DBX 520 De-Esser Test

Eines der vielen neuen DBX-Module für APIs Modularsystem Series 500, der DBX 520, ist ein De-Esser. De-Esser zählen zu den ältesten Studio-Helferlein jenseits von EQs und normalen Kompressoren. Dennoch werden sie traditionell heiß disuktiert – sind sie ein Übel oder ein Segen? DBX hat diese Frage schon vor Jahrzehnten beantwortet, und verleiht seiner Position mit dem 500-Modul Nachdruck.

DBX_520_01

Es gibt im Prinzip zwei Fraktionen: Die Puristen schwören auf manuelles De-Essing via Spurautomation und betonen, dass es zu diesem Problem gar nicht erst kommen muss, wenn man denn die Vocals nur „richtig“ aufnimmt. Die Pragmatiker auf der anderen Seite nutzen gerne einen De-Esser zur Behandlung übermäßiger Zischlaute bei Vocals, solange er denn gut klingt. Sie genießen die Bequemlichkeit und den Geschwindigkeitsvorteil und haben möglicherweise gar nicht die Chance, bessere Vocals aufzunehmen, da sie lediglich als Mischer gebucht sind und das Kind mit der zischeligen Aufnahme bereits in den Brunnen gefallen ist.
Dabei sind Zischel-Vocals weit verbreitet und generell schwer in den Griff zu bekommen. Gründe für dieses Problem gibt es viele. Zahlreiche Kondensatormikros betonen etwaige Probleme mit ihrem Höhenboost oder rufen sie dadurch erst hervor. In nicht gut klingenden Aufnahmeräumen wird mit sehr kleinem Mikrofonabstand gearbeitet, um die Raumanteile auszublenden. Solche Vocals zischeln oft durch den Luftstrom nahe der Membran, und zudem dröhnen sie auch durch den Nahbesprechungseffekt – das Schlimmste beider Welten. Nicht gerade hilfreich ist auch die heftige Kompression, die heute gerne angewendet wird. Ist die Attackzeit zu lang, rauschen die Konsonanten am Wortanfang durch, das Problem wird dadurch abermals größer. Mit dem 902 hatte DBX schon vor vielen Jahren einen De-Esser für seinen 900-Modulstandard im Programm, der sich allseits großer Beliebheit erfreute, mithin möglicherweise gar als am meisten geschätzes DBX-Modul galt. Diese Schaltung erlebt nun im aktuellen 520-Modul für den API-Standard eine Wiederauferstehung

Details

Frequenzselektiver Kompressor/Limiter

Es gibt verschiedene Wirkprinzipien für De-Esser, und das DBX-Modul folgt dem wohl am meisten verbreiteten: Es arbeitet als frequenzselektiver Kompressor/Limiter, welcher ausschließlich auf die Signalanteile reagiert, die das Sibilanzproblem hervorrufen. Im Prinzip kann man solch einen Prozessor mit einem Kompressor der Wahl und einem parametrischen EQ im Sidechain selbst „herstellen“, aber ein Prozessor, das in allen seinen Parametern auf diesen Einsatzweck hingetunt wurde, hat auch ein paar Vorteile – zumal der 520 ein paar Features anbietet, die sich mit einem modular selbstgebastelten De-Esser so nicht so ohne weiteres realisieren lassen.

Fotostrecke: 3 Bilder Anpassung: Im HF-Modus werden nur die hohen Signalanteile komprimiert.

VCA-Kompressor bildet den Kern

Kern der 520-Schaltung ist ein Dynamikwerkzeug, das auf DBX’ eigenem VCA-Baustein V72B basiert, also konstruktiv große Parallelen zu den „gewöhnlichen“ Kompressoren aus gleichem Hause aufweist. Es wird angetrieben von einem Sidechainfilter mit 12 dB Flankensteilheit, dessen Eckfrequenz mit einem Poti stufenlos justiert werden kann, und zwar im für De-Esser recht weiten Bereich von 800 Hz bis 8 kHz. Die Intensität der Bearbeitung wird dann mittels Range-Poti eingestellt, welches einen Kompressionshub im Problembereich von bis zu 20 dB anbietet. Das ist eine Menge und tatsächlich für die meisten Aufgaben viel zu viel. Da ist es gerade recht, dass der für Vocals typische „Normalbereich“ von etwa 6 dB Pegelreduktion am Poti entsprechend gekennzeichnet ist. Eine LED-Kette mit 10 Segmenten zeigt die Pegelreduktion an, im Bereich geringer Kompression ist sie feiner aufgelöst. Dazu bietet das Modul noch einen Hardwire-Bypass sowie eine Status-LED. Das Ergebnis lässt sich mittels des Mode-Schalters noch verfeinern. Im normalen Betriebstzustand arbeitet das Gerät als Breitband-/Fullrange-Kompressor mit entsprechendem Sidechain-Filter, im HF-Modus lässt sich die Kompression ebenfalls auf die hohen Frequenzen beschränken. Damit verfügt der 520 über einen sinnvoll bemessenen Funktionsumfang. DBX bezeichnet seinen Prozessor nicht ganz zu Unrecht als Industriestandard, und das Feature-Set trägt dem Rechnung. Wenn das Konzept denn klanglich aufgeht, braucht ein De-Esser nicht mehr Funktionen.

Fotostrecke: 4 Bilder Geschlossene Kassette: Das erstaunlich leichte Modul kommt im Hammerschlag-Design.

Keine konstruktiven Schmankerl

Die Hardware der geschlossenen 500-Kassette entspricht allen Gepflogenheiten und Standards. Die (weitgehende) SMD-Fertigung ist sauber und ordentlich, das erstaunlich leichte Modul macht einen robusten, zuverlässigen Eindruck. Besondere haptische und konstruktive Schmankerl sind bei dem Kaufpreis nicht drin, aber das hat auch Vorteile: Hier bezahlt man ganz klar die klanglichen Qualitäten, mechanisch angemessen aufbereitet, und nichts sonst.

Praxis

Mächtiges Werkzeug

Es wird schnell klar, dass der DBX 520 ein ziemlich mächtiges Werkzeug ist, mit dem man auch eine Menge kaputtmachen kann. Andere 500-De-Esser, etwa von Pendulum Audio, bieten nur den halben Kompressionshub an. Dies ist aber keineswegs als Nachteil des DBX zu werten. Er ist kräftig motorisiert, aber mit der Kennzeichnung des „Normbereichs“ am Regelweg des Range-Potis wird diese Power übersichtlich und unmissverständlich gezähmt. In der Tat löst sich dies auch in der Praxis in so gut wie allen Anwendungssituationen ein: Tatsächlich wird man den De-Esser meist in diesem Regelbereich einsetzen, hier gibt der Hersteller dem Anwender also eine sinvolle Hilfestellung mit auf den Weg. Fährt man den Prozessor zu weit aus, dann ist das typische Lispeln die Folge, hier aufgrund der hohen Pegelreduktion in einer Heftigkeit, die jede Gesangsaufnahme nachhaltig ruinieren kann. Aber, noch einmal: Es liegt beim Anwender, wie stark er eingreift, und um den Normbereich herum arbeitet der De-Esser tatsächlich weitgehend artefaktfrei. Trotz seiner mit zwei Filterpolen eher weichen Abstimmung bekommt man mit dem Sidechainfilter die Probleme gut zu packen. Und der HF-Modus erlaubt eine zusätzliche Verfeinerung der Ergebnisse, wobei der Unterschied je nach Einsatzzweck etwas unauffällig ausfallen kann. Tatsächlich ist man bei den meisten Vocals mit dem normalen Fullrange-Modus bestens bedient.

Der DBX kann enorm zupacken, aber das ist meist nicht nötig.
Der DBX kann enorm zupacken, aber das ist meist nicht nötig.
Audio Samples
0:00
Vocals Original Vocals, 6 kHz Vocals, 6 kHz, HF only Vocals, 6 kHz, volle Pegelreduktion

Threshold überflüssig

Gesangssignale verlieren bei richtiger Anwendung nur wenig Glanz und Frische, oftmals ein Problem bei De-Essern. Dies mag auch an der internen Logik liegen, die einen Threshold-Parameter überflüssig macht. Denn die Schaltung ermittelt selbständig das Verhältnis von sibilanten und tonalen Klanganteilen und greift dann entsprechend proportional dazu ein. In der Folge bleiben die unproblematischen Klanganteile angenehm unangetastet, während das Problem kraftvoll bearbeitet wird. In der Folge ist der 520 ein ungemein effektiver Problemlöser, der viele Befürchtungen der „Anti-De-Esser-Fraktion“ ins Leere laufen lässt. Er eignet sich insbesondere auch für eine Arbeitsweise, bei der man die Höhen einer Vocal-Aufnahme dynamisch frequenzselektiv glättet, um dann mit einem Sweetening-EQ statisch wieder eine Menge hauchiges Top-End dazuzugeben – oftmals das Geheimnis eines luftigen, offenen, nicht-agressiven Vocalsounds.

Audio Samples
0:00
Drums Original Drums, 2,5 kHz Drums, 2,5 kHz, HF only

Nicht nur Vocals

Weniger bekannt ist, dass ein De-Esser nicht nur auf Vocals interessante, gute und wichtige Resultate liefern kann. Man kann einen solchen Prozessor auch einsetzen um etwa „giftige“ Cymbals auf Drum-Overheads oder heftig komprimierten Room-Mics im Zaum zu halten. Für solche Einsätze macht der hohe Maximalhub des 520 ebenso Sinn wie der HF-Modus, bei dem dann etwa nur das Cymbal-Zischeln abgeregelt wird, nicht aber die tieferen Klanganteile des Drumsets.  

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Fazit

Die Frage, ob es anno 2016 denn wirklich ein Hardware-De-Esser sein muss beantwortet der DBX 520 ganz eindeutig mit „Ja!“,.Dies tut er allein schon deswegen, weil er einen effektiv arbeitender und gut einstellbarer Prozessor mit guten Klangresultaten darstellt. Dass er dazu auch zum Plug-in-Preis daherkommt, ist für diese Einschätzung sicherlich kein Nachteil. Zudem gibt es auch heute Anwendungssituationen, in denen ein Hardware-De-Esser explizit erforderlich ist, etwa, wenn man innerhalb einer Hardware-Outboardkette aus EQs und Kompressoren ein Sibilanz-Problem bei einem Signal lösen möchte. Mein Fazit fällt also ganz klar aus: Alles richtig gemacht, für mich ist der 520 bislang ganz klar das Highlight von DBX’ 500-Modulpalette!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • übersichtlicher Funktionsumfang
  • weite, flexible Parameterbereiche
  • sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
Artikelbild
DBX 520 De-Esser Test
Für 185,00€ bei
DBX_520_03

Features

  • VCA-De-Esser
  • Preis: € 199,– (UVP)
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