Earthworks SV33 Test

Earthworks ist ein Hersteller von sehr hochwertigen Kondensatormikrofonen.

Earthworks_SV33_13

Nierenmikrofone wie das SR25, aber auch Druckempfänger-Kugeln der QTC-Serie genießen einen sehr guten Ruf – in den heimischen USA etwas mehr als in der hiesigen Schoeps-, Neumann-, DPA- und Sennheiser-Landschaft. Mit dem Earthworks SV33 ist nun ein hochwertiges, spezialisiertes Studiomikrofon auf dem Markt. Die Hochwertigkeit drückt sich schon durch den Preis von deutlich über zweitausend Euro aus. Die Spezialisierung bezieht sich auf die Aufnahme von Gesangsstimmen, das SV33 ist also ein ausgewiesenes Vocal-Mic.  

Details

Groß oder klein?

Dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, dass in der zweiten Überschrift zu diesem Artikel „Kleinmembran-Kondensatormikrofon“ zu lesen ist. Von außen betrachtet, scheint die Lage klar: Studiomikrofon für Gesang, von ordentlicher Statur, großer Korb – das wird wohl ein Großmembran-Mikrofon sein. Doch man kann sich täuschen! Genauso, wie ein Audio-Technica AT5045 ein Großmembran ist, aber nicht so aussieht und das EV RE20 wie auch das Shure SM7 B nach Großmembran-Kondensern aussehen, aber Tauchspulenmikrofone sind, sind Mikrofone wie ein Neumann M 150 Tube und das Earthworks SV33 eben Kleinmembranmikrofone. Zum Beweis (zum Beispiel nach einer eventuell durchgeführten Wette) lässt sich der große Mikrofonkorb des SV33 abdrehen und offenbart den Blick auf die Kapselkonstruktion. Das sieht aus, als hätte jemand ein Earthworks-Stäbchenmikrofon zersägt und in einem großen Gehäuse untergebracht. Die Nierenkapsel misst 1,4 cm im Durchmesser, der schwingende Membrandurchmesser ist ein paar Millimeter kleiner. Spätestens beim Blick auf das geöffnete Mikrofon sollte klar sein: Das SV33 ist ein „front fire“ zu betreibendes Mikrofon, wird also nicht wie fast alle Studio-Großmembraner von der Seite besprochen!

Fotostrecke: 3 Bilder Kopf des Gesangsmikrofons

Frequenzgangangabe mit +/2 dB Toleranz statt mit üblichen +/-3 dB!

Es ist der guten Qualität, aber eben auch der Abstimmung von Kapsel und Elektronik anzurechnen, dass die Werte des Earthworks geradezu idealtypisch wirken. So ist der Frequenzgang mit 30 Hz bis 33 kHz angegeben – und zwar sogar mit Abweichungen von +/-2 dB, nicht +/-3 dB, wie es sonst üblich ist. Der maximale Schalldruckpegel wird mit 145 dB(SPL) angegeben, Self Noise nach A-Filterung mit 15 dB. Das Mikro gibt 10 Millivolt pro Pascal aus und zeigt sich gegenüber Preamps unprätentiös: Seine Ausgangsimpedanz liegt bei 65 Ohm, die Phantomspeisung kann auch nur 24 Volt betragen. Geliefert wird das Schmuckstück in einer standesgemäßen Holzschatulle.

Fotostrecke: 6 Bilder Mikrofonhalterung, Body und Kapsel, abgeschraubter Grill

Praxis

Wunderschönes Mikrofon

Zunächst muss ich eine vermeintliche Trivialität loswerden, die mir unter den Nägeln brennt: Das Earthworks SV33 sieht einfach nur verdammt gut aus. Edel, zurückhaltend, mit Korbgitter-Verstrebungen, die an Hochhausarchitektur erinnern und einer geradezu erotischen Formgebung des Korpus. Dazu die luftig-leichte Bügelaufhängung und die dunkle, edelmatte Nextel-Oberfläche: Wow!

Schönheit: SV33 von Earthworks
Schönheit: SV33 von Earthworks

Da verschmiert nichts!

Für das Stimmensignal darf festgehalten werden, dass Earthworks bezüglich der Fähigkeiten des SV33 den Mund nicht zu voll genommen haben: Die Natürlichkeit ist erstaunlich und zeigt einmal mehr, dass Earthworks in der gleichen Liga spielen können wie die hochwertigen Kleinmembranmikrofone aus deutscher und dänischer Produktion. Das Ausgangssignal scheint förmlich an den Stimmbändern zu kleben. Das bedeutet auch, dass bei etwas näherer Besprechung jedes noch so kleine platzende Spuckebläschen, jede „Nebenluft“ im Mundraum zu hören ist – man möchte sogar meinen: jedes Nasenhaar. Dinge, die sich schon bei etwas trägeren Großmembranern schnell einmal versenden oder durch Übertrager verschmiert werden, finden ihren Weg in das Audiosignal. Die Geschwindigkeit ist das große Plus des SV33. Sie steht beispielsweise einem Schoeps (hier mit dem MK 8 verglichen, also einer Achterkapsel) in nichts nach. Der Vergleich ist sogar ein wenig gemein, denn die Schoeps-Achterkapsel vermag im Vergleich zu vielen anderen aus der Colette-Serie, den erweiterten Verstärkerfrequenzgang von bis zu 40 kHz nicht komplett zu bedienen, sondern macht prinzipbedingt etwas früher „zu“.

Audio Samples
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Earthworks SV33, 10 cm Earthworks SV33, 40 cm Earthworks SV33, 40 cm, 45 Grad Earthworks SV33, 40 cm, 90 Grad Earthworks SV33, 80 cm Audio-Technica AT5045, 10 cm Audio-Technica AT5045, 40 cm Audio-Technica AT5045, 80 cm Schoeps CMC 6xt U/MK8, 10 cm Schoeps CMC 6xt U/MK8, 40 cm Schoeps CMC 6xt U/MK8, 40 cm, 45 Grad

Fehlbedienung nicht ausgeschlossen – wäre aber nicht so schlimm

Die Gefahr, dass das Earthworks SV33 versehentlich im Side-Fire-Betrieb verwendet wird, ist gar nicht mal so gering. Wieso? Nun, selbst fast mit 90 Grad Einsprechwinkel ist das Signal noch absolut vollständig, weist keine auffälligen Einbrüche oder Verfärbungen auf – nicht einmal größere Pegeleinbußen. Das Pattern tendiert deutlich zur Wide Cardioid und nimmt die Höhen dabei recht gut mit. Bei 180 Grad gibt es Mikrofone, die deutlich stärker bedämpfen. Es sind weniger die Tiefen denn die Höhen weit oberhalb der Präsenzen, die sich ihren Weg ins Signal mogeln. Dadurch bleibt das Signal (auch bei korrekter, also axialer Besprechung) frisch, offen und luftig. Wäre eine hohe rückwärtige Empfindlichkeit eher in den Mitten der Fall, würde man sich bei der Aufnahme durch Raumrückwürfe schnell Färbungen einheimsen. Der genannte Umstand trägt also zur hervorragenden Klangqualität nicht unerheblich bei.

Sogar fälschlicherweise aus diesem Winkel besungen, wird das SV33 gut klingen.
Sogar fälschlicherweise aus diesem Winkel besungen, wird das SV33 gut klingen.

Rauschen gering und homogen

Richtig Spaß macht die exorbitante Grobdynamik des Mikrofons. Mit der Stimme ist es so gut wie unmöglich, das Mikro zu überfahren, da braucht es tatsächlich schon laute Instrumente. Also: Ein Pad vermisst niemand. Der Rauschteppich ist gering genug und – wichtiger – besonders fein und homogen. Auch ein brutal plattkomprimiertes Signal, bei welchem die Dynamikgeräte in Signalpausen jeden Noise Floor nah an das Nutzsignal holen, erhält zwar ein leichtes Rauschen, aber eben ohne störende „grainy“ Komponenten. Ob an einem edlen Röhrenpreamp (Tube-Tech MP-1A, einem Neve-Style (Heritage ’73 Jr.), einem preiswerten Audio-Interface (Focusrite Saffire 6i6) oder einem sehr hochwertigen Wandlersystem (Mergin Technologies HAPI / Premium) – das Mikrofon konnte an allen seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und die Eigenschaften der Vorverstärker herausspielen. Die Audiofiles sind übrigens mit dem HAPI erstellt.

Fazit

Es gibt genau ein Manko des Earthworks SV33. Richtig geraten, es ist leider der Preis. Wenn man bedenkt, dass es für genau tausend Euro weniger beispielsweise einen Schoeps Colette-Body mit erweitertem Frequenzgang (CMC 6xt U) und einer Nierenkapsel MK 4 zu kaufen gibt – eine vor allem im Klassik- und Jazzbereich beliebte Kombination für sehr natürlichen Gesang –, dann muss man einfach konstatieren, dass das SV33 alles andere als ein Schnäppchen ist. Das war es aber auch schon mit den möglichen „Abers“, denn alles andere ist von wirklich allererster Güte. Die Herstellungsqualität, die Optik, der Frequenzgang bis zur Off-Axis, die Grob- und die Feindynamik, die Poppempfindlichkeit, der Nahbesprechungseffekt, das Verhalten an Vorverstärkern: Hier stimmt einfach alles. Wer auf der Suche nach einem wirklich spitzenmäßigen, sehr natürlichen Gesangsmikrofon ist und die Kosten nicht scheut, bekommt mit dem Earthworks SV33 sein „Ende der Suche“-Mikrofon.  

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr linearer Frequenzgang
  • äußerst offener, frischer und natürlicher Sound
  • hervorragende Feindynamik
  • angenehmer Nahbesprechungseffekt
  • poppunempfindlich
Contra
  • kostspielig
Artikelbild
Earthworks SV33 Test
Earthworks_SV33_1
Features und Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Kleinmembran-Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 24-48 V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 30 Hz – 33 kHz (+/- 2 dB)
  • Übertragungsfaktor: 10 mV/Pa
  • THD+N: 15 dB (A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 145 dB SPL (0,5% THD)
  • Ausgang: XLR
  • Preis: EUR 2649,- (Straßenpreis am 30.01.2018)
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