Die Softwareschmiede D16 ist wirklich schon ewig am Start und hat die virtuelle Techno-Gemeinde gut mit Plugin-Klonen ihrer Lieblings-Roland-Kisten beliefert: 909, 808 und 303 – to name a few – oder wie es in Polen heißt: Drumazon, Nepheton und Phoscyon. Großartige Updates gab es hierzu lange nicht. Wozu auch?
Mit der neuen Apple-M1-Generation nutzen die Entwickler die Gunst der Stunde, werfen den alten Code über Board, überarbeiten das Plugin komplett und bitten auch erneut zur Kasse. Das schmeckt nicht jedem Upgrade-Knauser. Und alte Presets kann man so auch nicht mitnehmen – nach einem so langen Produktlebenszyklus hält sich zumindest meine Trauer in Grenzen.
Phoscyon 2 ist damit das erste M1-native Plugin von D16. Es liefert „noch mehr Authentizität“, ein besseres GUI sowie endlich einen vernünftigen Sequenzer und auch reichlich mehr Effekte. Die beste Roland TB-303 als Plugin? Wir finden es heraus!
Details
Copy of the Copies
Phoscyon 2 von D16 Group ist eine Plugin-Emulation der monophonen Roland TB-303, der ACID-Techno-Maschine schlechthin. Ein ehemaliger Begleitautomatik-Flop, ein verramschter Billo-Synth, der im Untergrund zur brandaktuellen Stil-Ikone mutiert ist – mittlerweile haben ihn vor allem Synths-Snobs als teures Sammelgut für sich entdeckt.
Ein Desktop-Synth, der so zahlreich kopiert wurde, dass ich mir die Auflistung aller Derivate spare. Wichtig zu wissen nur: Bereits zu Anbeginn der Karriere hat man das Old-School-Konzept hier und da mit DIY-Modifikationen verbessert.
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New Kid on the Transistor-Block
Mittlerweile bietet Roland selbst den „Transistor-Bass“ wieder an, optisch authentisch – allerdings mit digitaler Klangerzeugung wie im Prinzip auch das Roland-Cloud-Plugin. So überrascht es nicht, dass die von Freaks besonders begehrte „Devil-Fish“ mittlerweile als günstige Behringer-Kopie über die Theke geht. Eine Marktliberalisierung, die nicht jedem schmeckt.
Klanglich, zumindest für mich, alles halbwegs die gleich Soße – und Puristen kann es ohnehin nie original genug inklusive Rauschen sein, insofern – Wayne. Phoscyon 2 tritt trotzdem an, um das ultimative Plugin zu werden. Und die Chancen stehen gut, zumal der Vorgänger schon echt nicht schlecht war!
Sexy and I GUI it
Zunächst bringt der neuste D16 Soft-Synth ein wirklich schickes, klar strukturiertes und auch zoombares GUI mit. Kein Vergleich zu den anderen, durchaus strubbelig ausschauenden Plugins der Polen – bitte genauso weitermachen!
Das D16 Group Phoscyon 2 Plugin erinnert an das Original, wurde für die Bedienung aber am Bildschirm optimiert, lässt sich also sowohl mit der Maus als auch mit einem MIDI-Controller gut bedienen. Darüber hinaus hat D16 deutlich mehr Effekte integriert und serviert sie gut spielbereit – furztrocken bockt 303-Gezwitscher ohnehin nur selten.
FX-Legacy on Board
Und mit Effekten kennen sich die Polen bekanntlich aus: Synthorus (Chorus), Sigmund und Tekturon (Delay), Frontier (Limiter). Besonders mit Distortion haben sie es aber: Redoptor, Decimator, Devastor und Antresol, wer kennt sie nicht! Auseinander halten, geschweige denn merken, konnte ich mir die Namen nie – insofern bin ich froh, dass die hier verwendeten Effekte eindeutig und mit zielführenden Parameter versehen sind.
Modded Out Phoscyon 2
Hinzu kommen typische „Mods“ bzw. Parameter, die mit den Hüllkurven mehr Spielmöglichkeiten zu bieten haben, als beim Original vorgesehen war – ohne dabei das simple Mono-Bass-Synth-Konzept zu verkomplizieren. Ein schmaler Grat.
In oberster Reihe, v.l.n.r, findet man: die obligatorische SAW/Square-Umschaltung für den Oszillator, das Tuning, ein Filter-Cuttoff und die dazugehörige Ressonaz. Die typische Envelope-Modulation sowie Decay und Accent kommen wie gehabt hinzu.
Ergänzt werden die Classics weiter rechts von: Slide-Time, Sweep-Amount, Envelope-Attack, Accent-Decay sowie Accent-Volume. Ungewöhnlich, aber gern gesehen: Vibrato-Speed und Depth, was man im Step-Sequenzer neben dem bekannten Slide und Accent mit eigenem Step-Befehl triggern kann.
Moderner Sequenzer
Hinzu kommt – und das find ich besonders wichtig – ein wirklich intuitiver Sequenzer, der sich durchaus an die konzeptionellen und damit klangtypischen Möglichkeiten des Originals hält, aber eben viel intuitiver zu programmieren ist – ohne auf pragmatische Erweiterungen zu verzichten.
Auch hier scheiden sich die Geister: Manch einer findet den alten 303-Sequenzer gerade wegen seiner sperrigen Bedienung inspirierend – ich gehöre nicht dazu. Puristen wird es freuen, alternativ die bei mir Gehirnkrebs verursachende Key-Ansicht wählen zu können. Insofern begrüße ich nochmals den klugen D16 Ansatz, der den typischen Klang authentisch reproduziert und das Plugin selbst für die kreative Performance am Computer prädestiniert.
Back in the Days
Wir entsinnen uns: Die umständliche Programmierung sah dedizierte Octave-Switches vor, die vom geneigten Musiker in Verbindung mit den Slides zweckentfremdet wurden. Hier sind diese Befehle mit nur einem Mausklick erreichbar. Ferner kann man Sequenzen bis zu 64-Steps lang machen, was unübersichtlich werden kann – doch bekanntlich ist haben besser als brauchen.
Mehr Spaß bringt es, kurze Sequenzen zu programmieren und diese flink über die 4×12-Quick-Speicherplätze aufzurufen – auch mit MIDI-Note-Befehlen. Alternativ wählt man einen Arpeggiator und die konventionelle Notenzuführung. Dass es Tempo-Sync und Rates gibt, ist selbstverständlich – genau wie Note Shift (nach vorn oder hinten) und zahlreiche Transpose-Möglichkeiten. Ebenfalls geil: einstellbare Step-Length, Shuffle und Random – allerdings nicht automatisierbar.
D16 Group Phoscyon 2: One More Thing
Lässig ist das Konzept der eigenständigen Einstellungen für jede Sektion allemal. Sprich, man kann sowohl die Presets für den Sound als auch die Presets für Pattern (die Noten im internen Sequenzer) voneinander getrennt aufrufen. Darüber hinaus lassen sie sich beide auch gemeinsam mit den globalen Scene-Patterns umschalten.
Hinzu kommen Presets für die individuellen Effektblöcke aka Distortion, Reverb, Delay, Chorus, EQ und Limiter. Herz, was willst du mehr! Noch mehr Effekte? Logo, dann einfach EDIT drücken, wodurch mehr Effektparameter zum Vorschein kommen. Selbst an Nerd-Optionen für feingeistigere Grundklangeinstellungen mangelt es nicht. Sie befinden sich gut versteckt, oben rechts, unter eine Klappe.
Klanglich kann man die neuen Möglichkeiten sogar CPU-mäßig überreizen, da man Phoscyon 2 in unterschiedlichen und tatsächlich auch hörbare Qualitätsstufen nutzen kann: Draft, Normal, High und Ultra – für Real-Time und Offline-Nutzung getrennt wählbar.
Bitronaut sagt:
#1 - 19.09.2022 um 09:18 Uhr
"Ohne Drive kein echter 303-Sound! Oh mein Gott, was für ein Käse! Sowas kann doch nur jemand sagen, der vom Acid der ersten Stunde keine Ahnung hat. Mit dem Distortion hat man die 303 endgültig für den pubertierenden Techno-Hüpf-Mainstream ruiniert.
Felix Klostermann sagt:
#1.1 - 21.09.2022 um 15:58 Uhr
Grüß dich Bitronaut, da ist wohl der jugendliche Leichtsinn mit mir durchgegangen. Für ehrlich-alten ACID kannst du den Drive deaktivieren – Pattern zur Gitarren-Begleitung fehlen aber tatsächlich. :-) Beste Grüße, Felix
Antwort auf #1 von Bitronaut
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenalexander sagt:
#1.2 - 28.02.2024 um 12:06 Uhr
schade, dass du so käsig denkst. ;-) musik ist freiheit. klänge sind freiheit. das hat nix mit techno-hüpf zu tun. es wurde etwas neues erschaffen. das nennt sich evolution. weiterentwicklung gegen stillstand. bässe gab es schon immer und überall und "acid" eben nicht. ich liebe diesen acid sound. es gibt ihn in der gesamten elektronischen musik, welche in ihrer gesamten bandbreite bis hin zur höchsten kunst entwickelt wurde.
Antwort auf #1 von Bitronaut
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