Ein gebrauchtes Mikrofon schafft man nicht alle Tage an – und mit dem Kauf von Gebrauchtmikros kann es ein wenig sein wie mit dem Kauf von Gebrauchtwagen: Man schaut nicht hinein und hofft, dass der Motor nicht schlapp macht oder sonstige Überraschungen lauern.
Für alte Autos und alte Mikrofone vom Gebrauchtmarkt gilt: Leider kann man das gebrauchte Teil meist nicht erst einmal ein halbes Jahr lang testen, um zu sehen, ob es passt. Wenn ihr kauft „wie gesehen“, riskiert ihr damit natürlich, dass sich das günstige Schnäppchen als Niete herausstellt und nicht den Funktionsumfang bietet, den ihr eigentlich erwartet habt.
Doch es gibt durchaus Möglichkeiten, einen Mikrofon-Fehlkauf zu vermeiden. Schließlich wisst ihr, was ihr von dem gebrauchten Mikro erwarten könnt: Es soll Vocals, Bassdrum oder E-Gitarre so übertragen, dass sich das Signal auf den Recordings oder über die PA gut anhört. Um euch beim Kauf eines gebrauchten Mikrofons ein möglichst sicheres Gefühl zu geben, führen wir die größten Fehler auf, die ihr vermeiden solltet.
- Fehler: Ihr kauft ein unpassendes Mikrofon
- Fehler: Ihr hört euch das Mikro nicht an, bevor ihr es kauft
- Fehler: Ihr achtet beim Mikrofon-Gebrauchtkauf nicht auf die technischen Daten
- Fehler: Ihr lasst euch vom optischen Zustand des Gebrauchtmikros blenden
- Fehler: Ihr achtet nicht auf die typischen Schwachstellen eines gebrauchten Mikrofons
1. Fehler: Ihr kauft ein unpassendes Mikrofon
Überlegt euch, wofür ihr das Mikrofon einsetzen wollt und kauft ein wirklich für diese Anwendung passendes Mikro! Gerade weil ihr ein gebrauchtes Mikrofon meist nicht mehr zurückgeben könnt, solltet ihr euch genau überlegen, was ihr von diesem Audio-Tool erwartet und welche Aufgaben es erledigen sollte. Macht euch vorher schlau, ob dieser Mikrofontyp eure Anforderungen erfüllt.
So ist auf der Bühne meist ein dynamisches Mikro das Mittel der Wahl, da es mechanisch robust ist und auch ruhig einmal hinfallen darf, ohne dass es gleich seinen Dienst quittiert. Außerdem sind dynamische Mikrofone relativ rückkopplungsfest, da sie durch das hohe Membrangewicht keine optimale Impulswiedergabe aufweisen. Mit anderen Worten: Ein dynamisches Mikro braucht ordentlich Schalldruck, um ein nennenswertes Ausgangssignal abgeben zu können. Der Sänger, der direkt ins Mikro singt, wird machtvoll übertragen, während die Bodenmonitore vor ihm sowie der Drummer in seinem Rücken vom Gesangsmikro ausgeblendet werden. So sind Mikrofone wie das Shure SM58, das Sennheiser e835 oder das AKG D7 gut geeignet, um die Vocals auf die PA zu bekommen. Auch für die Schlagzeug-Instrumente wie Bassdrum, Snare und Toms wählt man am besten dynamische Mikros. Für die Bassdrum könnt ihr zum Beispiel das AKG D 112 oder das Shure Beta 52A nehmen, für die Snare ein Shure SM57 und für die Toms beispielsweise das Sennheiser e604. Der Gitarrenamp wird in den meisten Fällen mit einem Shure SM57 gut rübergebracht und der Bass geht häufig über eine DI-Box direkt ins Pult.
Hingegen werden die Vocals und viele andere Instrumente im Studio meist mit einem Kondensatormikrofon abgenommen, da dieser Mikrofontyp die feinen Klangnuancen besser abbildet als ein dynamisches Mikrofon. Darüber hinaus geben Kondensatormikrofone einen höheren Ausgangspegel als dynamische Mikros ab, wodurch auch leise Instrumente rauschfrei aufgenommen werden können. Der filigrane Aufbau eines Studio-Kondensatormikrofons bedeutet natürlich auch, dass dieser Mikrofontyp nicht so robust ist wie ein dynamisches Mikro. Deshalb solltet ihr euch gut überlegen, ob ihr auf der Bühne mit Kondensern arbeiten wollt. Für die Aufnahme der Stimme im Studio sind Großmembraner wie das AKG C 414 oder das Rode NT2 hervorragend geeignet. Schlagzeugbecken und die Hi-Hat werden gern mit Kleinmembran-Kondensatormikrofonen abgenommen, da dieser Mikrofontyp die Obertöne sehr sauber und unverfälscht abbildet. Auch die Westerngitarre und andere obertonreiche Instrumente werden im Studio gern mit Kleinmembranern aufgenommen, etwa dem AKG C 451 oder dem Neumann KM 184 aufgenommen.
Insbesondere beim Kauf eines Gesangsmikros solltet ihr auf folgende Punkte achten:
- knackiger Vokalsound
- Mikro muss gut in der Hand liegen
- Rückkopplungsarmut
- gute Sprachverständlichkeit
- gute Dämpfung der Griffgeräusche
- gute Unterdrückung der Popplaute
- auswechselbarer Grill und Poppschutz
Wenn ihr diese Stichpunkte beachtet, vermeidet ihr Enttäuschungen, was Sound, Anwendungsgebiet und Handhabung des Mikrofons anbetrifft.
2. Fehler: Ihr hört euch das Mikro nicht an, bevor ihr es kauft
Klar – ein gebrauchtes Mikro kann man sich meist nicht vor dem Kauf anhören, es sei denn, der Käufer wohnt in der Nähe. Doch auch wenn ihr das Mikro über eine Internetplattform wie eBay kauft und euch zuschicken lasst, könnt ihr euch zumindest vorher den gleichen Mikrofontyp anhören und herausbekommen, ob das Mikro zu euch passt. Sound ist bekanntlich Geschmacksache und verschiedene Mikros liefern unterschiedliche Klangbilder. Die beste Möglichkeit herauszubekommen, ob euch das Mikro gefällt, ist ein Vergleichstest, bei dem ihr mehrere Mikrofone parallel aufbaut und an eine Gesangsanlage anschließt oder mit einem Audioprogramm aufnehmt.
Wenn ihr nun zwei oder drei Mikros in die engere Auswahl genommen habt, dann solltet ihr diese Kandidaten mit in den Proberaum nehmen und mit voller Bandbesetzung testen. Denn wie sich das Mikro bei einer Solo-Performance verhält, ist die eine Sache. Entscheidend ist jedoch, was es unter realen Bedingungen liefert: Setzt sich die Stimme auch bei lauter Konkurrenz von Drums, Bass und Gitarre noch durch? Wie hoch ist die Feedback-Resistenz? Werden die anderen Instrumente gut unterdrückt? Wenn ihr mit Hilfe eines solchen Tests das Mikro eurer Wahl gefunden habt, dann wird auch der Kauf eines gebrauchten Mikros nicht zu einer bitteren Enttäuschung führen.
3. Fehler: Ihr achtet beim Mikrofon-Gebrauchtkauf nicht auf die technischen Daten
Mit den technischen Daten eines Mikrofons verhält es sich wie mit dem Kleingedruckten eines Versicherungsvertrages: Fast niemand liest sich das ernsthaft Zeile für Zeile durch. Dabei können die technischen Daten sehr viel Aufschluss darüber geben, ob das Mikro eure Erwartungen erfüllen wird. Wenn ihr beispielsweise ein Sennheiser e945 für eure Vokal-Performance kauft, dann solltet ihr euch bewusst sein, dass es sich hier um ein Supernierenmikrofon handelt. Die Superniere unterdrückt den seitlich einfallenden Schall deutlich stärker als ein Nierenmikro, wie zum Beispiel ein Sennheiser e935 oder das Shure SM58. Dadurch bekommt ihr eine bessere Kanaltrennung, da der Gitarrenamp neben dem Sänger nicht so laut übertragen wird. Der Nachteil bei einem Supernierenmikro ist, dass es auf der Rückseite eine etwas größere Empfindlichkeit aufweist als ein Nierenmikrofon. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Rückkopplungsanfälligkeit und die optimale Positionierung der Bodenmonitore. Wenn ihr auf einer kleinen und lauten Bühne spielt, dann kann es sein, dass sich ein Nierenmikro in Bezug auf das Rückkopplungsverhalten etwas gutmütiger verhält. Auf der anderen Seite entwickeln Supernierenmikros aufgrund ihres Kapselaufbaus häufig einen etwas druckvolleren und präsenteren Sound als ihre Nierenkollegen.
Auch der Frequenzgang kann euch Aufschluss darüber geben, wie das Mikro klingt und ob es für eure Zwecke geeignet ist. So weist ein Bassdrum-Mikro meist eine Anhebung im Bassbereich auf sowie einen ordentlichen Boost im Präsenzbereich zwischen 5 und 10 kHz. Diese Frequenzbereiche sind für den Bassdrumsound wichtig, damit sowohl der Kick als auch die Wucht der Bassdrum gut abgebildet werden. Die Hersteller veröffentlichen den Frequenzgang auf ihren Produktbeschreibungen und wenn ihr die Frequenzgänge mehrerer Mikros vergleicht, könnt ihr daraus schon wesentliche Klangunterschiede ableiten. Die technischen Daten helfen euch also bei der Entscheidungsfindung – der ausschlaggebende Faktor ist jedoch immer der Sound.
4. Fehler: Ihr lasst euch vom optischen Zustand des Gebrauchtmikros blenden
Natürlich lassen heftige Gebrauchsspuren darauf schließen, wie und wo das Mikro in seinem bisherigen Leben benutzt wurde. Ein 30 Jahre altes Sennheiser MD 421 mit einer großen Delle im Einsprechkorb hat wahrscheinlich schon ein bewegtes Leben hinter sich und klingt dann eventuell auch nicht mehr so taufrisch wie am ersten Tag. Aber die wahren Qualitäten eines Mikrofons sind in seinem Inneren versteckt. Ein Mikro mit äußeren Abnutzungserscheinungen muss nicht zwangsläufig schlecht klingen. Schließlich sind gerade dynamische Mikrofone sehr robust und können eine Menge einstecken, bevor sie ihren Dienst quittieren. Ein verbeultes Shure SM58 ist durchaus in der Lage, den Sänger mit gutem Sound und kraftvoll rüberzubringen.
Wichtig ist, dass der Schallwandler intakt ist und die Signalkabel im Mikro nicht abgerissen sind. Der Wandler (auch Kapsel genannt) ist das Herzstück des Mikrofons, da er den Schall in elektrische Signale umformt. Die Schallwellen treffen auf eine hauchdünne Membran auf, die in Schwingungen versetzt wird. Auf der Rückseite der Membran ist bei Tauchspulenmikrofonen eine Spule angeklebt, die mit der Membran im Magnetfeld hin- und herschwingt. Durch die Bewegung der Spule im Magnetfeld wird eine Spannung induziert, die als Ausgangssignal genutzt wird.
Bei unsanfter Behandlung des Mikros kann die Membran reißen, wodurch das Mikro unbrauchbar wird. Darüber hinaus muss sich die Spule frei bewegen können, da sie bei ihren Bewegungen in einen dünnen Luftspalt eintaucht. Wenn die Spule infolge harter Stöße verkantet, wird das Mikro eventuell nicht mehr den gewünschten Sound erzeugen. Ob Wandler und Kabel im Inneren des Mikro intakt sind, könnt ihr ganz leicht testen: Schließt das Mikro an ein Mischpult an und hört euch das Signal über eine Gesangsanlage oder einen Kopfhörer an. Idealerweise holt ihr euch einen Vergleichskandidaten, den ihr im AB-Vergleich abwechselnd mit dem Gebrauchtmikro auf die Lautsprecher schaltet. Am besten ist es natürlich, wenn ihr das Gebrauchtmikro mit einem neuwertigen Modell des gleichen Typs vergleichen könnt. Aber auch ein anderes Modell, dessen Sound ihr gut kennt, kann euch dabei helfen, einen solchen Funktionstest durchzuführen.
Bei diesem Vergleichstest solltet ihr darauf achten, wie sich die beiden Mikros anhören, ob sie eventuell unterschiedliche Betonungen von Bässen, Mitten oder Höhen aufweisen. Sind die Griffgeräuschen beim Gebrauchtmikro stärker zu hören als beim Vergleichskandidaten? Wie verhalten sich die beiden Mikros bei Popp– und S-Lauten? Bei gebrauchten Bühnenvokalmikrofonen solltet ihr auch mal den Einsprechkorb abschrauben. Darin eingelegt befindet sich bei den meisten Modellen ein Poppschutz aus Schaumstoff. Nehmt diesen heraus und untersucht ihn auf seine Funktionsfähigkeit hin – ist er rissig, lässt er sich gut wieder in den Einsprechkorb einlegen? In jedem Fall ist es sinnvoll, den Poppschutz eines gebrauchten Vokalmikros mal einer gründlichen Reinigung zu unterziehen oder vielleicht sogar zu erneuern – schließlich wisst ihr nicht, wer in dieses Mikro schon alles reingesungen hat!
Bei Kondensatormikrofonen solltet ihr ein wenig mehr auf allzu heftige Gebrauchsspuren achten. Kondensatormikros haben eine Membran, die noch einmal um einiges dünner und filigraner ist als diejenige von Tauchspulenmikros. Darüber hinaus benötigen Kondensatormikrofone eine elektronische Schaltung, die ebenfalls sehr anfällig gegenüber mechanischer Gewalteinwirkung ist. Im Unterschied zu den dynamischen Mikrofonen gehen Kondenser eher kaputt, wenn sie unsanft behandelt werden. Durch die genaue Betrachtung der äußeren Erscheinung könnt ihr einschätzen, ob das Mikrofon vielleicht einmal hingefallen ist oder ob ein übermotivierter Schlagzeuger den Einsprechkorb des Mikros mit seinen Sticks malträtiert hat. Aus diesem Grund gibt euch das äußere Erscheinungsbild eines Kondensatormikros Aufschluss darüber, ob das Mikrofon in seinem bisherigen Leben pfleglich behandelt worden ist. Auf jeden Fall gilt: Wenn das gebrauchte Mikro den Funktionstest nicht besteht und die Merkmale nicht erfüllt, die der Verkäufer in der Anzeige beschrieben hat, dann habt ihr das recht, das Mikro zurückzuschicken und das Geld zurückzuverlangen.
5. Fehler: Ihr achtet nicht auf die typischen Schwachstellen eines gebrauchten Mikrofons
Wenn der Einsprechkorb sehr stark eingedellt ist, kann es sein, dass die Kapsel Schaden genommen hat. In diesem Fall solltet ihr von einem Kauf eventuell absehen, falls ihr nicht vor Abschluss des Vertrages einen Funktionstest durchführen könnt. Wenn ihr ein dynamisches Mikro gekauft habt, könnt ihr mit einem Durchgangsprüfer nachmessen, ob die Schwingspule intakt ist. Bei diesem Vorgang wird festgestellt, ob zwischen den Pins 2 und 3 des XLR-Steckers ein Strom fließen kann, da die Schwingspule an diese beiden Pins angeschlossen ist. Wenn dies nicht der Fall ist, dann wird das Mikro keinen Mucks von sich geben und sollte postwendend zurückgeschickt werden. Falls das Mikro sehr starke Verunreinigungen aufweist, deutet das auf einen nachlässigen Umgang hin. In diesem Fall solltet ihr das Gebrauchte besonders genau unter die Lupe nehmen:
- Stimmt der Sound?
- Gibt es Störgeräusche wie Brummen, Rauschen oder Knistern?
- Was passiert bei einem dynamischen Mikro, wenn man Phantomspeisung im Mischpult zuschaltet?
- Was macht das Kondensatormikro, wenn die Phantompower an-, bzw. abgeschaltet wird?
- Klappert irgendetwas im Mikrogehäuse? – Gibt es Rostansätze am Gehäuse?
- Ist bei der Kapsel ein Riss zu sehen?
- Wird Gummi oder Schaumstoff bröselig oder brüchig?
- Gibt es Anzeichen für Reparaturversuche?
Wenn das Mikrofon Schalter hat, dann solltet ihr probieren, ob sich diese knackfrei betätigen lassen. Auch die Funktionen dieser Schalter solltet ihr überprüfen: So lässt sich bei vielen Großmembran-Kondensatormikros die Richtcharakteristik umschalten. Schaltet die Richtcharakteristiken nacheinander ein und sprecht jeweils von allen Seiten auf das Mikrofon ein. Am besten setzt ihr dazu einen Kopfhörer auf und hört euch das Ergebnis an. Bei der Nierencharakteristik sollte von hinten ein deutlich leiserer, meist auch etwas dumpferer Klang zu hören sein. Die Kugelcharakteristik gibt den Sound von allen Seiten gleichlaut wieder und die Acht klingt von vorne und hinten gleichlaut, bedämpft jedoch die seitliche Einsprache extrem stark. Kleine Anmerkung: Die Haupt-Einsprechrichtung in ein Großmembran-Kondenser ist fast immer dort, wo das Fimenlogo zu sehen ist. Wie immer gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! In den meisten Fällen werdet ihr jedoch auch mit einem gebrauchten Mikro viel Freude haben, falls ihr vorher das passende Modell gefunden habt.
Und noch etwas: Erscheint euch der Preis deutlich zu gering, weiß der Verkäufer eigentlich nichts über das Mikrofon oder wirkt das Mikro eigentlich noch nagelneu, dann werdet misstrauisch und ruft im Zweifel die Polizei! Schließlich wollt ihr nicht Leute mit Geld versorgen, die zu dem Schlag Mensch gehören, die euch das Mikrofon bei der nächsten Gelegenheit wieder klauen würden!