Icon Cocoon Test

Das Großmembran-Kondensatormikrofon Icon Cocoon ist nun wirklich auffällig geformt. Ob mit dem Design von etwas abgelenkt werden soll? Wenn man sich die Herkunft des Mikrofons vor Augen hält, scheint es nicht so: Das Icon ist aus Lettland. Und baltische Mikrofone wie Violet oder JZ waren schon immer extravagant geformt – und auch Blue hat einen Ursprung an der Ostsee. “Anders ist das neue Normal”?

Mikro mit Poppschutz und Spinne

Icon ist in erster Linie nicht für Studiomikrofone bekannt, sondern eher durch die DAW-Controller und Keyboards ein Begriff. Ein Blick auf die Icon-Website zeigt jedoch, dass das Unternehmen mit Sitz im chinesischen Hongkong eine üppige Produktpalette anbietet. 

Details

Icon Cocoon – der weihnachtlich-intergalaktische Energiespar-Kokon

Auf einen Kokon wäre ich als erste Assoziation nicht gekommen, eher auf eine Energiesparlampe. In den Produktinformationen wird das Design auch “intergalactic” genannt. Ist es nicht eher irgendwie winterlich-weihnachtlich? Wie dem auch sei: Schön finde ich das Icon Cocoon nicht unbedingt, begrüße es aber, dass sich Icon da was traut. Und das Cocoon soll ja vor allem klanglich überzeugen. Dafür setzt Icon auf klassische Technik. Hinter dem zapfenförmigen Metallkorb und der dahinterliegenden Gaze lässt sich eine Großmembrankapsel mit Elektrodenverbindung über eine Mittenverschraubung erkennen. In den Unterlagen ist von einem Membrandurchmesser von 35 Millimetern zu lesen, das wären 1,38 Zoll. Allerdings wird eher die gesamte Kapsel gemeint sein und die tatsächliche Membran ungefähr ein Zoll im Durchmesser. Die Richtcharakteristik der Kondensatorkapsel ist eine Niere. 

Mikrofon, liegend
Die Form des Icon Cocoon lässt eine Menge Assoziationen zu.

Datenlage des Cocoon

Den maximalen Schalldruckpegel gibt Icon mit 138 dB SPL an, wohlgemerkt für 0,5%! Gemeinsam mit dem mit 8 dB(A) sehr geringen Ersatzgeräuschpegels ergibt sich eine Dynamik, die mit der eines Neumann TLM 103 vergleichbar ist. Ein Messdiagramm weist eher schmalbandige und nur gering ausgeprägte Bumps im Spektrum aus, bei 150 Hz, 1,5 und 2 kHz. Eine Schärferücknahme ist nicht festzustellen, wohl aber der für Großmembraner typische Roll-Off des Signals ab 12 kHz. Das Kreuzen der 20kHz-Linie erfolgt mit bereit 22 dB Dämpfung. Das bedeutet aber keineswegs, dass das Mikrofon dadurch “höhenarm” ist oder dergleichen, voraussichtlich ist es weniger “luftig” und vielleicht nicht ganz so flott bei der Weiterleitung von schnellen Pegelanstigen im Signal. Für Vocals beispielsweise ist das alles nicht schlimm, sondern im Gegenteil häufig durchaus gewünscht.

Mikrofonspinne und Poppschutz

Das Mikrofon kommt mit einer Spinnenkonstruktion, die ebenfalls ihren eigenen Weg geht. Auf der Vorderseite befindet sich eine Art Türchen das geöffnet werde muss, um das Icon Cocoon zu fixieren. Nicht minder extravagant ist der Metall-Poppschutz, der die Korbform aufnimmt. 

Mikrofonspinne
Keine Standardware, sondern eine Eigenkonstruktion: Elastische Halterung des Icon Cocoon.

Praxis

Eigene Lösungen – mit Vor- und Nachteilen

Ich bin ja froh, wenn ein Mikrofon wie hier im Icon Cocoon Test nicht auf Bekanntes setzt und auf dem Zuliefermarkt verfügbare Bauteile neu zusammensteckt. Das Cocoon setzt auf eigenständiges Engineering, das ist zumindest anhand der Metallteile eindeutig. Allerdings ist die elastische Halterung nicht so genial wie beispielsweise die des Audio-Technica AT5045. Der Öffnungsmechanismus für das Türchen ist ein wenig fummelig, ich würde auch nicht dazu raten, Mikrofon und elastische Halterung täglich separat aufzubewahren. Ich kann mir vorstellen, dass das zu verschiebende Röhrchen als Verschluss hunderte Zyklen hält, aber nicht unbedingt tausende. Das ist natürlich Spekulation. Eindeutig nicht so toll finde ich das Kugelgelenk, mit dem die Spinne ausgerichtet wird. Diese Konstruktion wirkt etwas zu hühnerbrustig. Schon die kleinsten Kugelgelenke des Triad-Orbit-Systems können Probleme mit der Stabilität haben, das des Icon Cocoon ist definitiv zu klein. Das wäre nicht so schlimm, wenn man nicht zwingend auf die Spinne angewiesen wäre. Allerdings ruht im Zweifel die Konstruktion aus Spinne und Mikrofon auf einer der beiden Vertiefungen.

Kugelgelenk
Das Gelenk hat im Test zwar gehalten, aber als sicherheitshalber überdimensioniert geht es bestimmt nicht durch.

Klangcharakter des Icon Cocoon

Jeder hat Vorurteile. Ich möchte auch kein Geheimnis daraus machen, dass mir das Cocoon optisch nicht zusagt, auch wenn ich die Extravaganz begrüße. Schon kurz nach dem Anlegen der Phantomspeisung zeigt sich aber, dass man es beim Cocoon mit einem wirklich klasse Kondensatormikrofon zu tun hat. Insgesamt zeigt es ich wohlig warm, jedoch in keiner Weise belegt oder schwammig-wummerig – selbst bei geringen Abständen nicht. Und obwohl der grafische Frequenzgang anders vermuten lässt, gibt s keine Schärfe nd keine Spitzen im Signal. Ganz im Gegenteil: Dadurch, dass vor allem die Tiefmitten etwas Klirr produzieren und die Signalflanken ganz vorsichtig angeschleift werden, klingt das Icon Cocoon insgesamt rund und angenehm. Zum Vergleich: Das Icon Martian ist da deutlich kantiger. 

Vor allem Gesangsstimmen können diese Eigenschaften zugute kommen. Der Reflex, mit einem LA-2A oder einem Pultec das Signal mit ein wenig “Tranny” reichhaltiger und interessanter zu machen, ist mit dem Cocoon deutlich unterdrückt. Dabei bleibt das Mikrofonsignal ber immer noch flexibel für andere Anwendungsfelder, auch instrumentale. Es besitzt allerdings nicht die Allrounderfähigkeiten, die mich dazu bringen könnten, es als einziges Mikrofon zu empfehlen. Trotzdem: In Verbindung mit einem neutraleren Mikrofon, vielleicht sogar einem Kleinmembraner, hätte man genügend klangliche Optionen. Als Sprechermikrofon funktioniert es natürlich, viele werden aber bei Kondensatormikrofonen ein etwas griffigeres Signal erwarten. 

Audio Samples
0:00
Icon Cocoon, 10 cm Icon Cocoon, 30 cm Icon Cocoon, 70 cm Icon Martian, 10 cm Icon Martian, 30 cm Blue Ember, 10 cm Blue Ember, 30 cm the t.bone SC1200, 10 cm the t.bone SC1200, 30 cm

Popplem”

Der Poppschutz sieht gut aus. Ok, nach so einer Aussage ist es zu ahnen, dass es mit der Funktionalität etwas anders ausschaut. Tatsächlich ist das Gebilde zwar gut anzusehen, aber wenig effiktiv. Ich habe das Designstück für die Aufnahmen gegen einen preiswerten Stoff-Poppschutz getauscht. Das hatte deutlich geringere “Poppleme” zur Folge. Die Spinne filtert aber Trittschall sehr ordentlich.

Poppfilter
Den meisten Lösungen des Drittanbietermarktes würde man bei der Wahl des Poppschutzes wohl den Vorzug geben.

Pattern

Nicht frontal einfallender Schall wird glücklicherweise nicht durch den Wolf gedreht. Auch seitliche Signale oder Reflexionen werden ohne allzu auffällige Verfärbungen wiedergegeben. Natürlich sind sie höhenärmer. Ebenso natürlich ist, dass im rückseitigen Bereich einige Frequenzbereiche sehr stark unterdrückt werden, andere teilweise hervortreten. Das ist bei fast allen derartigen Mikrofonen so – und nicht mehr so wichtig, weil der Pegel auf der Rückseite schon sehr gering ist. A propos Pegel: In jedem Fall kann man sich aber beim Cocoon über hohe Rauscharmut freuen. 

reines Mikrofon ohne Zubehör
Nicht unbedingt die schlechteste Pattern-Stabilität – aber auch nicht die beste.

Fazit

Im Icon Cocoon Test wurde klar, dass an der Ostsee ein klanglich äußerst hochwertiges Großmembranmikrofon gebaut wird. Es hat einen eigenständigen, durchaus edlen Charakter, der es vielleicht nicht für alle Signale zur Idealbesetzung macht, aber ganz besonders Gesangsstimmen ganz deutlich aufwerten kann. Die Äußerlichkeiten sind Geschmackssache, lobenswert ist aber definitiv der Ansatz, nicht die ausgetretenen Pfade zu bestreiten. Bei aller Gestaltungswut hätte dem Cocoon allerdings ein vielleicht langweiligerer, aber funktionalerer Poppschutz gut getan. Trotz der Kritikpunkte 4,5 Sterne bedeutet: Das Ding klingt wirklich klasse!

Mikro im Test
  • Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Richtcharakteristik: Niere
  • maximaler Schalldruckpegel: 138 dB SPL (0,5% THD+N)
  • Feldleerlauf-Übertragungsfaktor: 21 mV/Pa
  • Eigenrauschen: 8 dB(A)
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
  • Ausgangsimpedanz: 50 Ohm
  • Lieferumfang: Mikrofon, elastische Halterung, Metall-Poppschutz
  • hergestellt in: Lettland
  • Preis: € 579,– (Straßenpreis am 19.5.2022)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hervorragender, edler Gesamtklang
  • kräftige aber nicht schwammige Tiefen
  • weiche, sämige Mitten und Höhen
  • eigenständiges Design
Contra
  • Funktionalität des Poppfilters
Artikelbild
Icon Cocoon Test
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