Der richtige Song für Casting, Audition oder Aufnahmeprüfung

Jede Sängerin und jeder Sänger kommt einmal in die Situation, vorsingen zu wollen – oder zu müssen. Sei es für eine Castingshow, für den Backingjob auf Tour, für eine Rolle in einem Musical oder die Aufnahmeprüfung an einer Hochschule. Dabei entscheidet die Wahl der richtigen Songs nicht unmaßgeblich über den Erfolg. Die eigene Stimme ins beste Licht zu rücken, ist gar nicht so schwer, wenn ihr die folgenden Punkte beachtet.

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(Bild: © Shutterstock, Annette Shaff)

1. Leichtere Songs sind nicht gleich schlechtere Songs

Je schwieriger der Song, desto besser? Nein! Und nochmals Nein! Ein Song darf nur so schwierig für euch sein, dass er beim Vorsingen die Leichtigkeit von “Alle meine Entchen” behält. Dabei müsst ihr noch gut Luft nach oben lassen, um trotz aufkommenden Lampenfiebers glänzen zu können.
“Hero” von Christina Aguilera ist gesanglich der Hammer und wirkt dennoch federleicht. Bedenkt aber: Diese Mühelosigkeit ist das Ergebnis von langem Üben und heißt nicht, dass der Song wirklich so einfach ist, wie er scheint! Beim Vorsingen habt ihr mit solch einem Lied nur eine Chance, wenn ihr ihn mindestens (!) so gut singt wie sie. Schafft ihr das? Wirklich? Auch wenn jede kleinste Nuance ihres Gesangs bekannt ist? Ihr habt null Spielraum. Es gibt nur Hop oder Top. Wollt ihr euch dieser Fallhöhe wirklich stellen? Und selbst wenn, solltet ihr euch überlegen, ob ihr mit solch einem Lied noch die Möglichkeit habt, etwas Eigenes hineinlegen zu können.
Tipp: Schraubt die Herausforderung herunter und das Interpretationslevel hoch. Singt souverän. Sucht Songs, deren Range (Tonumfang), Tempo, Groove, Stilistik und Aussage zu eurer Stimme passen, damit ihr auf ganzer Breite überzeugen könnt.

2. Nicht immer die bekanntesten Songs nehmen

Ich habe schon einige Male in Jurys gesessen und folgendes festgestellt: Wird derselbe, wahrscheinlich gerade mega angesagte Song zum fünften Mal gesungen, gleitet der Aufmerksamkeitsmodus der Jurymitglieder in ein Stadium der abwesenden Langeweile. Niemand hört mehr richtig zu. Wenn doch, liegt die Messlatte verdammt hoch, da jede kleinste Wendung des Gesangs bekannt ist (Siehe Punkt 1).
Tipp: Sucht nach Songs, die im kollektiven Gedächtnis nicht so im Fokus stehen. Es gibt wunderschöne Perlen, die jedes Juryherz (und hoffentlich auch euer eigenes) zum Schwingen bringen. Songs, die überraschen können und euch gut präsentieren. Ein sehr glückliches Händchen hatte Lena Meyer-Landrut 2010, als sie, noch völlig unbekannt, in der Castingshow “Unser Star für Oslo” von Stefan Raab auftrat und im Viertelfinale unter anderem “Diamond Dave” von “The Bird and the Bee” vorsang. Lena kam weiter und der Song erlebte einen ziemlichen Popularitätsschub.

3. Eigene Stärken analysieren und betonen – eigene Schwächen kaschieren

Bevor ihr an die konkrete Songauswahl geht, macht euch Gedanken über die Stärken und Schwächen eures Gesangs. Fragt ruhig andere, was ihnen an eurem Gesang gefällt. Seid ehrlich zu euch mit den Dingen, die ihr nicht so gut könnt. Macht eine Liste. Dann überprüft ihr die Songs, die für euch in die engere Auswahl kommen, an diesen Punkten. Featuren die Songs eure Stärken? Kaschieren sie eure Schwächen? Das ist der ganze Trick. Viele bekannte Sängerinnen und Sänger sind in ihren gesanglichen Möglichkeiten limitiert. Dies fällt nur überhaupt nicht ins Gewicht, da sie genau diese Regel bei der Auswahl der Songs oder im eigenen Songwriting befolgen. Nutzt dieses Wissen für ein Vorsingen.
Tipp: Wenn ihr keinen Gesangsunterricht habt, nehmt mal eine einzelne Stunde und holt euch das Feedback eines Profis. Die Investition lohnt immer!

4. Seid mutig: Vertauschte Rollen schaffen interessante Interpretationen

Wer sagt eigentlich, dass Frauen immer nur Frauensongs und Männer immer nur Männersongs vorsingen dürfen? “Gendercrossing” kann ziemlich interessant sein. Überraschend (im positiven Sinn) auf alle Fälle. Und noch einmal Lena Meyer-Landrut: Bei Stefan Raab sang sie auch noch “New Shoes” von Paolo Nutini, “Mr. Curiosity” von Jason Mraz und “The Lovecats” von The Cure.
Tipp: Singt auch mal die abwegigsten Songs des anderen Geschlechts, um die Extreme auszulosten. Nehmt euch auf und schaut wie sie mit eurem Gesang und eurer Art wirken.

5. Der Song muss zum Casting-Anlass passen

Sucht eine Coverband eine neue Sängerin oder einen neuen Sänger? Dann wäre ein eigener Song zum Vorsingen ziemlich unpassend. Fragt nach dem Repertoire der Band. Bedenkt: Handwerk und stilistische Gesangsbreite zählen in dieser Situation mehr, als eure eigene Art zu singen. Hier steht Handwerk vor Interpretation.
Bei einer Musicalproduktion verhält es sich ähnlich. Findet heraus, welche gesanglichen Anforderungen an die Rolle, die es zu besetzen gilt, gestellt werden. Wenn ihr selbst auswählen dürft, wählt Songs, die genau das benötigte stimmliche Können zeigen.
Wenn ihr an einer Castingshow teilnehmen wollt, fragt euch bei der Songauswahl auch, wie ihr von der Jury und den Zuschauern wahrgenommen werden wollt. Wählt die Schublade, denn danach funktionieren Castingshows leider, in die ihr gesteckt werden möchtet mit Bedacht. Im Erfolgsfall könnte sie euch länger als euch lieb ist anhaften. Singt keine Singer/Songwriter-Songs vor, nur weil das gerade angesagt ist, wenn ihr eigentlich auf energetische Up-Tempo-Nummern steht. Verstellt euch nicht!

6. Das Eigene im Cover suchen

Überlegt euch, wie viel Eigenes ihr in eurem Coversong haben möchtet. Wollt ihr wie alle singen? Oder wäre es nicht interessant, etwas Eigenes in die Interpretation des Songs zu legen?
Tipp: Hört anderen Sängern zu und fragt euch, was ihre Eigenheit ausmacht. Versucht einen eigenen Stil zu entwickeln und ihn, je nach Anlass des Vorsingens (siehe Punkt 5), mit in den Song zu nehmen.

7. Die Botschaft des Songs im Gesang transportieren können

Ganz wichtig ist, dass die Emotionen des Songs zu euch passen. Könnt ihr den Song wirklich “fühlen”? Könnt ihr euch mit seiner Aussage verbinden? Nichts ist schlimmer, als nur so zu tun, als ob. Dieser Fake fällt beim Vorsingen immer auf. Und das sehr negativ!
Tipp: Wenn der Text in einer anderen Sprache ist, übersetzt ihn euch auf Deutsch. Schreibt ihn auf und lest ihn aufmerksam durch. Steht ihr noch hinter der Aussage jedes einzelnen Satzes? Könnt ihr die Botschaft tragen? In einer anderen Sprache ist es einfacher als in der eigenen, nicht passende Dinge auszublenden und zu singen. Trotzdem schwächt dies die Kraft eures Ausdrucks.

8. Macht eure Hausaufgaben

Checkt die Tonartund findet die, die eure Stimme am besten klingen lässt.
Checkt die Begleitung. Wollt ihr a capella, also solo, vorsingen? Werdet ihr begleitet? Dann habt die Noten oder das Leadsheet in der passenden Tonart bereit. Wollt ihr euch selbst begleiten? Dann übt den instrumentalen Part, bis ihr ihn rückwärts könnt.
Singt ihr mit Playback vor? Dann habt das Playback in der richtigen Tonart dabei.
Lernt die Songs so früh wie möglich auswendig! Wenn ihr in einer anderen Sprache als eurer Muttersprache singt, lasst eure Aussprache von einem Muttersprachler checken und verbessern.
Tipp: Bereitet immer einen Song zu viel vor! Nichts wäre peinlicher, als auf ein spontanes “Hast du noch ein Lied?” mit “Nein” antworten zu müssen. Ein souveränes “Na klar” schafft Bonuspunkte.

9. Testet eure Songs schon vor dem Vorsingen vor Publikum

Das erste Mal sollte das Vorsingen auf keinen Fall sein, um eure vorbereiteten Songs einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Singt euren Freunden vor, eurer Familie, testet die Songs auf einer Party. Möglichkeiten gibt es genug. Holt euch Feedback. Seid aufmerksam, welche Songs am besten bei eurem Publikum ankommen. Auch die Jurymitglieder reagieren wie normale Menschen. Wählt die Songs aus, die eurem Publikum am besten gefallen, und nicht die, die ihr am besten findet!
Und last but not least: Denkt auch an euer Outfit. Präsentiert euch auch optisch, und natürlich zum Anlass passend, im besten Licht. Überlegt euch eine zum Song passende Performance.
Dann seid ihr rundum gut vorbereitet und ich kann euch nur noch ein dreimaliges, über die Schulter gespucktes, “toi, toi, toi” mit auf den Weg geben. Und ihr antwortet mir nach dem Vorsingen: “Veni, vidi, vici” – Ich kam, sah und siegte.
Eure Catharina

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