Black Lion Audio Seventeen Test

Der BLA Seventeen ist ein FET-Kompressor. Wenn Hersteller ein Gerät als FET-Style-Kompressor bezeichnen, handelt es sich normalerweise um eine mehr oder weniger originalgetreue Nachbildung des 1176 Limiting Amplifiers (vorzugsweise dessen Revision E) von Urei.

So ist das prinzipiell auch beim Black Lion Audio Seventeen, nur dass hier das Pendel deutlich weniger auf Originaltreue zeigt.
Black Lion Audio aus Chicago schreiben sich seit 2006 auf die Fahne, dass sie die klangliche Qualität von vielerlei Studioequipment verbessern können und bieten dementsprechende Modifikationen von Hardware anderer Hersteller an. Einem ähnlichen Gedanken folgend weicht der Seventeen teilweise erheblich von seinem Vorbild ab. Und so nimmt man recht gelassen für sich in Anspruch, einen besseren Kompressor als den originalen 1176 anzubieten und das zu einem Bruchteil des Preises. Ob das der Fall ist, und ob eine Verbesserung überhaupt nötig ist, das bleibt natürlich eine Frage des Geschmacks.

Details

Ein Limiting Amplifier, der zur Hälfte so aussieht wie ein 1176…

Schon die Frontplatte verrät einiges über die Ambitionen des Herstellers. So ist die linke Sektion ganz im Stile eines Vintage-1176 gehalten, die Potis sind nur etwas größer und stehen dichter zusammen. Es finden sich hier wie beim Klassiker Gainregler für Input und Output und rechts daneben übereinander angeordnete Potis zur Steuerung des Zeitverhaltens. Gewohnt ungewohnt wird nicht nur die Abklingzeit, sondern auch die Ansprechzeit mit Drehung des entsprechenden Potis nach rechts kürzer. So weit kennen wir das von früher. Neu hinzu kommen ein Sidechain-Filter und ein Mixregler. Alle Bedienelemente machen einen soliden und hochwertigen Eindruck und sind sanft gerastert, sodass sie sich sowohl in Stufen als auch stufenlos denken lassen.

Die Front sieht auf der linken Seite so aus wie beim 1176.
Die Front sieht auf der linken Seite so aus wie beim 1176.

…und zur anderen Hälfte nicht

Die rechte Seite des Kompressors scheint dagegen mit der Absicht entworfen, eine gehörige Distanz zum Vorbild zu wahren. Da sind zwar Knöpfe für die Ratio, aber nicht in Vintage-Optik, sondern als moderne Taster mit integrierten LEDs. Rechts des VU-Meters liegen anders als beim 1176 Taster zur Aktivierung des Kompressors sowie, ebenfalls neu, eines High-Pass- und eines Low-Pass-Filters. Die Anzeige wiederum sieht zwar nicht modern aus, weicht aber plakativ vom Urei-Design ab. Offenbar möchte man hier eine optische Reminiszenz an eine andere Legende etablieren. Ob das angemessen oder ästhetisch sinnvoll ist – Ansichtssache. Der Anspruch, im Unterschied zum Klark Teknik 1176-KT oder dem Warm Audio WA76 die Vorlage zu übertreffen, fällt also förmlich ins Auge.

Fotostrecke: 4 Bilder Auf der Frontplatte stößt das Design des FET-Klassikers auf Elemente anderer Epochen.

FET-Style-Limiting neu gedacht

Dass es sich um ein ganz anderes Design handelt, verrät ein Blick unter die Haube, wo etwa doppelt so viele Bauteile versammelt sind wie im Inneren eines Blackface Revision E – und auch gänzlich andere, zum Beispiel moderne ICs und ein Haufen Relais. Ein Blick auf die Website von Black Lion Audio verrät den Grund. Die Relais dienen demnach der Verbesserung des Rauschabstandes und die integrierten Schaltkreise sollen für einen klareren Sound sorgen. Wir haben es also mit einen recht eigenständigen VCA-Kompressor auf Transistorbasis zu tun, der zwar ganz ähnliche Regelmöglichkeiten bietet wie ein 1176 und dessen Derivate, diese allerdings üppig erweitert und außerdem mit einer ganz anderen Schaltung arbeitet. Lediglich auf der Rückseite ist der Seventeen nicht von einem gewöhnlichen 1176-Klon zu unterscheiden: Dort finden sich wie üblich Stromanschluss, XLR-Buchsen für Eingang und Ausgang sowie ein Cinch-Anschluss zur Verbindung zweier Einheiten.

Fotostrecke: 5 Bilder Im Gehäuse ist vergleichsweise viel los.

Praxis

Klingt der Seventeen wie ein Vintage-1176?

Ob der Klang des Black Lion Audio Seventeen einem 1176 ähnelt, ist eine Frage, der man schwer ausweichen kann, auch wenn der Hersteller ausdrücklich und zu Recht darauf verweist, dass es sich um eine ganz eigenständige Schöpfung handelt. Kaufinteressenten werden es trotzdem wissen wollen. Aber halt, wie klingt eigentlich ein 1176?
Ein echter 1176 kann ja, je nach Revision, Zustand und Alter recht unterschiedlich sein. Wenn wir uns der Einfachheit halber auf das Blackface-Modell Revision E beschränken, das auch für das Universal Audio Reissue und die meisten Klone Pate stand, lässt es sich ein bisschen eingrenzen. Ich würde erwarten, dass so ein Gerät in der Lage ist, auch bei starker Kompression den tonalen Kern eines Musikinstruments zu wahren. Bei Drums soll er sowohl für eine stärkere Wahrnehmung des Raumanteils als auch für Stabilität sorgen, bei extremen Settings im besten Sinne „fett“ und druckvoll klingen. Gesang, durch einen 1176 geschickt, kann sowohl eine stärkere emotionale Präsenz erhalten als auch deutlicher gezeichnete Konsonanten. Allgemein würde ich sagen, dass ein typischer 1176 nicht die räumliche Dimension nach hinten erweitert, sondern Raumanteile vielmehr konsequent nach vorne schiebt und damit verdichtet, wobei mittlere Frequenzen eine Fokussierung erfahren. Um es kurz zu sagen: Das macht der Seventeen nicht.

In der Gesellschaft seiner älteren Brüder fühlt er sich sichtlich wohl, auch wenn er etwas aus der Art schlägt.
In der Gesellschaft seiner älteren Brüder fühlt er sich sichtlich wohl, auch wenn er etwas aus der Art schlägt.

Der Klangcharakter ist modern und sachlich

Da die Einstellmöglichkeiten so klar am Urei-Klassiker orientiert sind, lässt sich der Black Lion Audio Seventeen natürlich sehr komfortabel mit diesem vergleichen. Am Beispiel einer Schlagzeug-Mono-Subgruppe im Mix wird allerdings deutlich, dass Transienten einen gänzlich anderen, klaren und knackigen Charakter bekommen, eher so wie das bei einem DBX-Kompressor der Fall ist. Daraus ergibt sich eine Betonung des Attacks und eine Verschlankung des Nachklangs, die wir vom 1176 so nicht kennen. So ein richtig fettes Squashing, das wie eine Verzerrung anmutet und den Raum nach vorne bringt, will deshalb nicht recht gelingen. Auch der All-Buttons-In-Modus tut zwar oberflächlich das, was er tun soll, lässt aber gerade die typische Fettheit vermissen.

Audio Samples
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Drumloop original Drumloop 4zu1 atk3 rel5 Drumloop 8zu1 atk3 rel5 Drumloop 12zu1 atk3 rel5 Drumloop 20zu1 atk3 rel5 Drumloop all in atk3 rel5 Drumloop all in atk7 rel7

Statt fett zu verdichten, verschlankt der BLA Seventeen den Sound elegant

Der Charakter im Bassbereich weicht sehr auffällig von typischen 1176-Nachbildungen ab. Während ein UA-Reissue oder auch ein WA76 üblicherweise bei 100 Hz stark verdichtet, bleibt der Black Lion dort eher neutral und stärkt dagegen den Bereich um 800 Hz. Das lässt E-Bass, aber auch tiefe Keyboard-Töne etwas weniger druckvoll erscheinen und klingt in manchen Fällen ein kleines bisschen verschnupft. Hier hilft es zum Glück, das Sidechain-Filter zu aktivieren. Dann klingt der Bass nach unten raus größer, aber eben nicht so gedrungen.

Audio Samples
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Bass original Bass 4zu1 atk3 rel3 Bass 4zu1 atk7 rel7 Bass 12zu1 atk3 rel5

Bei Gitarren und Midrange-Keyboards ergibt sich ein anderes Bild. Anschläge klingen klar und perlig. Ganz im Gegensatz zum Klassiker vermag der Seventeen einer Cleangitarre oder einem akustischen Klavier Weite zu geben, die wie eine subjektive Vergrößerung anmutet. 1176-Fans werden in extremen Einstellungen die typische Verdichtung im Bereich um die 500 Hz vermissen, dadurch wirkt das Signal offener, aber auch etwas kraftloser.

Audio Samples
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Piano original Piano 4zu1 atk1 rel7 Piano 4zu1 atk5 rel5 Piano 4zu1 atk7 rel4

Die Wirkung auf eine Gesangsaufnahme hält keine weiteren Überraschungen bereit. Eine Stimme wird sauber und fachgerecht dynamisch begrenzt. Das klingt gut. Eine Steigerung der emotionalen Präsenz, eine spürbare Anfettung des Signals, klarere Zeichnung von Konsonanten, Stärkung der Intimität unterer Frequenzbereiche, all das bleibt Dynamikbegrenzern vorbehalten, die näher am 1176-Design sind. 

Audio Samples
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Vocals original Vocals 4zu1 atk1 rel7 lpf hpf Vocals 4zu1 atk1 rel7 mix50 Vocals 4zu1 atk1 rel7 mix100 Vocals all in atk3 rel7

Der Seventeen punktet eher in den Bereichen Sauberkeit, Klangtreue und Nüchternheit. Das ist eine Vorstellung des Begriffes der „Verbesserung“ gegenüber dem Original (die Black Lion ja im Schilde führt), die durchaus Fürsprecher findet, aber vermutlich ebenso kontrovers diskutiert werden kann. Weniger strittig dürfte sein, dass der Mixregler gerade für Gesang ein tolles Feature ist, weil die bei Gesang häufig sinnvolle Parallelkompression damit ohne weiteres Equipment im Handumdrehen realisiert werden kann.

Der Black Lion Seventeen, hier seine Rückseite, ist ein modernes und hochwertiges Dynamik-Tool.
Der Black Lion Seventeen, hier seine Rückseite, ist ein modernes und hochwertiges Dynamik-Tool.

Fazit

Der Black Lion Audio Seventeen ist ein hochwertiger VCA-Kompressor, der in der Lage ist, auch drastische Dynamikbegrenzung ohne Substanzverlust zu meistern. Sowohl die Qualität der Hardware als auch die klangliche Qualität lassen wenig zu wünschen übrig. Das Gerät klingt sauber und modern. Das Featureset ist dabei sehr gut auf den Tonstudiobedarf von heute abgestimmt. Wer auf der Suche nach einen hochwertigen Limiting Amplifier für kleines Geld ist, wird hier fündig. Anders als es die Optik vermuten ließe, sollte man aber keinen 1176-typischen Klang erwarten. Zwar sind die Regelzeiten identisch, der klangliche Charakter weicht allerdings deutlich vom Klassiker und dessen Derivaten ab.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • guter Klang
  • kein simpler Klon
  • hohe Hardwarequalität
Contra
  • keins
Artikelbild
Black Lion Audio Seventeen Test
Für 779,00€ bei
Features und Spezifikationen
  • FET-Style VCA Limiting Amplifier
  • Hochpassfilter (im Signal): 100 Hz, -6 dB/oct
  • Tiefpassfilter (im Signal): 10 kHz, -6 dB/oct
  • Ansprechzeit: 20 µs bis 800 µs (stufenlos)
  • Release: 50 ms bis 800 ms (stufenlos)
  • Hochpassfilter Sidechain: 100 Hz, 200 Hz, 300 Hz, 400 Hz
  • Ratio: 4:1, 8:1, 12:1, 20:1 und „All In“
  • Stromversorgung: 115 VAC oder 230 VAC (schaltbar)
  • Maße: 43,8 x 8,8 x 25 cm (19“, 2 HE)
  • Gewicht: 8 kg
  • Preis: € 749,– (Straßenpreis am 30.11.2018)
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