Tug Bar, Thumb Rest, Ramp: Kleine Klötzchen auf dem E-Bass – und was dahintersteckt! Bei alten Vintage-Bässen und Neuauflagen klassischer Bassmodelle kann man nicht selten auf der Korpusdecke einen kleinen Balken erkennen, der unterhalb der G-Saite im vorderen Drittel des Bodies angebracht ist. Dieser Balken aus schwarzem Kunststoff, Holz oder anderen Materialien, ist gewöhnlich mit zwei Schrauben fest auf dem Korpus fixiert. In selteneren Fällen erblickt man diesen Balken aber auch oberhalb der E-Saite. Andere Bassmodelle sind hingegen mit einer durchgehenden Platte zwischen den Tonabnehmern ausgestattet. Angesichts dieser seltsamen Konstruktionen hört man oft die erstaunte Frage: „Was ist das denn?“. In diesem Artikel wollen wir den Geheimnissen hinter Begriffen wie „Tug Bar“, „Thumb Rest“ und „Ramp“ auf den Grund gehen!
Tug Bar/Thumb Rest: Definition
Riskiert man einen Blick in das Wörterbuch, so erscheinen folgende Definitionen:
- Tug = Schlepper/Zug
- Bar = Balken
Man kann „Tug Bar“ also salopp mit „Schlepp-, Halte-, Trage- oder Zug-Balken“ übersetzen. Mit etwas Kreativität vermag man also von der Namensgebung abzuleiten, dass dieser kleine Balken offensichtlich eine Stütz- oder Haltefunktion ausüben soll.
Tug Bar/Thumb Rest – History
Machen wir erst einmal zur Klärung des Sachverhaltes einen kleinen Ausflug in die Geschichte des E-Basses. Bekannterweise erschien 1951 mit dem Fender Precision Bass das erste serienmäßig in nennenswert großen Stückzahlen hergestellte E-Bassmodell.
Eigentlich war dieses vom ehemaligen Radiomechaniker Clarence Leonidas “Leo” Fender ersonnene Instrument ein Hybrid aus dem bis dahin verwendeten Kontrabass und der E-Gitarre, die sich zu dieser Zeit bereits einige Jahre etabliert hatte. Die Musiker, die zum neuen E-Bass griffen, waren folgerichtig entweder Kontrabassisten oder aber (E-)Gitarristen. Beide Musiker-Gattungen hatten jedoch anfangs Probleme, sich auf das neue Instrument einzustellen!
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Gitarristen schlugen die Saiten des E-Basses in erster Linie mit dem Plektrum an – so wie sie es von der Gitarre gewohnt waren. Die Kontrabassisten wiederum verwendeten eher einen oder zwei Finger zum Anzupfen der Saiten. Nahezu jeder wird die Geschichte des legendären Motown-Bassisten James Jamerson kennen, der die Saiten seines Fender Precision Basses nur dem Zeigefinger anschlug, weswegen er seinem Zeigefinger den Namen „The Hook“ gab.
Man muss sich vorstellen: Es gab schlichtweg noch keinerlei Erfahrungen mit dem Instrument E-Bass – keinerlei Lehrbücher, keine YouTube-Tutorials, keine Musiklehrer:innen, die E-Bass privat oder an einer Musikschule unterrichteten. Niemand konnte sich daher eine Vorstellung davon machen, wie dieses Teil denn eigentlich gespielt werden sollte.
Monk Montgomery – Initiator des Tug Bar?
Der Legende nach war es einer der ersten Kunden Leo Fenders überhaupt, der dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass der Tug Bar seinen Weg auf die Fender-Bässe fand. Sein Name war Monk Montgomery – zu dieser Zeit Bassist beim Lionel Hampton Orchestra, einer der berühmtesten Big Bands in den frühen 50er-Jahren. Bandleader Lionel Hampton insistierte angeblich darauf, dass Monk Montgomery „diesen neuen Fender-Bass“ verwendete, denn Hampton erkannte dessen Potenzial zur Modernisierung des Sounds seiner Rhythm Section.
Der Kontrabassist Monk Montgomery schlug die Strings des für ihn völlig ungewohnten E-Basses vorzugsweise mit dem Daumen an – erst in späteren Jahren setzte er Filz-Plektren ein. Um seine Schlaghand besser verankern zu können und um mehr Kraft für den Anschlags-Daumen erreichen zu erzielen, bat er den genialen Tüftler Leo Fender, eine Art “Stütze” zu entwerfen, mit deren Hilfe man das Instrument mit den restlichen Fingern der rechten Hand „festhalten“ konnte, während der Daumen die Saiten anzupfte. Dies war – der Legende nach – die Geburtsstunde des Tug Bar!
Wie viel Wahrheit wirklich in dieser Geschichte steckt, können wir heutzutage kaum nachprüfen. Leo Fender traf aber zu jener Zeit sehr wohl zahlreiche Musiker in seinem Laden und seiner Werkstatt, mit denen er stets rege Gespräche zu führen pflegte. Durch diese Anregungen kam es zu einer permanenten Entwicklung und Verbesserung der Fender-Instrumente. Nicht wenige der angeregten Modifikationen schafften es in die Serienherstellung.
Doch zurück zum Tug Bar! Auch wenn die sehr spezifische Nutzung dieses kleinen Tools relativ schnell an Bedeutung verlor, weil mehr und mehr Bassisten ihre Spieltechnik in Richtung Plektrum oder Zwei-Finger-Wechselschlag entwickelten, ist es dennoch erstaunlich, wie lange und beharrlich sich der Tug Bar gehalten hat. Selbst heute noch taucht er im Zuge von Vintage- und Reissue-Trends immer wieder auf – allerdings eher aus Gründen optischer Authentizität, als tatsächlich aus praktischen Beweggründen.
Vom Tug Bar zur Thumb Rest
Mitte der 70er-Jahre begann die Firma Fender, den Tug Bar bei einigen Bassmodellen von der Position unterhalb der G-Saite auf die Position oberhalb der E-Saite zu versetzen. Hieraus definiert sich die zweite Namensgebung dieses Balkens: Thumb Rest – die Daumenstütze.
Tatsächlich kann man aus heutiger Sicht sagen, dass Fender (zu jener Zeit immerhin schon ein großer Konzern) hier etwas „late to the party“ kam, denn nicht wenige Bassist:innen waren bereits auf diese Idee gekommen und hatten sich eigene Daumenstützen gebastelt oder den Tug Bar einfach auf eigene Faust versetzt, wenn sie dies für sinnvoll hielten.
Einige Konstruktionen waren sogar so ausgerichtet, das ein durchgehender langer Balken oberhalb der E-Saite verlief. Die Firma Ovation machte gar einen Aluminium-Rahmen zu einem essentiellen Designkonzept ihres Magnum-Basses. Dieser Rahmen gestattete es, die Anschlaghand in jeder beliebigen Position über dem Korpus mit dem Daumen zu verankern.
Ashtray & Co. – die Funktion der Chrom-Cover auf E-Bässen
Wer sich jetzt einmal den Spaß macht und versucht, Monk Montgomerys alte Daumen-Zupftechnik zu verwenden, wird feststellen, dass es schnell passieren kann, die Saiten versehentlich mit dem Handballen der Anschlaghand abzudämpfen. Doch auch für dieses Problem hatte Leo Fender eine Idee: Er konstruierte einen Metallbügel, welcher über den Tonabnehmer lief und diesen verdeckte bzw. abschirmte.
Den Handballen der Anschlaghand konnte man auf dem Bügel ablegen, ohne die Saiten versehentlich abzudämpfen. So gehörte fortan zu jedem Bass, an dem sich ein Tug Bar befand, auch ein Cover über dem Halspickup. Wenn heutzutage noch jemand diese Pickup-Abdeckung verwendet, so hat das für gewöhnlich eher nostalgisch-optische Gründe. Die meisten Bassist:innen haben das Cover damals schon zugunsten eines komfortableren Spielgefühls und größerer Flexibilität entfernt.
Zusätzlich kam auch noch eine Metall-Abdeckung der Brücke dazu. Dieses Chrom-Cover wird liebevoll „Ashtray“ („Aschenbecher“) genannt. Aber auch hier besaß die Abdeckung neben der schönen Optik eine praktische Funktion: Besaßen die sehr frühen Fender-Bässe noch einzeln justierbare Saitendämpfer unter der Bridge, so konnte man unter dem Bridge-Cover einen Schwamm bzw. Schaumstoffdämpfer kleben, welcher die Saiten von oben abdämpfte.
All das entsprach der damaligen Soundästhetik in der Ära von Blues, Motown, Beat und Soul, in der Bässe noch nahezu ausschließlich mit Flatwound-Saiten bestückt waren. Im Übrigen waren diese Saiten auch nur selten bis niemals auszutauschen, ansonsten hätte der geniale Leo Fender sicherlich noch eine Bridge-Abdeckung konstruiert, die für den Saitenwechsel nicht hätte entfernt werden müssen.
Ramp – die Rampe auf dem E-Bass
Als Bassist:innen allmählich begannen, ihre Spieltechnik weiterzuentwickeln und als Solisten aus der reinen Begleitfunktion herauszutreten, wurden auch die Anforderungen an die Konstruktion und das Design der E-Bässe anspruchsvoller. Dies war die Geburtsstunde der Edelbässe bzw. Boutique-Bässe, deren Hersteller seit über 50 Jahren immer weiter neue Grenzen austesten.
Modernere Basstechniken erfordern permenente Modifikationen der Instrumente zur Verbesserung ihrer Bespielbarkeit. Beispielsweise kommen viele Bassist:innen nicht mit einem zu hohen Abstand zwischen Saiten und Korpusdecke klar. Im Idealfall möchten sie, dass der Abstand zwischen Korpus und Saite genau so hoch ist wie zum Tonabnehmer – sich also eine durchgehende Fläche unterhalb der Anschlagfinger bildet, damit diese beim Spiel ganz gleichmäßig darübergleiten können und die Saiten „im Vorbeigehen“ anschlagen können. Daher entwickelte man die sogenannte Ramp, die sowohl zur Daumenablage als auch zum Verringern des Abstandes zwischen Saiten und Korpusdecke fungiert.
Der erste Bassist, der eine Ramp auf seinen Bässen verwendete, dürfte der legendäre Gary Willis sein. Schon Mitte der 1980er-Jahre etablierte Willis die „Willis Ramp“ – ein Holzplättchen, welches er fest zwischen die beiden Tonabnehmer seiner Bässe montierte. Andere frühe User dieses Tools waren Gary Grainger und Matt Garisson.
Player wie der Chilene Igor Saavedra und der US-Amerikaner Damian Erskine trieben die Weiterentwicklung der Willis-Ramp in den 90er- und 2000er-Jahren weiter voran. Sie gehörten zu den ersten Tieftönern, welche höhenverstellbare Rampen auf ihren Signature-Instrumenten besaßen, die zum Teil sogar eine feste Einheit zusammen mit den Tonabnehmern bilden (MicRamp bzw. Ramp Bar). Auch der als “The Snow Owl” bekannte kolumbianische Bassist Juan Garcia-Herreros muss in diesem Zusammenhang genannt werden.
Fazit
Tug Bar, Thumb Rest, Ramp – keine Frage, die Weiterentwicklung vom kleinen Klötzchen bis hin zum „Monolith“ auf zahlreichen modernen Bässen ist faszinierend und zeigt, dass die Geschichte niemals stehenbleibt! Solltet ihr selbst einen Bass besitzen, der mit der ein oder anderen Variante ausgestattet ist, so ist es sicher reizvoll, damit einmal ein wenig herumzuexperimentieren: Wer weiß, welche geniale Basslinie oder Spieltechnik vielleicht dabei herauskommt?
Alles Gute, euer Oliver