Dreamtonics Vocoflex Test

Synthesizer V hat bereits eindrucksvoll gezeigt, wie hoch die Qualität künstlich erzeugter Stimmen von einem Plugin sein kann. Der gleiche Hersteller Dreamtonics legt jetzt einen Effekt nach: Vocoflex. Damit ist Vocal Morphing, also die Stimmverwandlung, endlich auch in der DAW angekommen. Ob das gut klingt und wie flüssig der Workflow ist, erfahrt ihr im Test. 

Dreamtonics Vocoflex Test

Checkliste zum Kauf von Dreamtonics Vocoflex

  • Audioeffekt zur Veränderung von Vocalaufnahmen (fast) in Echtzeit
  • Stimmfarbe stufenlos ändern
  • Eigenes Stimmmodell in wenigen Schritten erzeugen
  • „Stilles“ Wasserzeichen im Audiosignal gegen Missbrauch 

In den letzten zwei Jahren ist eine ganze Reihe an KI-Anbietern zur Stimmumwandlung aus dem Boden geschossen. Bisher gibt es diese KIs aber immer nur in Form von Websites: Man lädt ein Acapella hoch, wandelt es dort um und lädt sich das Ergebnis herunter, um es dann in die DAW einzufügen. Als echtes Effektplugin verspricht Vocoflex nun, diesen „Vocal Morphing“-Workflow zu beschleunigen und zu vereinfachen. 

DETAILS & PRAXIS

Vocal Tuning 2.0 

Man stelle sich vor, man könnte beim Karaoke mal wirklich in der Stimme von Whitney „I will always love you“ schmettern oder so schön „Stairway To Heaven“ jaulen, wie es nur Robert Plant konnte. So weit weg sind wir davon gar nicht mehr, denn Vocal Morphing, quasi Auto-Tune 2.0, landet mit Dreamtonics Vocoflex jetzt auch in unseren DAWs. 

Audioeffekt Dreamtonics Vocoflex
Die Hauptansicht von Vocoflex: sehr minimalistisch

Wofür das Ganze? Zum einen sind die meisten von uns nicht gerade die geborenen Leadsänger*innen. Hier stellt Vocoflex eine schnelle Lösung dar, um die Gesangsidee in den produzierten Track zu bekommen, ohne vor Peinlichkeit im Boden zu versinken. 

Zum anderen erlaubt das Plugin abgefahrenes Sounddesign, bei dem Instrumente auf einmal wie Stimmen klingen. Und zum Produzieren von Chören und Backing Vocals bekommt man mangels echtem Chor mit dem Tool eine Möglichkeit, diesen besonders gut zu faken.  

Wie klingt Dreamtonics Vocoflex? 

Vocal-Loop importieren, Vocoflex drauf, eine der 40 mitgelieferten Stimmen laden und staunen – wie radikal sich die Stimme hier ändert und wie gut sogar fast ausdruckslos gesungene Sprachmemos damit auf einmal klingen, das habe ich so noch nicht gehört.

Einen ähnlichen Wow-Moment hatte ich bei Synthesizer V, ebenfalls von Dreamtonics. Mit dem Unterschied, dass der Workflow bei Vocoflex um einiges zugänglicher ist. 

Preset-Browser in Vocoflex
Einige der 40 Presets in Vocoflex. 

Mit dabei sind Stimmen für jede Fasson: „Deep Operatic Baritone” für den Barry-White-Verschnitt, “Husky Female Rnb“ für die Soulröhre und sogar „Upbeat Female Rap“ für den Sprechgesang. Dazu kann man mehrere Stimmmodelle mischen und so die sechs, sieben oder gar acht Modelle zu vollkommen neuen Timbres mixen. 

Audio Samples
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Male Vocal (Dry) – Vocoflex (wet) mit “Bright Male J-Pop” Female Vocal (Dry) – Vocoflex (wet) mit “Deep Raspy Reggae” Female Vocal (Dry)  – Vocoflex (wet) mit Automation durch vier Stimmen

Was aber schnell auffällt: Kommen raue Stimmen ins Spiel, man will zum Beispiel einen Metal-Growl oder eine Rockröhre mit dem Tool umwandeln, kommt Vocoflex an seine Grenzen – es sind Artefakte zu hören. Falls die Tonlage des gewünschten Stimmmodels weit über oder unter dem Quellmaterial liegt, sollte man die Tonhöhe über den Pitch-Parameter (kleine Stimmgabel unten links) entsprechend anheben oder absenken, bis es passt.

Ist Vocoflex bühnentauglich? 

Einzig zwischen den geladenen Stimmmodellen kann man automatisieren, mehr Einstellungsmöglichkeiten gibt es im Plugin quasi nicht. Dazu kann man sogenannte Waypoints zwischen den Stimmmodellen anlegen. Ansteuern kann man diese per MIDI-Note. Initial hat mich dieses Feature etwas ratlos gemacht – wozu sollte man auf diese Weise zwischen Stimmmodellen wechseln wollen, wenn man das doch auch automatisieren kann? Diejenigen unter euch, die Vocoflex auf der Bühne einsetzen wollen, werden die Antwort bereits kennen: genau dort natürlich. 

DAW Ableton Live mit Audioplugin Vocoflex
Knapp 50 Millisekunden Latenz im „Real-Time“-Modus

Hier in der Tiefe wird aber auch die Komplexität von Vocoflex deutlich. Das Plugin erzeugt eine knackige Latenz: 166 Millisekunden im High-Quality-Modus und 36 Millisekunden im Lowest-Latency-Modus. Das ist noch weit entfernt von Live-Tauglichkeit – was den Nutzen für Vocoflex auf der Bühne leider etwas schmälert.

Eigenes Stimmmodell in Dreamtonics Vocoflex erzeugen 

Zurück ins Studio: neben den 40 mitgelieferten Stimmmodellen bringt das Plugin zwei Möglichkeiten mit, um eigene Stimmen zu erzeugen. Zum einen integriert Vocoflex eine Art Zufallsgenerator. Es ordnet Stimmfarben echte Farben zu. Wer möchte, verfeinert die Stimmfarbe auch noch auf einem X/Y-Pad. Auf der X-Achse justiert man zwischen männlicher (Masculine) und weiblicher (feminine) Stimmfarbe und auf der Y-Achse (Tone) zwischen kräftigem und gehauchtem Gesang. 

Vocal-Morphing-Effekt Vocoflex
Mit einem Klick auf „Random“ erzeugt Vocoflex eine neue Stimmfarbe.

Will man seine eigene oder eine andere lizensierte (!) Stimme in ein vocoflex-geeignetes Modell umwanden, reicht laut Dreamtonics bereits eine A-capella-Aufnahme (ohne Effekte) zwischen zehn und zwanzig Sekunden, um gute Ergebnisse zu erreichen. Man zieht sie einfach per Drag-and-drop in das Plugin. 

Vocoflex während der Erzeugung eines Stimmprofils
Für die Analyse der 45-sekündigen Aufnahme braucht Vocoflex ca. zehn Sekunden.

Das probiere ich mit einer Aufnahme von Chuck Sutton, der den Demosong für Ableton Live 12 produziert hat. Die 45 Sekunden lange Aufnahme verarbeitet Vocoflex auf meinem M1 Pro Macbook Pro in ca. zehn Sekunden. Die Qualität fällt genau wie bei den mitgelieferten Modellen am besten aus, wenn man die Tonhöhe der Aufnahme in Vocoflex vorher anpasst. Damit das neu erzeugte Modell nicht verloren geht, sollte man es über den etwas versteckten Speicherdialog als Preset abspeichern. 

Deutschrap und mehr

Nutzt man Vocoflex zum Umwandeln von deutschsprachigem Gesang, klingt es bei Silben wie „-ich“ oder „-ig“  etwas undeutlich. Auch bei deutschen Sprachaufnahmen, beispielsweise für einen Podcast oder ein Hörbuch lässt der Vocoflex diese schnell schwammig klingen.

Reicht es allein durch Vocoflex nicht zum nächsten Jahrhunderthit. Beides würde ich dem Plugin jedoch nicht als Minuspunkt ankreiden, sondern nur bewusstmachen, wie weit man zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Plugin kommt.. 

Audio Samples
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Female Vocal (Dry) – Vocoflex (Wet) mit importiertem Stimmmodell (1 Oktave tiefer) Deutsch-Rap Vocal (Dry) – Vocoflex (Met) mit „Upbeat Female Rap“ (1 Oktave höher)

Vocoflex für Sounddesign – Instrumente „singen“ lassen

Wer es wie ich kreativer mag, wird diesen „Missbrauch“ von Vocoflex lieben. Denn nur weil das Plugin für Vocals gedacht ist, steht ja nirgendwo drauf, dass man das Plugin nicht auch für andere Instrumente verwenden kann.

Vor allem Trompeten, Saxophone und monophone Klavier- und Marimbaaufnahmen fangen durch das Plugin im wahrsten Sinne des Wortes an zu singen. 

Audio Samples
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Trumpet Loop aus Kontakt 7 (Dry) und Vocoflex (Wet) mit „(Airy Female Ballad“ Piano Loop aus Ableton (Dry) und Vocoflex (Wet) mit „Passionate Chinese Baritone” Drum Loop (Dry) und Vocoflex mit Automation durch vier Stimmmodelle

Abgefahrener wird es bei Streichinstrumenten und Synths Sounds. Hier erzeugt Vocoflex fast schon außerirdisch klingende Ergebnisse. Und legt man das Plugin auf einen Drum Loop, verwandelt es sich in einen Beatboxer. 

Urheberrecht und potentieller Missbrauch

Über dem Thema Vocal Morphing in der Musikproduktion schweben zwei Damoklesschwerte: Urheberrecht und potentieller Missbrauch.

Gut konnte man das vor zwei Jahren an der Plattform Uberduck.ai sehen. In den Anfängen konnte man hier Beyoncé kostenlos Schlager und Elton John einen Metallica-Epos singen lassen. Weder wurden die Stimmen- oder Rechteinhaber um Erlaubnis oder Einverständnis gefragt, noch hat man sie an den Einnahmen der Neuinterpretationen beteiligt. 

Website Ubderduck.ai
Das alte Uberduck mit unzähligen Prominenten zum Vocal Morphing (Quelle: Gearnews.de) 

Um Missbrauch bei Vocoflex zu verhindern, hat Dreamtonics ein Wasserzeichen im Plugin hinterlegt, das in jeden gemorphten Gesang gerendert wird, aber nicht zu hören ist. Diese Anti-Missbrauchsmethode soll so sicher sein, dass man das Wasserzeichen selbst dann dem ursprünglichen Produzenten zuordnen kann, wenn der Gesang neu gerendert und mit Effekten verändert wurde. 

Website von Dreamtonics zur Software Vocoflex
Disclaimer bei Dreamtonics zur Verifizierung 

Kommt also jemand auf die Idee, Vocoflex mit A-capellas berühmter Sängerinnen und Sänger zu trainieren und das Resultat zu veröffentlichen, kann man für rechtliche Belange genau nachvollziehen, wer dahintersteckt. Um sich noch rechtlich abzusichern, verlangt Dreamtonics vor dem Kauf auch, dass man sich mit einer digitalen Ausweiskopie bei einem Drittanbieter online verifiziert.

Was aus Sicht des Unternehmens nachvollziehbar ist, ist für Nutzer datenschutzrechtlich nicht ganz unbedenklich.

FAZIT

Dreamtonics Vocoflex kann ich, was die Qualität des Vocal Morphing betrifft, uneingeschränkt empfehlen. Was hier rauskommt, ist gängigen Online-KI-Services haushoch überlegen. Eigene Stimmmodelle zu erzeugen, ist außerdem so einfach, dass man ruckzuck eine ganze Bibliothek an eigenen Modellen produziert.

Dass man zu diesem Preis allerdings sehr wenige Einstellmöglichkeiten bekommt und ein derart strenges Verfahren zur Lizenzierung beim Kauf durchlaufen muss, sind zwei Punkte, über die man sich im Klaren sein sollte, ehe man das Tool professionell nutzt. Und auch was die Latenz betrifft, ist das Tool von echter Live-Tauglichkeit eine ganze Ecke entfernt.  

Review Vocalflex
Dreamtonics Vocoflex – Vocal Tuning Deluxe: Tolle Möglichkeiten für das Studio!

Features

  • Effektplugin (AU / VST3) für Windows und Mac
  • Vocal Morphing: Stimme von Gesangsaufnahmen verändern
  • 40 Simmmodelle integriert
  • Beliebig viele Stimmmodelle kombinieren
  • Durch „Wavpoints“ MIDI-gesteuert zwischen Stimmmodellen springen
  • Neue Simmmodelle durch Zufallsgenerator
  • Eigenes Stimmmodell erzeugen durch Drag-n-Drop Import
  • Lizenzierung des Plugins durch Upload einer Ausweiskopie
  • PREIS: 199,- EUR (Straßenpreis am 19.8.24)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • zugänglich und verständlich
  • Qualität des Vocal Morphing
  • hohe Bandbreite an Stimmfarben in den Stimmmodellen
  • einfacher Workflow zum Erzeugen eigener Stimmmodelle
Contra
  • Lizenzierungsverfahren mit Ausweis-Upload
  • hohe Latenz, Live kaum nutzbar
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Dreamtonics Vocoflex Test
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Thorsten sagt:

#1 - 21.09.2024 um 11:25 Uhr

0

Guter und interessanter Bericht - zwei Kritikpunkte jedoch: - Auf Deutsch gibt es BEI WEITEM nicht bloß Rap! Wie harmoniert das Ganze mit Rock, Folk usw.?? Respektive: Wie machen sich die Mängel bei "deutschen" Lauten (z.B. "ch") bemerkbar, wenn man sich einen Chor für, sagen wir mal, das pompöse Finale einer Powerballade "baut"? Übrigens habe ich bei ersten Experimenten mit den Möglichkeiten via der angesprochenen Websites vor einigen Wochen dieses Problem (zu meinem Erstaunen, da anders erwartet) bei zumindest einem Anbieter NICHT gehabt. Ist auch vor diesem Hintergrund Besserung auch bei diesem Plugin in einer späteren Version zu erwarten...? - DER Satz ist satzstell-mäßig ja wohl ziemlich missglückt: >>Reicht es allein durch Vocoflex nicht zum nächsten Jahrhunderthit.<<

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