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Behringer MS-1 Test

Was war da los in den sozialen Netzwerken, auf den Gängen der Superbooth, Thema in fast jedem Tech-Talk, als Behringer mit dem Model D einen technisch exakten Nachbau des Minimoog vorstellte. Mittlerweile hat Behringer mit den Nachbauten des Arp Odyssey, des Korg MS-20 und des Roland Vocoders weitere Fakten geschaffen und die Aufregung hat sich in Staunen verwandelt: die Dinger klingen verdammt nah an den Originalen. So war natürlich die Spannung groß, als Behringer mit dem MS-1 den Nachbau eines weiteren legendären Klassikers ankündigte: Den Klon des legendären Roland SH-101.

Behringer MS-1 Test. (Foto: Christine Mangels)
Der Behringer MS-1 ist ein monophoner Analog-Synthesizer, der in Gestalt, Funktion und Klang dem SH-101-Vorbild sehr nahe kommt. (Foto: Christine Mangels)

Details

Hintergrund

Der Behringer MS-1 ist ein analoger monophoner Synthesizer, der schon in seiner äußeren Erscheinung keinen Hehl daraus macht, dass hier der Roland SH-101 als Vorbild diente. Als bekennender SH-101-Fan werde ich daher auch immer wieder den Vergleich mit dem Original suchen und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Synths herausstellen.  Dies geht beim Testgerät so weit, dass es noch unter dem Namen „MS-101“ ins Rennen geht. Aber Roland hat auf den Angriff der Klonkrieger reagiert und Behringer per Gerichtsbeschluss zur Umbenennung bewegt: Der ebenfalls brandneue 808-Klon RD-808 muss fortan unter dem Namen RD-8 verkauft werden und der hier getestete SH-101-Lookalike rückt als MS-1 in den Markt. Ganz korrekt heißt das getestete Modell MS-1-RD für „Red“ und mit dem MS-1-BL schickt Behringer auch sein blaues Pendant ins Rennen. Im klassischen Grau gibt’s den Behringer übrigens nicht, die dritte erhältliche Variante heißt MS-1-BK und kommt ganz in schwarz.

Fotostrecke: 2 Bilder 101 Lookalike: Der MS-1 macht keinen Hehl daraus, in wessen Fußstapfen er treten will. Beim Testgerät verrät es sogar noch die mittlerweile per Gerichtsbeschluss untersagte ursprüngliche Typenbezeichnung. (Foto: Christine Mangels)

Spieltisch

Mit einer Größe von 56,5 x 26,5 x 7 Zentimetern wirkt der MS-1 in etwa wie der kleine dicke Bruder des eleganteren SH-101 mit seinen 56,5 x 31 x 6,5 cm: Gleich lang, aber weniger tief und weniger flach. Auch das markante Plastikgehäuse mit normalgroßem zweieinhalb Oktaven-Keyboard und Metallunterseite wirkt noch etwas „plastikhafter“ als das des Originals. Die ungewichtete Kunststofftastatur gewinnt keine Preise, ist aber befriedigend bespielbar. Immerhin: Obwohl der MS-1 nur eine monophone Klangerzeugung hat, können mit dem verbauten Keyboard via MIDI mehrstimmige Klangerzeuger anschlagsdynamisch polyphon gespielt werden. Gerade für Anfänger ist das ein echter Mehrwert, schließlich erhält man so quasi gratis eine Einspieltastatur dazu. Und dank eines kleinen Hacks lässt sich der MS-1 sogar über die eigene Tastatur Velocity-sensitiv spielen. Dazu später mehr.
Links der Tasten befindet sich ein Roland-typischer Bender mit Push-Funktion für die Modulation, allerdings ist er effektvoll zartrot beleuchtet. Die Auswirkung des Pitchbend auf die Tonhöhe des VCO, oder den Cutoff des VCF kann man mit zwei Schiebereglern justieren, die Intensität der LFO-Modulation ebenfalls. Ein Dreiwegschalter wählt die Tastaturbereiche Low, Mid und High an, anders als beim SH-101 verfügt der MS-1 allerdings nur über zwei Modi für das Portamento, dass hier „Glide“ benannt wird, und wie gehabt per Potentiometer in der Intensität geregelt werden kann. Dies, wie auch das Volumenpoti, die Schieberegler und Kippschalter, sind exakte Repliken der SH-101-Bedienelemente und fühlen sich nicht schlechter, aber auch nicht besser an.

Fotostrecke: 2 Bilder Der typische Roland-Bender ist transparent und rot hintergrundbeleuchtet. (Foto: Christine Mangels)

Bedienfeld

Über dem Spieltisch befindet sich leicht erhöht das Bedienfeld, welches auf den ersten Blick ebenfalls dem SH-101 exakt nachempfunden erscheint – aber es gibt gravierende Unterschiede. So hat der MS-1 ein paar mehr Regler als das Original. An Klangquellen stehen dem MS-1 neben der modulierbaren Pulswelle, dem markanten Sägezahn, dem zweilagigen Sub-Oszillator und dem Rauschgenerator noch ein Dreieck und ein Audio-Eingang zur Verfügung, die alle mit sechs Fadern im Mixer zusammengemischt werden. Die zusätzlichen Regler und Schalter für die Sequenzer-Geschwindigkeit, zur Anwahl von sechs Frequenzmodulationsquellen und deren Beimischung (ja, ja ,… FM beim 101, ein bislang unterschätztes Thema) sind als runde Poti-Knöpfe im typischen 101-Design ausgeführt, nur etwas kleiner. Hier wollten wohl die Behringer-Ingenieure nicht das stimmige Gesamtbild des ikonischen Roland-Designs beschädigen, und so sieht der MS-1 in etwa so aus wie eine 101, die in einem Synth-Workshop etwas modifiziert wurde.
Beibehalten wurde die klare Gliederung in Modulator, VCO, Source Mixer, VCF, VCA und Envelope. Die Namen stehen wie beim Roland-Original in identisch wirkender Typographie über den einzelnen Modulen. Der LFO verfügt über den bekannten Schieberegler für die LFO-Geschwindigkeit und ein Potischalter für die vier Wellenformen. Dieser hat jedoch einen zusätzlichen Dreiwegschalter zur Spreizung der LFO-Rate erhalten. Unter dem Fußlagenschalter des VCO weist Behringer stolz darauf hin, dass es sich beim Herzstück des MS-1 tatsächlich um einen 3340 VCO handelt, den Behringer-eigenen Nachbau des legendären Curtis-Chips. Diese Halbleiter-Bausteine wurden seinerzeit in fast allen klassischen analogen Synthesizern verbaut, im Prophet-5, im Oberheim Matrix-12 sowie vielen Roland-Synths. Es gibt also noch einiges Klon-Potenzial in der Behringer-Schublade. Die Filtersektion, der VCA-Schalter und die ADSR-Hüllkurve entsprechen dann wieder 1:1 dem Original-SH.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Schiebe-und-Drehregler fühlen sich exakt so an wie beim Vorbild. (Foto: Christine Mangels)

Sequenzer und Arpeggiator

Der Sequenzer und Arpeggiator-Bereich des MS-1 ist deutlich ausladender als beim Original-SH, wurde von Behringer’s Odyssey-Klon übernommen, und bietet acht Pattern in acht Bänken mit jeweils bis zu 32 Steps sowie Swing. Zehn kleine und acht große, teilweise rot hintergrundbeleuchtete Buttons drängeln sich unter den Sektionen für VCO und Source-Mixer. Die Buttons bieten ein eher unbefriedigendes haptisches Gefühl und fühlen sich im Vergleich zu den eleganten und sehr direkt ansprechenden silbernen Buttons des SH-101 grobschlächtig und schwergängig an.  

Der Sequenzer wurde vom Behringer Nachbau des Arp Odyssey übernommen. (Foto: Christine Mangels)
Der Sequenzer wurde vom Behringer Nachbau des Arp Odyssey übernommen. (Foto: Christine Mangels)

Anschlüsse

Rückseitig befinden sich viel mehr Anschlüsse als beim Original. Zusätzlich zum monophonen Audio-Ausgang, Kopfhörer-Ausgang, Hold (große Klinkenbuchsen), CV/Gate In und Out, externem Clock-Eingang sowie ded beiden Anschlüssen Grip und Mod für den optionalen Gitarrenhals-Controller (kleine Klinkenbuchsen), bietet der Behringer auch noch Eingänge für VCF CV und ein monophones Audio-Signal sowie das klassische MIDI-Trio in DIN-Ausführung, für das der originale 101 noch ein paar Jahre zu früh auf die Welt kam.
Über die USB-Buchse kann der MS-1 nicht nur vom Computer MIDI empfangen, sondern auch per kostenloser SynthTool App justiert, und mit Firmware-Updates bespielt werden. Schick ist auch der Velocity Out: Verbindet man den mit dem VCF CV in, lässt sich der MS-1 auch vom MS-1-Keyboard selbst anschlagdynamisch spielen, nicht nur via DAW. Beim Roland-Original gefiel mir immer gut, dass die Anschlüsse nach oben ragen, sodass sie besonders einfach erreichbar sind und der Synth hinten bündig an eine Wand oder einen anderen Synthesizer geschoben werden kann. Das ist mit den rückseitigen Anschlüssen des MS-1 nun nicht mehr möglich.

Fotostrecke: 2 Bilder Anschlüsse satt auf der Rückseite. Die Plastikanmutung des MS-1 wird beim Blick auf die Netzteilkabelklemme besonders deutlich. (Foto: Christine Mangels)

Lieferumfang

Der bunte Verkaufskarton beinhaltet neben dem MS-1 und einem Netzteil auch noch den berühmt-berüchtigten „Gitarrenhals“, die anschraubbaren Gurtknöpfe und sogar einen Gitarrengurt. Beim SH-101 war das Modulation Grip Kit ein optionales und mittlerweile durchaus gesuchtes Accessoire. Dazu gibt’s noch einen Aufkleber und einen Quick-Start-Guide in fünf Sprachen. Hier sind zwar die Grundfunktionen alle kurz erklärt, und ein 101-mäßiger Synthesizer birgt ja auch nicht viele Geheimnisse, dennoch hätte ich mir schon alleine zum Ergründen sämtlicher Sequenzer-Funktionen ein ausführlicheres Handbuch gewünscht. Aber das gibt’s noch nicht mal im Netz.

Fotostrecke: 3 Bilder Lieferumfang: Behringer legt sogar das komplette Keytar-Kit. MIDI, USB und die Grip/Mod-Anschlüsse für den „Gitarrenbürzel“. bei. Das Testgerät firmiert noch unter der ursprünglichen Typenbezeichnung MS-101. (Foto: Christine Mangels)

Software

Bevor es mit dem Praxistest losgeht, habe ich den Behringer MS-1 noch auf die aktuelle Firmware gebracht, das ist V.1.3.1. Mit der kostenlosen App “Behringer Synth-Tool“, erhältlich auf der Behringer Website, geht das schnell, komfortabel und weitgehend automatisch. Auch die Grundeinstellungen für MIDI-Kanal, Anschlagdynamik, Pitchbend-Bereich, MIDI-CLock Out und den Sequenzer-AutoSync lassen sich hier festlegen. Im Sequenzer-Fenster können Sequenzen erstellt, importiert, exportiert und verwaltet werden. Leider kann man keine Standard-MIDI-Files in den MS-1 laden, sondern nur Sequenzen im eigenen Format und das Sequenzer-Fenster ist nicht wirklich einladend gestaltet, auch weil sich das Fenster der App weder vergrößern noch skalieren lässt.

Die SynthTool App dient zur Einstellung des MS-1, zur Erstellung von Sequenzen und als Firmware-Update-Hilfe. (Foto: Christine Mangels)
Die SynthTool App dient zur Einstellung des MS-1, zur Erstellung von Sequenzen und als Firmware-Update-Hilfe. (Foto: Christine Mangels)
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Praxis

Ich besitze seit 1992 einen grauen Roland SH-101, liebe ihn von ganzem Herzen und habe aber trotzdem immer etwas neidisch auf die seltenen roten und blauen Varianten geschaut. Insofern war ich erfreut, als das Testgerät in sattem Rot auf meinem Studiotisch stand. Als erstes stellte ich einfach mal ein paar Lieblings-101-Sounds ein und war überrascht, dass der MS-1 dem Klangcharakter eines 101 schon auf Anhieb sehr, sehr nahekommt. In Anbetracht der zusätzlichen Klangmöglichkeiten und dem umfangreichen Sequenzer wuchs meine Vorfreude und ich machte mich daran, ein paar Patterns einzuspielen.

Der Behringer MS-1 sieht seinem Vorbild SH-101 von weitem fast zum Verwechseln ähnlich. (Foto: Christine Mangels)
Der Behringer MS-1 sieht seinem Vorbild SH-101 von weitem fast zum Verwechseln ähnlich. (Foto: Christine Mangels)

Sequenzer

Eine der besonderen Eigenheiten des originalen 101 ist der supersimple und schnell bedienbare Step-Sequenzer. Ist man einigermaßen firm mit dem Konzept, sind in der Live-Situation sehr schnell interessante Patterns eingesteppt und sofort im Sync zum Rest des Maschinenorchesters hinzugefügt. Da der SH-101 über exakt EIN Pattern verfügt, sind sämtliche Sequenzen natürlich schon beim Entstehen dem baldigen Untergang geweiht, aber diese Vergänglichkeit macht auch den Charme des SH-101 aus.
Der MS-1 bietet dagegen gleich 64 speicherbare Pattern an, die jeweils maximal 32 Steps lang sein können. Trotzdem konnte ich mich mit dem Sequenzer nicht anfreunden: Zu viele Tastenkombinationen mit Shift und oft bis zu drei Tasten gleichzeitig sind notwendig, um den Sequenzer zu bedienen. Auch können die Patterns nicht direkt angewählt werden, sondern müssen mit den Cursortasten (KYBD+STEP) durchgeschaltet werden.  Der MS-1/Odyssey-Sequenzer lässt leider die erfrischende Direktheit des Vorbilds völlig vermissen. Manchmal ist weniger wirklich mehr und so habe mich nach erfüllter Chronistenpflicht sofort vom MS-1-Sequenzer verabschiedet. 

Arpeggiator

Auch dem MS-1-Arpeggiator kann ich nicht viel abgewinnen. Beim originalen SH-101 ist er ein schlichter, aber effektiver guter Freund mit drei Richtungen (down, up & down, up), um spontan ein bewegtes melodisches Element zu spielen und in Echtzeit zu transponieren. Beim MS-1 ist der Arpeggiator lediglich ein Anhängsel des Sequenzers, bietet nur den Up-Modus und keine Transponierungsmöglichkeiten. Das ist wirklich schade und macht keinen Spaß. Ich gehe aber mal davon aus, dass der Großteil unserer Leser einen MS-1 sowieso lieber an einem potenten Hardwaresequenzer oder gleich an einer DAW einsetzen werden, sodass die Schwächen des internen Notenknechts nicht weiter ins Gewicht fallen.

Der Sequenzer des Behringer MS-1 ist nicht besonders intuitiv. Wir empfehlen den Einsatz mit einem profilierten Taktgeber wie zum Beispiel dem Toraiz Squid. (Foto: Christine Mangels)
Der Sequenzer des Behringer MS-1 ist nicht besonders intuitiv. Wir empfehlen den Einsatz mit einem profilierten Taktgeber wie zum Beispiel dem Toraiz Squid. (Foto: Christine Mangels)

Wie klingt’s?

Kommen wir zur Kardinalfrage: Schafft es der MS-1, dem SH-101 klanglich das Wasser zu reichen? Und hier kann ich glücklicherweise Versöhnliches berichten: Der MS-1 klingt erstaunlich authentisch nach SH-101. Er hat genau diese Direktheit, die sich auch in vollen Mixen immer noch durchsetzt, diese Spritzigkeit dank der schnellen Hüllkurven und diesen runden Sound, der sich einfach fast immer im „Sweet Spot“ bewegt. Typische ‚Knarzmaschinensägezahnbässe‘ gelingen im Handumdrehen, ‚Lucky Pulse-Bleeps‘ kommen klar und glockig und bei vielen Basic Sounds hört man auch im A/B-Vergleich absolut keinen Unterschied. Ohne den direkten A/B-Vergleich dürften auch die meisten Roland-Enthusiasten bei vielen Trademark-Sounds keinen Unterschied hören. Die Musikkonsumenten da draußen sowieso nicht. Denen dürften die mit dem MS-1 produzierten sehr direkten, knalligen Sequenzen gefallen, für die das 101-Original nicht ohne Grund berühmt geworden ist.
Die Unterschiede treten am Deutlichsten in extremen Soundeinstellungen und speziell beim Einsatz von Resonanz zu Tage. Hier schwächelt der Klon. Zieht man die Resonanz langsam, wird der MS-1 dünner und zwitschernder, das klingt schön, aber nicht nach 101. Denn der Original-SH zeigt plötzlich Muskeln und bollert tiefe Impulse heraus, die andernorts als Kickdrums durchgehen würden. Genau dieses kraftvolle Resonanzverhalten ist Teil der SH-101-Magie und die konnte ich dem MS-1 nicht komplett abringen.

Audio Samples
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MS-1-Rechteck blendet über in SH-101-Rechteck MS-1-Sägezahn blendet über in SH-101-Sägezahn MS-1- Rechteck und Suboszillator blendet über in SH-101- Rechteck und Suboszillator Alle drei Suboszillatorlagen des MS-1 blenden über in die Suboszillatorlagen des SH-101 MS-1Dreieck pur MS-1Dreieck gemischt mit Rechteck, Sägezahn und Suboszillator MS-1 LFO MS-1 Filter anschlagdynamisch gespielt MS-1 Rechteck mit Cutoff und Resonanz SH-101 Rechteck mit Cutoff und Resonanz

Behringer wirft dafür gut gewählte Extrasynthesefeatures in die Waagschale, die einen wirklich tollen Mehrwert bieten. Die Ingenieure haben sich angenehm zurückgehalten und den MS-1 mit nur wenigen kleinen, aber dafür feinen Features aufgewertet, die wirklich nützlich sind. Mit der zusätzlichen Frequenzmodulation lässt sich der Charakter typischer 101-Trademark-Sounds noch etwas agressiver machen. Vor allem die Pulsewelle klingt frequenzmoduliert mit dem zwei Oktaven tieferen Suboszillator herrlich kaputt. Die zusätzliche Dreieckwellenform klingt rund und kraftvoll und ist sofort mein Favorit für butterweiche Bässe geworden. Zum Puls und/oder Sägezahn dazugemischt klingen typische 101-Sounds dank dem Dreieck eine kleine Spur sahniger.
Der externe Audio-Eingang würde auch bei einer Boutique-Modifikation des originalen SH-101 im Pflichtenheft stehen, Behringer liefert die mal so eben mit. Der LFO-Rate-Schalter ist ebenso ein absolut nützlicher Zusatz wie die Entkoppelung der Sequenzer-Geschwindigkeit von der LFO-Geschwindigkeit Und schließlich ist auch gegen Filter-Anschlagdynamik bei einem 101-mäßigen Synthesizer absolut nichts einzuwenden. OK, ich hätte mir statt einem Audio-Eingang eher einen Highpassfilter á la Juno-106 gewünscht, aber man kann nicht alles haben.

Audio Samples
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MS-1-LFO und Filter Cutoff SH-101-LFO und Filter Cutoff MS-1 VCO Modulation SH-101 VCO Modulation MS-1 Arpeggio SH-101 Arpeggio MS-1 Resonanzverhalten SH-101 Resonanzverhalten MS-1 FM und Rechteck MS-1 FM und Sägezahn MS-1 externes Audiosignal
Fotostrecke: 2 Bilder Klangvergleich: Wie behauptet sich der Behringer MS-1, wenn er auf den originalen SH-101 trifft. (Foto: Christine Mangels)

101 als Keytar

Der SH-101 in rot oder blau mit dem optionalen Modulation Grip Kit war bis Mitte der Achtziger Jahre ein beliebter Bühnensynthesizer für Keyboarder, die sich auch mal mit dem Gitarristen „duellieren“ wollten. Behringer liefert den Modulationsgriff gleich mit, komplett mit Gitarrengurt und Gurtschrauben. Diese werden in vorgegebene Löcher auf der Rückseite gedreht, das Anschlusskabel in die entsprechenden Anschlussbuchsen gesteckt und schon kann man mit einem kleinen Pitchwheel die Tonhöhe des MS-1 benden, und mit einem Druckknopf die Modulation auslösen. Wer jetzt eine Invasion von MS-1 spielenden Bühnenkeyboardern befürchtet, darf sich entspannen: Anders als beim Original ist beim MS-1 kein Batteriebetrieb vorgesehen. Auch ist kein zeitgemäßer Akku verbaut, sodass der MS-1 immer mit Netzteil betrieben werden muss, dessen kurzes Kabel die Nutzbarkeit als Keytar deutlich einschränkt. Das hat Behringer nicht konsequent zu Ende gedacht, da die Firma mit dem Airplay Guitar ULG10 sogar das passende Wireless System für völlig losgelöste Performances im Programm hätte.
Womöglich hat Behringer den „Gitarrenbürzel“ auch nur aus nostalgischen Gründen beigelegt? Plötzlich kam mir eine aberwitzige Idee: Was, wenn der Gitarrenbürzel an meinen SH-101 passen würde? Allein das könnte für Besitzer einer originalen SH-101 ein Argument sein, sich den MS-1 zu kaufen und dann das Keytar-Kit des MS-1 für den 101 zu nutzen. Gedacht, geschraubt und tatsächlich, das Kit passt perfekt an den SH-101. Sofortige Ernüchterung dann aber beim Versuch, den Behringer-Anschluss-Stecker in die Roland-Buchsen einzuführen: Ein anderes Format. Eine Nutzung des MS-1-Gitarrenhalses am SH-101 ist also ,out of the box‘ nicht möglich. Aber vielleicht haben findige Bastler da noch einen Hack in petto…

Fotostrecke: 6 Bilder Synth to Go: mit dem mitgelieferten Gitarren-Kit kann man den MS-1 auch stylish umhängen. (Foto: Christine Mangels)

Was fehlt und was ist anders?

Der MS-1 hat nur einen Portamento-Modus, automatisches Portamento fehlt. Es gibt beim Arpeggiator nur einen Modus (Up) und keine Transpose. Der Sequenzer bietet zwar viel mehr Patterns und ist speicherbar, aber längst nicht so flink und intuitiv zu bedienen, wie der des Originals. Die Tastatur ist via USB und MIDI polyphon und anschlagdynamisch, aber für’s direkte Spiel am Instrument finde ich das SH-101-Keyboard geschmeidiger. Im Laufe des Tests fiel mir auch auf, dass manchmal eine Taste nicht mehr korrekt in die Ausgangsposition zurückfederte, sondern etwas durchhing. Das ließ sich aber stets mit einem kurzen erneuten Tastendruck beheben.
Und schließlich ist es schade, dass der MS-1 nicht netzunabhängig betrieben werden kann. Wozu also das mitgelieferte Modulation Grip Kit, wenn der Keytar-Hero dann doch per Netzteil an den Bühnentisch gefesselt bleibt? OK, ich sehe vor meinem geistigen Auge schon umtriebige Bastler mit extrem verlängerten Netzteilkabeln über die Bühne fegen, aber verdränge diesen Gedanken auch gleich wieder.

Fotostrecke: 2 Bilder Mit der MS-1-Tastatur können auch CV/Gate-Synths gespielt werden. (Foto: Christine Mangels)

Behringer MS-1 Sound Demo (No Talking)

Im Video bedient ein Toraiz Squid Hardware-Sequenzer via CV/Gate einen Behringer MS-1, einen originalen Roland SH-101 sowie sein digitales „Boutique-Pendant“ Roland SH-01a via MIDI mit jeweils dem gleichen Pattern. Die Soundeinstellungen wurden möglichst identisch gehalten, was in einer Live-Situation nicht immer akurat möglich ist. Dennoch sind die die vielen Gemeinsamkeiten und die Unterschiede gerade im Resonanzverhalten gut zu hören. Zusammenfassend gesagt: Alle drei Kandidaten sind sehr brauchbare Synthesizer und am Ende entscheiden Nuancen – und das Portemonnaie.

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Fazit

Der Behringer MS-1 ist ein hervorragender monophoner Analog-Synthesizer. In Form und Funktion entspricht er sehr dem SH-101. Klanglich bemerkt man nur Unterschiede in extremen Soundeinstellungen, speziell beim Resonanzverhalten. Bei aller Liebe zum Detail hat Behringer leider bei zwei wichtigen 101-Features nicht konsequent genug gehandelt: Statt den genial-einfachen „Original-Sequenzer“ nachzuempfinden, hat man den bedienungsunfreundlichen Odyssey-Kollegen aus dem Behringer-Baukasten dazugepackt. Und wenn man schon quasi für lau das Modulation Grip Pack mitliefert, hätte der MS-1 gern auch ohne Netzteil spielbar sein dürfen. Wer den MS-1 nur mit externen Sequenzern ansteuern möchte und sich sowieso nicht zu wilden Bühnen-Keytar-Soli berufen fühlt, erhält mit dem MS-1 einen klanglich unglaublich authentischen 101-Klon zu einem konkurrenzlos günstigen Preis. In den frühen 1980ern war der SH-101 der ideale Einstiegssynthesizer. 2019 ist es der Behringer MS-1.

PRO
  • Sound sehr nah am Original
  • Zusätzliche Dreieckswellenform
  • Frequenzmodulation
  • Polyphone Tastatur
  • Audio-Eingang
  • Modulationsgriff und Umhängegurt im Lieferumfang enthalten
  • Preis
CONTRA
  • Kein absolut authentisches Resonanz-Verhalten
  • Komplizierte Sequenzer-und-Arpeggio-Sektion
  • Kein Batteriebetrieb möglich
Der Behringer MS-1 ist ein monophoner Analog-Synthesizer, der in Gestalt, Funktion und Klang dem SH-101-Vorbild sehr nahe kommt. (Foto: Christine Mangels)
Der Behringer MS-1 ist ein monophoner Analog-Synthesizer, der in Gestalt, Funktion und Klang dem SH-101-Vorbild sehr nahe kommt. (Foto: Christine Mangels)

Weitere Informationen zu diesem Produkt gibt es auf der Website des Herstellers.

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Profilbild von Gregor Rast

Gregor Rast sagt:

#1 - 17.10.2019 um 12:55 Uhr

0

Der Arp kann mehr als nur "up". Transponse geht auch. Eine Anleitung gibt es auch.
Was aber nicht geht und auch nirgends erwähnt wird : RD-8 Trigger zum steppen des Sequencers nutzen. Auch die Reduzierung auf 32 Steps ist übel.
irgendwie ein etwas halbgarer Test, oder?

Profilbild von Gregor Rast

Gregor Rast sagt:

#2 - 17.10.2019 um 12:59 Uhr

0

...und Pattern lassen sich auch mit den Tastern 1-8 direkt anwählen.

Profilbild von aljen

aljen sagt:

#3 - 01.04.2020 um 15:20 Uhr

0

Soweit ich das auf den Bildern (und Videos) erkennen kann, ist der "bedienungsunfreundliche Odyssey-Kollege aus dem Behringer-Baukasten"-Sequencer ursprünglich dem Moog Mother 32 abgeschaut. Siehe auch Crave. Alleine den Arpeggiator hat Behringer zusätzlich beigesteuert.Schwacher Trost: der Sequenzer der 32er Mutter ist noch eine bis anderthalb Nummern unintuitiver als seine Behringer-Kopie – aber wozu gibt es Handbücher…

Profilbild von qwertzu

qwertzu sagt:

#4 - 11.01.2025 um 11:54 Uhr

0

Ich besitze einen Behringer MS-1 MK II-RD, und bin sehr zufrieden...

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