bluetooth Audio/MIDI
  • Inkl. Sustain-Pedal, Notenablage und Netztei
  • Abmessungen: 130,5 x 28,0 x 12,0 cm (B x T x H)
  • Gewicht: 12,5 kg

Preis

Kawai ES120: Ca. 798 € (Straßenpreis am 27.09.2022)

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Profilbild von Wost

Wost sagt:

#1 - 19.10.2022 um 09:39 Uhr

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"Wir haben uns den Nachkömmling einmal genau angeschaut." Der Autor hätte auch einen Blick in die von Kawai bereitgestellten Informationen werfen sollen: Bluetooth Audio dient beim ES120 nicht der Verbindung mit Lautsprechern. Das ES120 kann Bluetooth-Audio empfangen und somit als Bluetooth-Lautsprecher dienen. Der kritisierten unhandlichen Bedienung am Gerät hätte man die mit dem ES120 nutzbare PianoRemote App von Kawai, die für Android und iOS verfügbar ist (auf Smartphones und Tablets) gegenüber stellen sollen. Damit lassen sich Sounds anwählen (auch Dual, Split), Einstellungen vornehmen (Transpose, Reverb, u.a.), die Funktion des Virtual Technician steckt ebenfalls darin. Wenn sie sich die App nochmal in Verbindung mit dem ES120 anschauen würde mich interessieren, ob die unter Metronom in der App auswählbaren Rhythmen den 100 im ES120 enthaltenen entsprechen (dann wäre auch diese Kritik aus dem Artikel entschärft), oder ob die App eine eigene Auswahl abspielt.

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