Die meisten Keyboards folgen einer ganz klaren Linie und Hersteller orientieren sich nicht selten an der Konkurrenz. Bahnbrechende Neuerungen und drastische Sprünge sind hier selten zu finden: In der Keyboardwelt kann man durchaus von einer gewissen “Trägheit“ sprechen. Dabei gibt es hier und da noch Luft nach oben: In puncto Sounds, Bedienung und Features könnte man sich auch mal etwas Neues trauen. Schön ist es gerade dann, wenn neue Hersteller Ideen vorstellen und für frischen Wind in der Branche sorgen. Bei der italienischen Keyboard-Manufaktur Dexibell ist das beispielsweise der Fall. Erst vor Kurzem hatten wir mit dem VIVO SX7 ein kompaktes Piano Soundmodul im Test, welches über besonders gute Piano-Sounds verfügt. Jetzt wird nachgelegt: Hinter dem neuen Dexibell VIVO S9 steckt das Flaggschiff der italienischen Stagepiano-Serie. Das VIVO S9 verfügt nicht nur über besonders hochauflösende Piano- und Vintage-Sounds, sondern auch über jede Menge Controller und Effekte. Neun motorisierte Fader und sieben Drehencoder mit LED-Kranz lassen erahnen, dass Dexibell es wirklich ernst meint.
Das VIVO S9 ist ein gelungenes Stagepiano mit eigenständigem Klang, konsequenter Architektur und extravaganten Ausstattungsmerkmalen.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich der Name Dexibell von der Maßeinheit Dezibel ableitet. Dennoch sind die italienischen Stagepianos keine bloßen „Pegel-Lieferanten“, sie überzeugen vor allem durch ihre detaillierte, realistische Nachbildung akustischer und elektronischer Tasteninstrumente. VIVO bedeutet schließlich lebendig, und da kommen wir dem Kern der Stagepianos schon näher. Das Geheimnis dieser lebendigen Klangerzeugung nennt sich T2L-Synthese („True To Life“) und meint damit eine Mischung aus Sampling- und Modeling-Technologie. „Best Of Both Worlds“ sozusagen, denn mit einer Sample-Länge von bis zu 15 Sekunden, einem Verzicht auf Audio-Loops sowie einer unübertroffenen Polyfonie von 320 Stimmen gehört das Dexibell VIVO S9 sicherlich zur absoluten Spitzenklasse unter den Stagepianos.
Unser Testkandidat hebt sich aber noch durch weitere Features von den bisherigen Dexibell-Stagepianos ab. Tatsächlich kombiniert das VIVO S9 drei Tonerzeugungen in einem Gerät: Neben den Piano-Sounds des VIVO S7 verfügt das Dexibell VIVO S9 auch über eine eigene Orgel-Sektion, welche aus der Combo J7-Orgel sowie der portablen Kirchenorgel Classico L3 besteht. Insgesamt fünf Orgel-Engines bietet das VIVO S9 und ist mit diversen Fadern und Tastern ausgestattet, die eine Bedienung in Echtzeit ermöglichen. Neben einer üppigen Effektsektion kann das VIVO S9 auch als Masterkeyboard benutzt werden und verfügt über eine tolle Tastatur mit echtem Holzkern. Hier hat sich Dexibell wirklich Mühe gegeben – schauen wir uns das extravagante Stagepiano also näher an!
Details
Gehäuse
Wie alle Dexibell-Pianos, kommt auch das VIVO S9 in einem sehr robusten Gehäuse daher: Viel Metall und wenig Kunststoff wurden hier verbaut. Mir persönlich gefällt das sehr gut, denn obwohl das Piano stolze 20 kg auf die Waage bringt, so vermittelt es doch vor allem ein Gefühl von Hochwertigkeit. Farblich gesehen präsentiert es sich übrigens deutlich moderner als das VIVO S7: Die weiß-blaue Oberfläche mit den blauen Seitenteilen ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber in dem ansonsten eher grauen Stagepiano-Markt kann ein Hauch Farbe sicherlich nicht schaden. Durch die blaue LED-Beleuchtung erhält das VIVO S9 im Betrieb einen recht modernen Touch – es scheint fast etwas mehr Kunstwerk als Piano-Imitation zu sein. Übrigens, die blauen Seitenteile des Vivo S9 sind im Gegensatz zu denen der in VIVO Stage S-3, VIVO Portable P-3 und VIVO Portable P-7 verbauten Pendants nicht aus Kunststoff hergestellt und nicht austauschbar, sondern werden liebevoll per Hand aus Holz gefertigt. Im Lieferumfang des Dexibell VIVO S9 befinden sich übrigens ein Haltepedal mit Half-Damper-Funktion sowie ein externes Netzteil, ein Notenhalter und eine Bedienungsanleitung.
Das Bedienfeld des VIVO S9 fällt im Gegensatz zu manch anderen Stagepianos relativ groß aus: Zahlreiche Taster, Fader und Potis lassen erkennen, dass wir es hier mit einem leistungsstarken Piano zu tun haben. Dank der Strukturierung behält man hier einen guten Überblick:Die vier Bedienbereiche wurden jeweils blau hinterlegt. Herzstück des VIVO S9 ist das mittig verbaute OLED-Display, das zusammen mit Pfeiltasten und dem Drehencoder zum Navigieren von Sounds und Menüpunkten dient. Links davon befindet sich die Effektsektion, in der jeweils zwei Effekte für die Parts Main, Coupled sowie Lower/Pedal zur Verfügung stehen. Die Effekte können frei gewählt werden und über die beiden benachbarten Drehencoder sind bereits zwei Parameter dieser Effekte sofort einstellbar.
Weiter geht es direkt daneben: Hier findet die Orgel-Sektion ihren Platz. Neben zwei Tonewheel-Engines gibt es hier auch Nachbildungen von Vox, Farfisa und Pfeifenorgel. Auch Rotary-Effekt, Overdrive sowie Vibrato und Percussion können hier eingestellt werden. Ein echtes Highlight am VIVO S9 sind übrigens die neun motorisierten Fader, die nicht nur zum Bedienen der Zugriegel, sondern auch für das Regeln der Part-Lautstärke oder der Reverb-Anteile zuständig ist. So wird beim Umschalten der Presets immer sofort der aktuelle Fader-Stand angezeigt und man muss nicht raten, welche Einstellungen man wohl beim letzten Zugriff benutzt hat.
1/3 Die neun motorisierten Fader gehören zu den Highlights des Stagepianos.
2/3 Die Orgelsektion des VIVO S9 verfügt über fünf verschiedene Orgelsimulationen.
3/3 Auch die Effektsektion des VIVO S9 ist üppig ausgestattet und verfügt über sechs Effekte, die jeweils mit den Drehencodern justiert werden können.
Nun schauen wir uns den Bereich rechts des Displays genauer an: Hier befindet sich die Sound/Memory-Sektion, die mich ein wenig an Arranger-Keyboards erinnert. Die insgesamt 85 Sounds des VIVO S9 sind hier in acht Kategorien wie z. B. Piano, E-Piano, Strings oder Brass geordnet. Da sich alle Sounds des 1,5 GB großen Speichers austauschen lassen, kann man selber über das Angebot der verschiedenen Kategorien entscheiden: Ähnlich wie z. B. bei Clavia bietet auch Dexibell eine Auswahl an kostenlosen Sounds zum Download an.
In der Sound/Memory-Sektion wird ebenfalls das Speichern der Sounds sowie das Splitten bzw. aktivieren der vier möglichen Parts (Main, Coupled, Lower und Pedal) vorgenommen. Dass das VIVO S9 außerdem über eine Masterkeyboard-Funktion verfügt, das verraten sowohl manche Beschriftungen auf dem Gehäuse sowie die vier Taster zur Aktivierung der Zonen A, B, C und D. Außerhalb der blau markierten Felder findet sich noch ein Tastenfeld für den Audio-Player, die Chord-Freeze-Funktion oder z. B. das Einstellen der Oktavlage. Auch interessant: Die Tastatur des VIVO S9 verfügt über Aftertouch, der hier separat aktiviert werden kann. Abschließend folgen – jeweils ganz außen liegend – die Pitchbend/Mod-Wheel-Kombi sowie Volume-Regler und On/Off-Schalter.
1/3 Das OLED-Display des VIVO S9 ist das Herzstück des VIVO S9: hier behält man den Überblick über Sounds und Parameter.
2/3 In der Sound/Memory-Abteilung werden die hochwertigen Sounds ausgewählt.
3/3 Rechts außen befindet sich das Tastenfeld, über welchen die Chord-Freeze-Funktion sowie der Audio-Player bedient wird.
Anschlüsse
Die Anschlüsse des Dexibell VIVO S9 befinden sich auf der Rückseite des Pianos. Ganz außen liegen zwei Kopfhöreranschlüsse (6,3 mm und 3,5 mm Klinkenbuchsen) sowie ein Audio-In im Miniklinkenformat. Mit etwas Abstand folgen dann zwei USB-Buchsen zum Aufstecken eines Speichermediums bzw. zum Verbinden des Pianos mit einem Rechner. Das klassische MIDI-Trio darf natürlich nicht fehlen. Bei den Pedalanschlüssen wird es wieder luxuriös: Gleich vier Pedale können an das VIVO S9 angeschlossen werden. Neben Sustain- und Expressionpedal nennen sich zwei weitere Pedal-Buchsen „Foot“ und „Morphing“. Die Morphing-Funktion erlaubt das Steuern von Faderpositionen mit einem Pedal, wenn man beispielsweise beide Hände zum Spielen benötigt (mehr dazu dann im Praxisteil). Auch bei den Audio-Ausgängen ist das VIVO S9 luxuriös ausgestattet: Neben den typischen Klinkenausgängen verfügt das Piano auch über zwei symmetrische XLR-Buchsen. Der Netzteil-Anschluss, an welchen das Netzkabel mit einem Gewinde festgeschraubt wird, rundet die rückseitigen Anschlussmöglichkeiten ab. Schön ist übrigens, dass ein Sustainpedal mit Halbdämpfer-Funktion bereits im Lieferumfang enthalten ist!
1/5 Die Anschlussmöglichkeiten befinden sich auf der Rückseite des Stagepianos.
2/5 Neben vier Pedalanschlüssen sind sowohl symmetrische als auch unsymmetrische Ausgänge vorhanden.
3/5 Die klassische MIDI In/Thru/Out-Kombination darf natürlich nicht fehlen.
4/5 Gleich zwei USB-Buchsen befinden sich im VIVO S9: sowohl zum Aufstecken eines Speichermediums als auch zum Verbinden mit einem Computer.
5/5 Neben den beiden Kopfhörerbuchsen befindet sich der Audio-In.
Klangerzeugung
Im Bereich der Klangerzeugung greift das VIVO S9 auf die eigens dafür entwickelte T2L-Technologie („True To Life“) zurück, die eine Kombination aus Sampling- und Modeling-Synthese ist. Wie im Benutzerhandbuch zu lesen ist, hat Dexibell dabei äußerst hohe Ansprüche an den Klang gestellt. Sehr lange Samples mit einer Aufnahmezeit von bis zu 15 Sekunden und eine Audio-Engine, die mit 48 kHz und 24 Bit arbeitet, garantieren höchste Klangqualität. Im T2L-Editor des VIVO S9 können dabei viele klangliche Details, wie z. B. Saitenresonanzen, Hammergeräusche etc., eingestellt werden. Daneben besitzt das VIVO S9 mit insgesamt 320 Stimmen eine sehr hohe Polyfonie, mit der man wohl kaum an die Grenzen des Pianos stößt.
1/4 Über den T2L-Editor können diverse Nebengeräusche eingestellt werden.
2/4 Je nach Instrument befinden sich hier verschiedene einstellbare Parameter.
3/4 In der Sound-Library befinden sich die vielen Klänge des VIVO S9, welche sogar austauschbar sind.
4/4 Die unterschiedlichen Grand Pianos verfügen über sehr verschiedene Klangcharaktere.
Tastatur
TP-400 W lautet die Typenbezeichnung der im VIVO S9 verbauten Tastatur aus dem Hause Fatar. Dabei handelt es sich um eine Hybrid-Tastatur, die nicht ausschließlich aus Kunststoff gefertigt ist, sondern mit einem echten Holzkern ausgestattet wurde. Dank der ausgewogenen Gewichtung, einem Dreifach-Sensor und einer Ivory-Feel-Beschichtung gehört sie zu den wohl besten Klaviaturen auf dem Markt. Die Tastatur des VIVO S9 lässt echte Pianistenherzen höherschlagen!
Die TP-400 W Tastatur besitzt einen echten Holzkern und lässt sich ausgewogen spielen.
Weitere Features
Dank der integrierten Bluetooth-Schnittstelle ist es möglich, Audio-Material z. B. von einem Smartphone oder Tablet zu streamen. Außerdem bietet Dexibell die kostenlose App „X Mure“ an, die sowohl die Steuerung des Stagepianos ermöglicht, und die Funktionalität des Pianos z. B. mit einigen Begleitrhythmen erweitert. Nicht alle der Features sind kostenlos und leider ist zur Verwendung der App das separat erhältliche Apple iPad Camera Connection Kit erforderlich, denn die Verbindung funktioniert leider im Gegensatz zum Audio-Streaming nicht über Bluetooth.
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Praxis
Starten wir in den Praxisteil mit einer schnellen Kaffeepause. Klingt komisch, ist aber so. Tatsächlich benötigt das VIVO S9 wie auch andere Dexibell-Pianos zum Hochfahren knappe 50 Sekunden. Die geballte Ladung an Klängen hat offenbar ihren Preis, wenn es um ein schnelles Einschalten geht, denn während des Ladens kann man dabei zusehen, wie die einzelnen Klänge in den 1,5 GB großen Arbeitsspeicher geladen werden. Das sollte man also unbedingt im Hinterkopf behalten, denn im Live-Betrieb könnte eine derart lange Boot-Zeit stören.
Klang
Pianos
Nach dem Ladevorgang kann es dann aber losgehen! Hören wir uns – ohne weitere Anmerkungen – ein paar der Pianoklänge des VIVO S9 an. Über die Sound/Memory-Sektion erhält man Zugang zu insgesamt acht akustischen Pianos, darunter Flügel und Upright-Pianos. Das klingt ganz typisch nach Dexibell! Jeder der Sounds hat einen individuellen Charakter und eine besonders hohe Dynamik. Die Pianos verfügen über einen sehr realistischen und leicht räumlichen Klang, was vermutlich an der holophonen Aufnahme der Samples liegt.
Schön ist auch, dass Artefakte wie z. B. loopende Samples im Ausklang oder Pitch-Shifting bei benachbarten Tasten gänzlich ausbleiben. Besonders gut gefällt mir der Diskantbereich, der bei fast allen Pianos besonders gut gelungen ist. Im Übrigen bietet Dexibell auch weitere Sounds auf seiner Hersteller-Seite an und man kann davon ausgehen, dass das Angebot zukünftig noch erweitert wird. Die Sounds lassen sich nämlich alle austauschen und so kann man das VIVO S9 nach eigenen Vorstellungen konfigurieren.
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VIVO LiveJapan GrandVIVO UprightVIVO GrandPop Grand
E-Pianos
Auch die E-Pianos sowie die verschiedenen Clavinet-Sounds klingen gut, wobei sie im Gegensatz zu den akustischen Pianos etwas weniger realistisch wirken. Hier hat man vermutlich nicht so viele Samples verwendet, denn die Klänge machen zwar einen hochwertigen Eindruck, je nach Preset mangelt es mal mehr oder weniger an Details. Die Rhodes-Samples beispielsweise klingen etwas weniger detailliert, das Wurlitzer gefällt mir persönlich recht gut. Für ein Piano in dieser Preisklasse darf man aber durchaus noch etwas mehr erwarten.
True To Life Editor
Klanglich lassen sich die verschiedenen Sounds nach Belieben editieren. Über den dafür vorgesehenen T2L-Editor hat man auf Tastendruck über T2L-Knopf sofortigen Zugang zu diversen Parametern, wie z. B. Hammer-, Release- und Dämpfergeräusche sowie Saitenresonanzen. Diese Werte stehen im Ursprungszustand auf 0 und können im Wertebereich zwischen -64 und +63 angehoben bzw. abgesenkt werden. Auch bei den E-Pianos ist es möglich, instrumentenspezifische Geräusche wie z. B. „Bell“, „Growl“ oder „Cabinet Resonance“ zu justieren.
Aus meiner Sicht ist das ein sehr gelungenes Feature, mit welchem die Sounds noch etwas mehr Lebendigkeit erhalten. Für mich sind die Nebengeräusche jedenfalls ein ganz besonders wichtiger Teil des Instruments. In den nachfolgenden Beispielen habe ich die Parameter stark angehoben, was den „Japan Grand“ noch viel intimer und atmosphärischer klingen lässt. Beim Rhodes klingen die Nebengeräusche auch sehr interessant, wobei man sie in der gewählten Extremeinstellung schon etwas übertrieben sind – hier sollte man also etwas vorsichtiger sein.
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Grand Piano mit maximalen NebengeräuschenE-Piano mit extremen Nebengeräuschen
Orgeln
Im Gegensatz zum VIVO S7 besitzt unser Testkandidat eine eigene Orgel-Sektion, wie sie in ähnlicher Form z. B. beim Nord Electro zu finden ist. Hier kommen nicht nur die neun motorisierten Fader zur Zugriegelsteuerung ins Spiel, sondern gleich ein ganzes Tastenfeld zur Auswahl der fünf integrierten Orgel-Simulationen, sowie Chorus-, Percussion- und Rotary-Sektion. Hören wir uns zunächst die beiden Tonewheel-Simulationen an, die in ihrem Grundsound zwar recht ähnlich sind, bei vollen Zugriegeln aber feine Unterschiede zeigen. Zwei Tonewheel-Orgeln unter einem Dach? Das ist wirklich fein! Ich habe in beiden Beispielen mit den Zugriegeln sowie mit der Rotary-Speaker Simulation experimentiert.
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Tonewheel-Orgel TW1Tonewheel-Orgel TW2
Für eine Orgelsimulation klingt das nicht schlecht, wenngleich ich hier anmerken muss, dass einige Orgel-Clones hier noch authentischer klingen. Einem echten Kenner fallen die Details auf: die Percussion, das Scanner-Vibrato und vor allem die Leslie-Simulation können mich nicht ganz überzeugen. Übrigens verfügt die Orgel über drei Einheiten Upper Manual, Lower Manual sowie Pedal und lässt sich bei Bedarf auch mit Fußbasspedal oder zweitem Manual (mit angeschlossenen MIDI-Keyboard) verwenden. Die Steuerung der motorisierten Zugriegel hat etwas sehr Luxuriöses. Vor allem beim Aufrufen von Presets zeigt sich ihr großer Vorteil: Die Zugriegel springen sofort auf ihre entsprechende Position – so kennt man es eigentlich nur von hochpreisigen Mischpulten!
Durch die motorisierten Fader und die vielen Taster lässt sich die Orgel-Sektion sehr leicht bedienen.
Weiter geht es mit den verbleibenden Orgelmodellen, zu denen die Modelle Farfisa, Vox und Kirchenorgel gehören. Auch hier bedienen die Zugriegel die entsprechenden Register, welche übrigens unterstützend auch im Display angezeigt werden. Die einzelnen Orgelmodelle gefallen mir sehr gut, weil sie sehr eigenständig klingen, besonders druckvoll sind und mit einer ordentlichen Portion Tiefbass daherkommen!
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FarfisaVoxPfeifenorgel
Weitere Klänge
Natürlich finden wir im Vivo S9 noch eine ganze Menge weiterer Klänge, die sich in den Kategorien der Sound/Memory-Sektion verstecken. Die meisten dieser Sounds findet man auch in vielen anderen Keyboards, jedoch ist die Auswahl hier etwas begrenzt. Grundsätzlich legt Dexibell auch hier mehr Wert auf die Qualität einzelner Sounds – weniger also auf das Prinzip „Masse statt Klasse“ – sehr lobenswert. Tatsächlich klingen viele Sounds dieser Kategorien, zu denen u. a. klassische Strings, Pads und Bläser gehören, sehr ordentlich.
Ein Kritikpunkt zu den Sounds richtet sich speziell an die Dynamik des VIVO S9: Bei manchen Sounds des Stagepianos sind mir drastische Lautstärke-Unterschiede aufgefallen, sodass ich oftmals zum Nachpegeln angehalten war. Ganz besonders stark ist mir das bei den Orgelmodellen aufgefallen – die einzelnen Zugriegel addieren sich in der Lautstärke so stark, dass ich doch etwas überrascht war.
Morphing
In der Orgel-Sektion befindet sich ein fast unscheinbarer Taster mit der Überschrift „Morphing“, welcher automatische Bewegung der Fader steuert. Im Auto-Modus bestimmen drei Geschwindigkeiten darüber, wie schnell die Fader nach dem Aufrufen eines Presets in ihre Position „fahren“.
Etwas interessanter ist jedoch der Pedal-Mode, der die Faderbewegung zwischen zwei manuell festgelegten Registrierungen mit einem Pedal steuern lässt. Im Menü heißt es dann z. B. „From 00 0000 000“ und „To 88 8800 008“ – in diesem Fall kann man also mit dem Morphing-Pedal die Zugriegel per Fuß herausziehen. Ein sehr originelles und nützliches Tool, vor allem, wenn beide Hände zum Spielen gebraucht werden.
Effekte
Ein besonderes Merkmal des VIVO S9 ist die großzügige Effekt-Sektion, welche neben dem globalen Reverb-Effekt sowie dem Master-EQ mit sechs weiteren Effekten ausgestattet ist. Für die drei Parts Main, Coupled und Lower sind jeweils zwei dieser Effekte zuständig, welche über den FX Select-Taster angewählt und separat aktiviert werden. Betätigt man den Taster FX Select, dann wird im Display sichtbar, welcher Effekt gerade ausgewählt ist. Hier kann man jederzeit frei aus den verschiedenen Modulationseffekten wie z. B. Tremolo, Vibrato, Flanger, Chorus, Phaser oder z. B. Delay wählen. Besonders praktisch sind die beiden Drehencoder, die jeweils direkten Zugriff auf zwei der wichtigsten Parameter bieten, wie z. B. Intensity und Rate bei einem Chorus. Über die Auswahltaster unterhalb des Displays erreicht man auch das „App Parameter“-Menü, in welchem alle weiteren Einstellmöglichkeiten der Effekte zu finden sind. Hier bleiben keine Wünsche offen.
1/4 Nicht nur der Main-Part verfügt über zwei individuelle Effekt-Slots.
2/4 Auch der Coupled-Part lässt sich mit zwei Effekten versehen.
3/4 Daneben gibt es auch einen globalen Reverb-Effekt, dessen Anteile sich für jeden Part einstellen lassen.
4/4 Natürlich stehen hier verschiedene Hall-Arten zur Verfügung.
Ein weiterer Effekt bleibt alleine der Orgel-Sektion vorbehalten: Neben dem Morphing-Taster finden wir den Overdrive-Regler, welcher den Orgelsimulationen zu einer gehörigen Portion „Crunch“ verhilft. Dieser lässt sich wahlweise hinzuschalten und kann dann mittels Drehencoder im Wertebereich zwischen 1 und 100 geregelt werden. Von softer Verzerrung bis hin zu gnadenlosem Overdrive ist hier alles möglich!
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Overdrive
Main, Coupled, Lower und Pedal
Das Dexibell Vivo S9 ist vierfach multitimbral und verfügt über vier Parts, die im Sound/Memory-Bereich aktiviert werden können. Nach dem Hochfahren des S9 ist regulär nur der Main-Part aktiv. Einen Layer erzeugt man mit dem Coupled-Taster: Dann wird dem Main-Sound ein zweiter Sound „angekoppelt“. Wird der Lower-Part aktiviert, wird die Tastatur in zwei Bereiche gesplittet: Jetzt können Main- und Coupled-Part auf der oberen Hälfte und der Lower-Part in der unteren Hälfte gespielt werden. Der Splitpunkt lässt sich im Menü natürlich einstellen.
Für die untere Tastaturhälfte kann auch der Pedal-Part aktiviert werden – alternativ lassen sich sogar Pedal- und Lower-Part zusammen spielen. Speziell für die Orgel-Sektion ist der Pedal-Part interessant, denn er kann sowohl über die Tastatur, als auch alternativ über ein externes MIDI-Fußbasspedal eingesetzt werden und simuliert dann ein Fußbassregister, wie man es z. B. von einer echten Hammond-Orgel kennt. Auch andere Klänge können für den Pedal-Part ausgewählt werden. Für den Orgelmodus lässt sich übrigens auch noch ein externes MIDI-Keyboard anschließen, dann kommt man als Spieler in den Genuss zweier Manuale. Sind alle vier Parts gleichzeitig aktiviert, dann klingt das VIVO S9 sehr mächtig!
1/2 Das VIVO S9 verfügt über vier individuelle Parts, die über den Sound/Memory-Bereich aktiviert werden können.
2/2 Für einen Layer-Sound werden sowohl Main- als auch Coupled-Part aktiviert: über das Display werden die beiden Sounds angezeigt.
Chord Enhancer / Chord Freeze
Die Chord-Enhancer-Funktion ist ein interessantes Feature, um einen volleren Klang zu erzeugen. Wirksam wird der Chord-Enhancer beim Spielen von Strings, Choir oder Pad-Sounds und generiert passend zu gespielten Akkorden einen tiefen Grundton. Bei Dreiklängen in der Grundstellung erklingt beispielsweise ein Grundton zwei Oktaven tiefer. Die „Chord Freeze“-Funktion ist im Gegensatz dazu eher ein kleines „Gimmick“, einen praktischen Verwendungszweck konnte ich hierfür noch nicht finden. Wird der zugehörige Taster aktiviert, dann merkt sich das VIVO S9 den gedrückten Akkord und friert diesen ein. Der gespielte Akkord wird dann anschließend beim Drücken einer einzigen Taste wieder aufgerufen und je nach Taste entsprechend transponiert. Wer also immer schon wissen wollte, wie ein 12-Ton-Cluster-Voicing in allen 12 Tonarten und denkbaren Oktavlagen klingt, der sei hier zum „Ausprobieren“ eingeladen.
Soundangebot & Speicherverwaltung
Ein kurzer Blick in das Benutzerhandbuch gibt Aufschluss über die interne Speicherverwaltung des Dexibell VIVO S9: Tatsächlich beträgt Flash-Speicher insgesamt 3GB und ist in zwei exakt gleichgroße Bereiche unterteilt. Die eine Hälfte davon besteht aus nicht überschreibbaren Factory-Sounds, in der anderen Hälfte hingegen können User-Sounds geladen werden, welche z. B. auf der Herstellerseite angeboten werden. Ebenfalls unterstützt das Piano auch Sounds in SoundFont2-Format – auch diese Sounds können also in das VIVO S9 installiert werden. Der komplette Sound-Speicher ist damit genau doppelt so groß wie der 1,5 GB große Arbeitsspeicher. Über das Sound Library Menü muss daher eine Auswahl getroffen werden, welche Sounds beim Hochfahren des Pianos geladen werden: Bei voller Ladung passt eben nur die Hälfte des Flash-Speichers in den RAM. Glücklicherweise geht diese Auswahl recht einfach von der Hand und bietet außerdem den Vorteil, dass man selber entscheiden kann, welche Sounds man braucht, und welche nicht. Nebenbei bemerkt: Mit einer kleineren Auswahl an Sounds verkürzt sich übrigens auch die Ladezeit merklich.
Die Sounds der Sound-Library lassen sich alle austauschen.
Memory Set
Was wäre ein Stagepiano ohne die Möglichkeit, Sounds und Presets abzuspeichern? Im Dexibell VIVO S9 nennen sich diese User-Presets „Memories“ und werden in sogenannten Memory Sets abgelegt. Im internen Speicher des VIVO S9 finden insgesamt 81 User-Memories Platz, und der Speichervorgang ist dank der Write-Taste im Sound/Memory-Bereich schnell durchzuführen. Wem die 81 Speicherplätze zu wenig sind, der kann die Settings auch auf einem USB-Speichermedium abspeichern – hier ist die Anzahl der möglichen Speicherplätze dann unbegrenzt.
Masterkeyboard-Funktion
Das Sexibell VIVO S9 Stagepiano lässt sich auch als Masterkeyboard einsetzen und bietet vier Zonen zur Steuerung externer Quellen. In der Sound/Memory-Sektion können diese vier Zonen über die Taster A-D aktiviert werden. Hält man diese Tasten etwas länger gedrückt, dann erscheint ein Menü, mit welchem die ausgewählte Zone individuell konfiguriert werden kann, u. a. in puncto MIDI-Kanal, Oktavlage und diversen MIDI-Controllern und CC-Befehlen.
In der Masterkeyboard-Funktion lässt sich die Tastatur in vier Zonen aufteilen
“X Mure” App für weitere Möglichkeiten
Wer ein iPhone oder iPad besitzt, der kann sich die App „X Mure“ herunterladen und die Pianos der Dexibell Vivo-Reihe um eine Arranger-Funktion erweitern. Voraussetzung für den Betrieb mit einem iPhone oder iPad ist allerdings ein Apple iPad Camera Connection Kit zum Verbinden der Geräte. Die App X Mure besteht aus den drei Modi „Touch“, „Vivo“ und „Instrument“, in denen audiobasierte Begleitrhythmen abgespielt und in Echtzeit gesteuert werden können. Leider ist nur der Vivo-Modus kostenlos, die anderen Modi müssen kostenpflichtig freigeschaltet werden.
In der App lässt sich über den Splitmodus des VIVO S9 die Arranger-Funktion mit der linken Hand steuern. X Mure erkennt dann die gespielten Akkorde und reagiert entsprechend „live“ darauf, indem die Akkorde des Backing-Tracks angepasst werden. Die audio-basierten Rhythmen bieten wie bei einem Arrangerkeyboard vier verschiedenen Variationen und typische Fill-Ins. Für Vivo-Anwender sind alle Rhythmen frei nutzbar, andernfalls müssen sie teilweise kostenpflichtig freigeschaltet werden.
Die App ist eine Bereicherung für den Spieler und schon alleine der VIVO-Modus bringt einige interessante Features mit sich. Wer beispielsweise über die Realbook-App „iReal Pro“ verfügt, der kann die Akkordfolge eines ausgewählten Jazz-Titels von der iReal Pro App im XML-Format exportieren und in X Mure importieren. Jeder Begleitrhythmus aus der VIVO-App folgt dann dem Akkordschema des importierten Titels. So kann man auch ein Experiment wagen und sich beispielsweise überzeugen, ob ein Standard à la „How High The Moon“ auch im Pop-Gewand klingt!
2/3 Die App erweitert die Dexibell-Pianos um eine Begleitautomatik.
3/3 Auch ganze Songstrukturen können hier erstellt werden.
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Fazit
Das VIVO S9 ist ein gelungenes Stagepiano mit einem sehr eigenständigen Klang und einer konsequenten Architektur. Durch die vorbildliche Verarbeitung und die herausragenden Pianosounds hebt sich das Flagschiff der Stagepiano-Serie deutlich von der Konkurrenz ab. Was hier an Qualität geboten wird, das kann sich sehen und hören lassen. Auch die sehr druckvollen Orgelklänge und viele weitere Sounds hinterlassen einen guten Eindruck, wobei diese Klänge nicht ganz mit der gebotenen Qualität der hochwertigen akustischen Pianos mithalten können. Gemessen am geforderten Straßenpreis, sollte man diese durch zukünftige Sound-Updates auf das Niveau der Akustikpianos bringen. Wie alle Dexibell-Pianos, lässt sich auch das VIVO S9 komfortabel bedienen und bietet eine luxuriöse Ausstattung an Controllern, um in das klangliche Geschehen einzugreifen. Die motorisierten Fader, mit denen man nicht nur die Zugriegel, sondern auch Volumen und Effekte justieren kann, sind ein echtes Highlight. Das Dexibell Vivo S9 ist somit eine klare Empfehlung an diejenigen, die nach einem gut klingenden Stagepiano schauen, das obendrein noch eine Menge an interessanten Features bietet.
PRO
Sehr gute Pianoklänge
Sehr gute Tastatur
Austauschbare Sounds
T2L-Editor
Viele Controller
Motorfader
Leichte Handhabung
Masterkeyboard-Funktion
CONTRA
Lange Boot-Zeit
Externes Netzteil
Preis
Betrieb der X Mure-App nur mit separatem Adapter möglich
Das VIVO S9 ist ein gelungenes Stagepiano mit eigenständigem Klang, konsequenter Architektur und extravaganten Ausstattungsmerkmalen.
FEATURES
88 Tasten
Hammermechanik TP-400 W mit Holzkern, Dreifachkontakt, Aftertouch und Ivory-Feel-Beschichtung
Ivory Feel-Oberfläche
3 Sensoren pro Taste
85 Sounds
Registrierungs-Speicherplätze 81
unbegrenzte Speicherplätze auf USB-Speichermedium
4 Pedalanschlüsse
7 Drehregler
Bluetooth Audio Streaming
kostenlose App
1x Ausgang L/R unsymmetrisch (Klinke)
1x Ausgang L/R symmetrisch (XLR)
Stereo Audio In (Miniklinke)
USB to Host
USB to Device
MIDI In/Out/Thru
Abmessungen (B x T x H): 1270 x 354 x 130 mm
Gewicht: 20 kg
PREIS
Dexibell Vivo S9: Ca. 3289 € (Straßenpreis, Stand: 21.08.2018)
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