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Analogue Solutions Leipzig-S Test

Mit dem Leipzig-S schickt die kleine britische Firma Analogue Solutions einen weiteren Kandidaten auf dem derzeit boomenden Analogmarkt ins Rennen. Fast scheint es, als sei die Zeit nie günstiger, sein Equipment um einen monophonen Synthesizer zu ergänzen. Jedes Jahr ergeben sich neue Optionen in Form flammneuer Instrumente, und diese dürfen sich messen mit dem florierenden Klassiker-Gebrauchtmarkt, auf dem global gehandelt wird.

Monophoner Analogsynthesizer aus England: Analogue Solutions Leipzig-S
Der Analogue Solutions Leipzig-S ist ein charakterstarker, aber nicht perfekter Monosynth


Analogue Solutions versprechen schon in ihrem Namen die Lösung unseres quälenden Anschaffungsproblems. Ich nehme nicht an, dass der doch ganz friedlich anmutende „Leipzig-S“ nach der Völkerschlacht von 1813 benannt ist, aber vielleicht verbirgt sich ja tatsächlich unter seiner unscheinbaren Oberfläche ein analoges Biest…

Details

Wer sich mit analogen Klangerzeugern befasst, dürfte über kurz oder lang auf die Firma Analogue Solutions stoßen, die nicht nur Rackmodule wie den Leipzig-S herstellt, sondern auch im Bereich halbmodularer und modularer Komponenten aktiv ist. So haben sich die Engländer über die Jahre einen respektablen Ruf erworben. Ein Blick auf die Website hingegen ist eine optisch eher erschütternde Erfahrung. Die Seite scheint bei den technischen Möglichkeiten aus der Internet-Steinzeit stehen geblieben zu sein und wirkt wie der bei nächtlichem Kaffee eilig ins Digitale übertragene Zettelkasten eines Nerds, der sich mit Optischem nicht lange aufhält. Dieses Detail ist nicht nur erwähnenswert, weil die Seite nicht gerade ein schönes (oder angemessenes) Schaufenster für die Produkte ist, sondern auch, weil sich diese dürftige digitale Visitenkarte bisweilen mit verbesserungswürdiger Dokumentation von Produkten (siehe Test des Telemark-K) oder auch qualitativ problematischer Ausführung der Geräte verbindet zu einer nicht ganz sauber erscheinenden Weste des Herstellers beim Stichwort Premiumqualität.

Fotostrecke: 3 Bilder Oszillatoren, Filter, Modulationsquellen und Sequencer: alles analog

Äußerlichkeiten

Zunächst einmal aber macht der Leipzig-S einen soliden und äußerst aufgeräumten Eindruck. Der schwarze Metallkasten ist auf fünf Höheneinheiten im Rack zu Hause, lässt sich aufgrund seiner angeschrägten Stellfläche aber auch gut als Desktop-Gerät verwenden. Die großen Potis versprühen ein angenehmes Analog-Flair und sind vor allem in so großzügigen Abständen auf der Oberfläche verteilt, dass die Bedienung leicht von der Hand geht. Lediglich die vier Kippschalter (MIDI on/off für Env1, Env2; Umschalten zwischen Noise und Sequencer-Sound und Accent beim Sequencer) erfordern etwas Fingerspitzengefühl. Beim Sequencer hat Analogue Solutions gummierte, kleinere Knöpfe verwendet, deren Haptik deutlich weniger Freude macht. Das ist schade, vor allem, weil gerade hier sehr detailliertes Einstellen gefordert ist.
Für die Rückseite des Leipzig-S wäre die Beschreibung „aufgeräumt“ eine beachtliche Untertreibung. Es finden sich eine Buchse für das externe Netzteil, MIDI In und Thru, ein Audioausgang und zwei Eingänge (Ext 1 und 2), alle als 6,3 mm Klinke. Überrascht hat mich dabei, dass es statt einiger anderer Anschlussmöglichkeiten, die man vielleicht erwartet hätte (beispielsweise CV/Gate) gleich zwei Eingänge für externe Signale gibt. Dies erklärt sich dadurch, dass Ext 2, wie von anderen Synths bekannt, über den Mixer in den Signalweg eingebracht werden kann, während Ext 1 als Sync-Quelle für VCO 2 oder den Sequencer fungiert. Die Beschriftungen sind auf der Unterseite einer Aussparung angebracht, was bei Rackmontage gut lesbar ist, bei Desktopbetrieb aber bedeutet, dass man das Gerät zum Entziffern komplett umdrehen muss. Nicht optimal gelöst.

Fotostrecke: 3 Bilder Das übersichtliche Anschlussfeld wartet auf der Rückseite

Klangerzeugung

Die oberen vier Fünftel der Bedienoberfläche gehören ganz dem Synthesizer, der nach dem altbekannten Prinzip der subtraktiven Klangsynthese funktioniert. Entsprechend findet man neben zwei Oszillatoren mit Sägezahn- und Rechteckschwingungsformen auch eine Mix-Sektion, ein resonanzfähiges 4-Pol-Filter, einen LFO zur Modulation sowie eine Envelope. Allerdings erhebt sich der Leipzig-S über die Minimalausstattung seiner Zunft durch die Zugabe von zwei Suboszillatoren (die allerdings nicht gleichzeitig nutzbar sind), einer zweiten Hüllkurve sowie einiger ausgefuchster Modulationsmöglichkeiten. So lässt sich die Pulsbreite des Rechtecks beider Oszillatoren entweder durch den LFO oder durch Envelope 2 (die Bedienungsanleitung behauptet Envelope 1) modulieren, manuell kann diese nur für Oszillator 1 eingestellt werden. Beim Filter folgt die Cutoff-Frequenz wahlweise Envelope 1 oder 2. Und die Modulationsmatrix, welche mittig im Bedienfeld angeordnet ist, bietet eine größere Zahl weiterer Optionen für die Modulation der VCOs und des Filters. Darunter sind alte Bekannte, wie die Beinflussung der VCO-Frequenzen durch die Dreieck- oder Rechteckschwingungen des LFOs, aber auch kuriosere Möglichkeiten, wie die Modulation von VCO 1 durch die Rechteckschwingung von VCO 2 oder die Einflussnahme eines MIDI-Controllers auf VCO 2 oder das Filter. Dieser Reichtum an Möglichkeiten zählt sicher zu den Besonderheiten und Stärken des Leipzig-S.
Ebenfalls beachtenswert sind die möglichen Sync-Einstellungen für Oszillator 2. Dieser schmiegt sich nämlich nicht nur auf Befehl an VCO 1 (Rechteck) an, sondern auch an das Rechteck des LFOs oder ein externes Signal, das über Ext 1 angeschlossen wird. Damit lässt sich im Bereich von krassen Effektsounds einiges anstellen.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Bedienfeld ist geräumig und übersichtlich

Sequencer

Analoge Sequencer – oder digitale Versionen mit analogem Feel wie Doepfers Dark Time – erleben im Zuge der analogen Renaissance ebenfalls eine Art „zweiten Frühling“. Somit geht die Aufmerksamkeit beim Betrachten des Leipzig-S unweigerlich auch in Richtung des unteren Fünftels, welches der eingebaute Sequencer in Anspruch nimmt. Acht Steps mit jeweils einem Poti und einer Lauf-LED sind im Angebot. Die Steuerspannung der Steps kann stufenlos regelbar an VCO 1, VCO 2 oder das Filter geschickt werden. Außerdem kann der Sequencer wahlweise Envelope 1, 2 oder beide triggern. Geradezu opulent fallen die Sync-Optionen für die Geschwindigkeit des Sequenzers aus, der nicht nur im Gleichschritt mit dem LFO oder einer MIDI-Clock laufen kann, sondern auch mit ungewöhnlicheren Quellen anbändelt. Einige davon, wie beispielsweise VCO 2, wirken beinahe absurd, wenn man sich den Sequencer lediglich vorstellt als einen streng rhythmisierten Melodienerzeuger. Sie gewinnen aber deutlich an Reiz, sobald man den Sequencer als Modulationsquelle oder sogar als Klangquelle begreift – exotische Seiten, die der Leipzig-S hier offenbart und denen wir uns im Praxisteil widmen werden.

Fotostrecke: 3 Bilder Der analoge Sequencer kann verschiedenen Sync-Quellen folgen …

MIDI

Ein kurzes Wort zum Thema MIDI: Da der Leipzig-S bedauerlicherweise auf CV/Gate-Eingänge verzichtet, ist MIDI das einzige Mittel zur Kommunikation mit anderen Synthesizern oder einer DAW. Glücklicherweise ist die Implementierung bei diesem vollanalogen Instrument wirklich gelungen und vielseitig. So gibt es zum Beispiel einen Wunderknopf, den man gedrückt hält und der Leipzig dann eine Art “listen to MIDI” vollführt. Spielt man bei gedrücktem Knopf einen Ton auf einer MIDI-Tastatur, stellt sich der Synth auf den MIDI-Kanal ein, auf dem die Note gesendet wird. Betätigt man statt einer Taste einen Drehregler oder Fader, übernimmt der Leipzig-S nicht nur dessen MIDI-Kanal, sondern auch die Controller-Nummer. Danach lassen sich dann beispielsweise die Frequenz von VCO 2 oder das Filter über diesen Controller beeinflussen. Einfach und genial! Aber auch Ungehorsam gegenüber MIDI kann man dem Leipzig-S beibringen. So lassen sich VCO 2 und beide Envelopes von der Kontrolle durch einkommende MIDI-Befehle – also Note on/off – entkoppeln, was wiederum eine Menge neuer Option eröffnet. Dass die Entwickler darauf verzichtet haben, im Leipzig-S CV/Gate Ausgänge zu verbauen, ist aus meiner Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Vermutlich wäre das technisch ein relativ kurzer Weg gewesen und hätte den Nutzen des Sequencers in einem analogen Setup extrem erhöht. Sehr schade.

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Praxis

Bedienung

Der Leipzig-S präsentiert sich erst einmal klar strukturiert und schlicht, ziert sich dann aber wegen seines ungewöhnlichen Layouts bei der ersten Annäherung durchaus etwas. Für gewöhnlich beginnt man den Klangschraubertag ja damit, dass man zum Beispiel die Schwingungsform von Oszillator 1 wählt, dann dessen Fußlage, seine Lautstärke, weiterhin Schwingungsform, Fußlage und vielleicht Finetune für Oszillator 2 und so weiter. Nichts davon passiert beim Leipzig-S auf gewohnte Weise. Das fängt ganz oben links auf dem Bedienfeld an, wo uns ein Poti mit der Beschriftung „Master Tune“ empfängt; etwas, das man bei anderen Synthesizern eher unter der Rubrik „Allgemeines“ findet. Es folgt ein Poti, mit dem sich VCO 2 stimmen lässt, allerdings immer in Relation zu dem zuerst eingestellten Master Tune, der übrigens einen relativ bescheidenen Umfang von ca. 29 Halbtönen besitzt. Damit lässt uns die Oszillatorabteilung erst mal im Regen stehen – keine Schwingungsformen oder Fußlagen weit und breit. Es geht weiter mit Glide, Pulsbreite und Sync für VCO 2; also nichts, was uns dabei hilft, überhaupt mal einen Grundsound einzustellen.
Das Geheimnis lüftet sich dann bei einem Blick auf den Mixer, der – komischerweise erst an den Positionen drei und vier – zwei Potis bereithält, welche für die Auswahl und Lautstärke der Schwingungsformen gleichermaßen verantwortlich sind. Sie funktionieren nach einem Prinzip, das von Oberheims SEM und auch vom hauseigenen Telemark 2 bekannt ist: Die Mittelstellung entspricht dem Nullpunkt, dreht man von dort nach links, wächst die Lautstärke des Sägezahns, kehrt man zurück zur Mitte und dreht dann nach rechts, hört man die Rechteckschwingung. Dem gleichen Prinzip folgen auch das Poti für die Suboszillatoren (links jener von VCO 1, eine Oktave tiefer, rechts der von VCO 2, zwei Oktaven tiefer) und ein Regler, der bizarrerweise ganz oben im Mixer zu finden ist und nach links drehend das externe Signal von Eingang 2 beimischt und nach rechts, je nach Wahl eines Kippschalters, Noise oder den Audioausgang des Sequencers.
Das Layout hat zweifellos den Vorteil, dass sich mit großer Platzökonomie eine Vielzahl von Einstellungsmöglichkeiten realisieren lassen. Diesen Vorteil erkauft man sich jedoch zu Ungunsten von Übersichtlichkeit und intuitiver Bedienung. Darüber hinaus beschleicht einen ständig das ungute Gefühl, dass die Potis in der Mittelstellung eben doch nicht ganz auf Null sein könnten – eine Sorge, die sich beim Testgerät aber zum Glück als haltlos herausgestellt hat. Ein paar Worte zur Bedienungsanleitung: Zwar bietet das PDF-Dokument einen ordentlichen Überblick über die Funktionen des Instruments, der Text steckt aber voller Fehler, sprachlich wie inhaltlich. Über manchen Knopf schweigt sie sich auch ganz aus. Hier würde man sich mehr Sorgfalt wünschen.

Viele Knöpfe zum Schrauben und ein eher ungewöhnliches Layout
Viele Knöpfe zum Schrauben und ein eher ungewöhnliches Layout

Sound

Hat man einmal alles so in Stellung gebracht, dass der Leipzig-S tatsächlich Klänge produziert, macht sich das durchaus bezahlt. Mit Hilfe der beiden Oszillatoren und der Suboszillatoren lassen sich in Kürze ziemlich fette Sounds schrauben, die extrem lebendig werden, wenn man sie zusätzlich durch leichtes Detune und Pulsbreitenmodulation anreichert. Zugegeben, mit zwei Schwingungsformen (plus Noise) ist dieser Monosynth erst mal keine Klangwundertüte. Aber bei den aggressiven, bratzigen Sounds macht er eine wirklich gute Figur. Und so richtig spannend wird es, wenn man die vielseitigen Modulationsmöglichkeiten nutzt.

Audio Samples
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Sync Lead Fat PWM Bass Even Fatter Bass

Die Envelopes könnten für meinen Geschmack etwas flotter auf den Beinen sein. Bei Sounds mit relativ weit geschlossenem Filter kommt kein rechter Punch zustande, kein Vergleich etwa zu meinem Roland SH-2. Aber hier ernsthaft zu meckern, wäre übertrieben. Wo sich der Leipzig-S hingegen Kritik gefallen lassen muss, ist beim Filter. Analogue Solutions werben offensiv mit einem “Moog style”-Filter. Auch wenn das Filter des Leipzig-S nicht schlecht ist, wirkt es im Vergleich zu dem des Moog Voyager etwas schmalbrüstig. Zwar macht es weiter auf, was für aggressive Klänge nicht schlecht ist, aber bei tieferen Cutoff-Frequenzen ist deutlich weniger Leben in der Bude. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man zusätzlich die Resonanz (die hier im Moog-Stil „Emphasis“ heißt) hineindreht. Das dazugehörige Poti hat zudem die merkwürdige Besonderheit, dass sich über mehr als zwei Drittel des Reglerwegs gar nichts tut, sodass man im letzten Drittel Mühe hat, das Ganze fein zu justieren. Dieser Fehler wurde bereits beim Vorgänger bemängelt, was Analogue Solutions aber seltsamerweise nicht veranlasst hat, bei diesem eindeutigen Konstruktionsfehler nachzubessern.

Audio Samples
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Filter Leipzig-S zum Vergleich: Filter Moog Voyager
Der Sequencer des Leipzig-S lässt sich auch als Klangquelle benutzen
Der Sequencer des Leipzig-S lässt sich auch als Klangquelle benutzen

Sequencer

Der Sequencer hat in meiner Wahrnehmung eine Berg- und Talfahrt durchlaufen. Zunächst fand ich die Idee sensationell, dass man einen Monosynth mit einem Analogsequencer kombiniert. Dann war ich ziemlich enttäuscht über Ausführung und Ausstattung des Sequencers. Und schließlich erschien er mir als eine schöne Zugabe. Sicher, wenn man an ausgewachsene Sequencer denkt oder an vielseitige Zwerge wie den Dark Time, machen einen die acht Knöpfchen auf dem Leipzig-S nicht glücklich. Betrachtet man diesen Teil des Synths aber in erster Linie als Modulationsquelle und erst in zweiter als Melodienerzeuger, kommt man nicht umhin, langsam doch zum Fan zu werden. Zieht man nämlich alle Register, entstehen enorm lebendige, tiefgründige Analogsounds. Ein Beispiel: Bei der Einstellung “MIDI Key” geht der Sequencer immer dann zum nächsten Schritt über, wenn er einen Note-on-Befehl empfängt. Stellt man nun für alle Steps leicht unterschiedliche Werte ein und schickt dann diese Ausgangsspannungen sowohl ganz dezent an VCO 2 und etwas stärker an das Filter (was ja mit Hilfe der drei Potis für VCO 1, VCO 2 und VCF kein Problem ist), erhält man bei einem Arpeggio acht Variationen von Detune zwischen den Oszillatoren und natürlich acht verschiedene Werte für den Cutoff, die bei jedem gespielten Ton wechseln. Ein solches Setup ist auch dadurch extrem flexibel, dass sich die Sequencer Bewegung auch zu ganz anderen Quellen synchronisieren lässt, wie einem beliebigen MIDI-Controller oder sogar zu dem Signal, das an EXT 1 anliegt. Damit sind der Experimentierfreude kaum Grenzen gesetzt.
Natürlich taugt der Sequencer auch zur Produktion einfacher Melodielinien oder Arpeggios. Hier darf man keine Wunder erwarten, kann aber insbesondere in der Kombination mit einem MIDI-Sequencer schöne Ergebnisse erzielen, die vor allem immer ein deutlich analoges Feel haben.
Ein nicht alltägliches Feature ist die Möglichkeit, den „Sound“ des Sequencers in die Audiosignalkette einzuspeisen. Dreht man das Poti im Mixer auf, hört man im Grunde ein rhythmisches Knacken. Der Einfluss, den die Stellung der Potis des Sequencers darauf haben, lässt sich nur erahnen. Allerdings führt das Mischen dieses Sounds mit dem der Oszillatoren zu mehr oder minder rhythmisch zerstörten Gebilden, die spannend sind – auch wenn man mit einem solchen Sound eher nicht das Thema für eine neue Vorabendserie spielen würde.

Audio Samples
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Joyride Sequencer Filter Mod Sequencer MIDI Note Trigger Pulsbreitenmodulation und Sequencer Noise Sequencer-Geräusche, Oszillator und Filtermodulation

Allerdings gewinnt das Ganze deutlich an Anziehungskraft, wenn man den Sequencer statt vom LFO von VCO 2 triggert, sodass die Sequencer-Clock im hörbaren Bereich liegt. Dann verwandelt sich das Geknacke plötzlich in eine veritable, tonal spielbare Klangquelle, im Grunde einen weiteren Oszillator. Dabei trägt jedes einzelne Poti etwas zum Sound bei und beeinflusst das Obertonspektrum der erzeugten Schwingung. Welche Physik sich dabei genau abspielt, sprengt meinen Horizont, allerdings hört man (wie im Klangbeispiel) sehr deutlich, dass eine ganze Palette verschiedener Schwingungsformen erzeugt werden kann. Auch hier geht es wieder eher aggressiv als romantisch zu, aber eine weitere Klangquelle dürfte den Liebhabern komplexer Sounds extrem willkommen sein.

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Sequencer als Audio-Klangquelle

Ecken und Kanten

Bei aller Schönheit ist der Leipzig-S alles andere als ein makelloses Wesen, und die Schraubsession kann durchaus auch mal an den Ritt auf einem nachlässig gewarteten Roboterpferd erinnern. Das liegt an Konstruktionsfehlern wie dem zu zwei Dritteln inaktiven Emphasis-Poti oder der Filter-Modulation, die bei der Einstellung Dreieckschwingungsform/LFO trotz vollem Amount nur mäßig hörbar ist, an Merkwürdigkeiten wie der Tatsache, dass man bei geschlossenem Filter den LFO in Form eines rhythmischen Knackens hört und an Designentscheidungen wie jener mit dem erwähnten „Master Tune“-Knopf, der einem auf der Suche nach einem brauchbaren Grundton Feinmechanikerfähigkeiten abverlangt. Hier wäre übrigens ein Tuning-Ton, wie ihn der Prophet oder der Vermona Perfourmer anbieten, extrem hilfreich gewesen. Je nach Gemüt wird man diese Ecken und Kanten als eine Art rauen Analog-Charme besonders mögen oder als Unzulänglichkeiten empfinden. Fest steht, dass zum Beispiel ein Moog Voyager im Vergleich eine absolute Präzisionsmaschine ist.

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Fazit

Beim Analogue Solutions Leipzig-S kann man durchaus geteilter Meinung sein. Einerseits bietet er (in einem begrenzten Spektrum) einen bissigen, ausdrucksstarken Analogsound, eine Vielzahl von Modulationsmöglichkeiten und Features wie die durchaus ungewöhnliche Beigabe eines analogen Sequencers, der sogar als Audio-Klangquelle genutzt werden kann. Obwohl er für mich keine Liebe auf den ersten Blick war, offenbart der Synthesizer nach einigen gemeinsamen Stunden ungewöhnliche und verlockende Seiten. Das Experimentieren mit ihm macht Spaß und hat Suchtpotential. Andererseits ist er alles andere als perfekt konstruiert, das Filter könnte gerne besser sein, naheliegende Optionen wie CV/Gate Ein- und Ausgänge wurden nicht realisiert, und nicht zuletzt verlangt Analogue Solutions für das Gebotene einen stolzen, für meinen Geschmack etwas überzogenen Preis. Wer einfach nur einen leicht bedienbaren, klanglich versierten monophonen Synthesizer sucht, ist beim Leipzig-S wohl nicht an der richtigen Adresse. Für Soundtüftler, die Klangquellen mit eigenem Charakter lieben, hat Analogue Solutions allerdings ein interessantes Instrument gebaut.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • charakterstarker Analogsound
  • analoger Sequencer
  • sehr flexibel, viele Modulationsmöglichkeiten
  • Sequencer kann als Klangquelle genutzt werden
Contra
  • kein CV/Gate Ein- und Ausgang
  • Tuning problematisch
  • Emphasis-Poti (Resonanz) nur im oberen Drittel wirksam
  • recht hoher Preis
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Analogue Solutions Leipzig-S Test
Für 979,00€ bei
Der Analogue Solutions Leipzig-S ist ein charakterstarker, aber nicht perfekter Monosynth
Der Analogue Solutions Leipzig-S ist ein charakterstarker, aber nicht perfekter Monosynth
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